Die rechts­ra­di­ka­len Par­teien der Ukraine im Super­wahl­jahr 2019

Die ukrai­ni­sche radi­kale Rechte ist fester Bestand­teil vieler Dis­kus­sio­nen über die Ukraine. Aber wie steht es im Wahl­jahr um die tra­di­tio­nell zer­strit­te­nen, natio­na­lis­ti­schen und rechts­ra­di­ka­len Kräfte, die sich im Novem­ber 2018 auf einen gemein­sa­men Prä­si­dent­schafts­kan­di­da­ten geei­nigt hatten? Eine Analyse von Andreas Umland

Die ukrai­ni­sche radi­kale Rechte diente Moskau seit Beginn ihres bewaff­ne­ten Wider­stan­des gegen die Sowjet­macht Ende der 1930er als ein zen­tra­les Feind­bild. Der Kreml nutzte und nutzt bis heute die poli­ti­sche Radi­ka­li­tät, Mas­sen­ver­bre­chen, faschis­ti­schen Ten­den­zen, ter­ro­ris­ti­schen Metho­den und demons­tra­tive Mili­tanz des his­to­ri­schen ukrai­ni­schen Ultra­na­tio­na­lis­mus zur Agi­ta­tion der – hin­sicht­lich ukrai­ni­scher Ange­le­gen­hei­ten ansons­ten wenig infor­mier­ten – rus­si­schen und west­li­chen Öffent­lich­keit. Das Label der „Ban­de­ris­ten“ – abge­lei­tet vom Namen des eins­ti­gen Anfüh­rers des radi­kals­ten Natio­na­lis­ten­flü­gels, Stepan Bandera – wurde und wird genutzt, um Ukrainer*innen aus Gali­zien und Wol­hy­nien, ukrai­ni­sche Patriot*innen im All­ge­mei­nen oder auch nur sich als solche beken­nende Ukrainer*innen als xeno­phob, anti­se­mi­tisch, ja völ­ker­mör­de­risch zu stigmatisieren.

Portrait von Andreas Umland

Dr. Andreas Umland ist wis­sen­schaft­li­cher Mit­ar­bei­ter am Stock­hol­mer Zentrum für Ost­eu­ro­pa­stu­dien (SCEEUS) und Senior Expert am Ukrai­nian Insti­tute for the Future in Kyjiw. 

Nach Jahr­zehn­ten kon­ti­nu­ier­li­cher anti­ukrai­ni­scher Pro­pa­ganda haben etliche Ukrainer*innen den Begriff „Ban­de­rist“ (ban­de­ri­vets, ban­de­rivka) trotzig als Selbst­be­schrei­bung über­nom­men. Und das, obwohl die meisten der selbst­er­nann­ten „Ban­de­ris­ten“ mit den poli­ti­schen Zielen Stepan Ban­de­ras wenig gemein haben – außer dem gemein­sa­men Ziel ukrai­ni­scher Unab­hän­gig­keit. Teile der west­li­chen Öffent­lich­keit machen nichts­des­to­we­ni­ger wei­ter­hin keinen Unter­schied zwi­schen den einer­seits eman­zi­pa­to­ri­schen und ande­rer­seits extre­mis­ti­schen Motiven des ukrai­ni­schen Natio­na­lis­mus und seinen ver­schie­den poli­ti­schen Spiel­ar­ten in Ver­gan­gen­heit und Gegenwart.

Der Auf- und Abstieg der Freiheitspartei

Als die expli­zit anti-rus­si­sche Allukrai­ni­sche Ver­ei­ni­gung „Swoboda“ (Frei­heit) 2012 nach Ver­hält­nis­wahl­recht mit 10,44% der Stimmen erst­mals mit einer eigenen Frak­tion ins ukrai­ni­sche Par­la­ment einzog[1] und 2014 neue außer­par­la­men­ta­ri­sche natio­na­lis­ti­sche Gruppen, wie der Rechte Sektor und das Frei­wil­li­gen­ba­tal­lion „Asow“ auf­tauch­ten, bot dies neues Futter für Moskaus anti­ukrai­ni­sche Kam­pa­gnen. Ins­be­son­dere der erste Anfüh­rer des Rechten Sektors, Dmytro Jarosch, wurde von den kreml­kon­trol­lier­ten Mas­sen­me­dien nach dem Euro­mai­dan als töd­li­che Bedro­hung rus­sisch­spra­chi­ger Men­schen in der Ukraine dar­ge­stellt – obwohl Jarosch selbst aus der öst­li­chen, rus­so­pho­nen Oblast Dni­pro­pe­trovsk stammt. Infolge des schril­len Pro­pa­gan­da­feld­zugs im rus­si­schen Staats­fern­se­hen erlangte Jarosch – eigent­lich eine poli­ti­sche Rand­fi­gur – im In- und Ausland bizarre Berühmtheit.

Jaroschs schlech­tes Ergeb­nis bei den Prä­si­dent­schafts­wah­len im Mai 2014 (0,7%) und der Miß­er­folg seines Rechten Sektors bei den Par­la­ments­wah­len im Oktober 2014 (1,8%) erschwer­ten jedoch die rus­si­sche Ver­leum­dungs­kam­pa­gne. Noch erstaun­li­cher – und für den Kreml womög­lich in gewis­ser Hin­sicht ent­täu­schend – war das nur wenig bessere Abschnei­den von „Swoboda“ und dessen Par­tei­vor­sit­zen­dem Oleh Tjahny­bok bei den Prä­si­dent­schafts­wah­len (1,16%) und Par­la­ments­wah­len (4,71%) im Revo­lu­ti­ons­jahr 2014. Da die Rechts­ra­di­ka­len damit an der Fünf­pro­zent­hürde schei­ter­ten, ver­schwand ihre kurz­le­bige Frak­tion aus der Wer­chowna Rada (Obers­ter Rat), in der seitdem nur einige ein­zelne Ultra­na­tio­na­lis­ten ver­tre­ten sind, die zudem wenig mit­ein­an­der kooperieren.

Der – ver­gli­chen mit ihren Ergeb­nis­sen von 2012 – rapide Abstieg der „Swoboda“-Partei im Oktober 2014 war ange­sichts der kürz­li­chen rus­si­schen Kri­m­an­ne­xion, des damals bereits weit eska­lier­ten Krieg im Donbas und der Aus­wir­kun­gen dieser Ereig­nisse auf die ukrai­ni­sche Gesell­schaft umso über­ra­schen­der. Obwohl der Patrio­tis­mus rapide wuchs, semi­re­gu­läre Frei­wil­li­gen­ba­tal­lione im Auf­stieg waren und in der ukrai­ni­schen Bevöl­ke­rung Angst vor Russ­land gras­sierte, verlor „Swoboda“ bei den Wahlen im Herbst 2014 pro­zen­tual über die Hälfte ihrer vor­he­ri­gen Wäh­ler­schaft. Tat­säch­lich verlor die Partei, auf die gesamte Ukraine gerech­net, sogar noch mehr Stimmen, da die meisten Wähler der Krim und des Donbas – d. h. jener Teile der ukrai­ni­schen Bevöl­ke­rung mit beson­ders wenig Sym­pa­thie für „Swoboda“ – nicht an den Wahlen teil­neh­men konnten. Wahr­schein­lich gab es Ende 2014 erheb­li­che Frus­tra­tion in der ukrai­ni­schen Natio­na­lis­ten­szene ange­sichts der Tat­sa­che, dass „Swoboda“ und der Rechte Sektor bei den Par­la­ments­wah­len im Oktober ins­ge­samt deut­lich mehr als fünf Prozent der Wäh­ler­stim­men erhiel­ten. Wären sie mit einer ver­ei­nig­ten Liste ange­tre­ten, hätten sie mög­li­cher­weise die Fünf­pro­zent­hürde gemein­sam über­win­den und so ihre seit 2012 exis­tie­rende Par­la­ments­frak­tion erhal­ten können.

Das Schei­tern des gemein­sa­men Neuanfangs

Im März 2017 zogen die meisten radi­ka­len Nationalist*innen schein­bar eine Lehre aus ihrem Schei­tern knapp drei Jahre zuvor und ver­ab­schie­de­ten auf einem Bünd­nis­kon­gress ein kol­lek­ti­ves soge­nann­tes Natio­na­les Mani­fest. Die Anfüh­rer der drei wich­tigs­ten Par­teien – Oleh Tyahni­bok von „Swoboda“, Andrij Tara­senko vom Rechten Sektor und Andrij Bilez­kyj vom Natio­na­len Korps, her­vor­ge­gan­gen aus dem „Asow“-Battalion – unter­zeich­ne­ten während einer fei­er­li­chen Zere­mo­nie im Kyjiwer Haus des Lehrers ein gemein­sa­mes pro­gram­ma­ti­sches Doku­ment. Darin for­der­ten sie unter anderem die Schaf­fung eines mit­tel­ost­eu­ro­päi­schen Staa­ten­blocks zwi­schen Ostsee und Schwar­zem Meer sowie die Wie­der­auf­rüs­tung der Ukraine zur Atommacht.

Der neue Zusam­men­schluss ver­einte unter anderem jene beiden Par­teien, „Swoboda“ und Rechter Sektor, die bei den Par­la­ments­wah­len 2014 noch getrennt ange­tre­ten waren. Bis vor kurzem umfasste diese Allianz auch den Natio­na­len Korps, eine neue, dyna­mi­sche Partei, die Teil der „Asow“-Bewegung ist und aus zwei ras­sis­ti­schen Grüpp­chen der Vor­mai­d­an­zeit, „Patriot der Ukraine“ und Sozial-Natio­nale Ver­samm­lung, her­vor­ge­gan­gen war, denen Bilez­kyj eben­falls einmal vor­ge­stan­den hatte. Der neuen ultra­na­tio­na­lis­ti­schen Allianz schlos­sen sich drei weitere rechts­extreme Klein­grup­pen an: der Kon­gress Ukrai­ni­scher Natio­na­lis­ten, die Orga­ni­sa­tion der Ukrai­ni­schen Natio­na­lis­ten sowie die die berüch­tigte Neo­na­zi­truppe „C14“. Eine andere natio­na­lis­ti­sche Gruppe – die soge­nannte „Staats­män­ni­sche Initia­tive Jaroschs“, eine Abspal­tung des Rechten Sektors – fehlte aller­dings bei dem Zusam­men­schluss im März 2017 und unter­zeich­nete das gemein­same Mani­fest nicht. Jaroschs demons­tra­tive Abwe­sen­heit erwies sich im Nach­hin­ein als ein Vorbote nach­fol­gen­der Ereignisse.

Im Verlauf des Jahres 2018 dis­ku­tier­ten die Anführer*innen und Aktivist*innen der Rechts­ra­di­ka­len ihre gemein­same Stra­te­gie für die Prä­si­dent­schafts- und Par­la­ments­wah­len 2019. In den teils öffent­li­chen Debat­ten ging es vor allem darum, dass die ultra­na­tio­na­lis­ti­schen Gruppen gemein­sam Wahl­kampf machen und zusam­men antre­ten müssten. Jedoch blieb lange ein wich­ti­ger Punkt unge­klärt: Welche der beiden bekann­tes­ten Füh­rungs­fi­gu­ren – Tjahny­bok oder Bilez­kyj – würde der gemein­same Prä­si­dent­schafts­kan­di­dat der Ultra­na­tio­na­lis­ten werden? Tjahny­bok (*1968) ist ein Poli­tik­ve­te­ran aus Gali­zien, der 1990, 2004 und 2013–2014 aktiv an den soge­nann­ten „Revo­lu­tio­nen auf dem Granit“, „in Orange“ und „der Würde“ teil­nahm. Bis Oktober 2014 hatte er zehn Jahre lang Par­la­ments­er­fah­rung als direkt gewähl­ter Abge­ord­ne­ter in der Wer­chowna Rada gesammelt.

Bilez­kyj (*1979) hin­ge­gen stammt aus dem eher rus­sisch­spra­chi­gen Charkiw und wurde erst nach dem Euro­mai­dan auf natio­na­ler Ebene bekannt. Er erlangte vor allem Berühmt­heit als Gründer und erster Kom­man­deur des Frei­wil­li­gen­bat­tali­ons (inzwi­schen Regi­ment) „Asow“, welches im Sommer 2014 unter anderem Mariu­pol von pro­rus­si­schen Sepa­ra­tis­ten befreite. Auf­grund seiner para­mi­li­tä­ri­schen Leis­tun­gen wurde er bei den Par­la­ments­wah­len im Oktober inof­fi­zi­el­ler Kan­di­dat von Arsenij Jazen­juks Partei Natio­nale Front und gelangte per Direkt­man­dat vom Kyjiwer Eli­ten­be­zirk Obolon in die Rada. Obwohl Bilez­kyj bislang über relativ wenig rele­vante poli­ti­sche Erfah­rung verfügt, will er schein­bar inner­halb des ultra­na­tio­na­lis­ti­schen Lagers eine Rolle spielen, die der­je­ni­gen Tjahny­boks gleich­kommt oder sie noch übersteigt.

Zunächst schien es, als ob die radi­kale Rechte eine Lösung für diese kniff­lige Frage gefun­den hatte, als sie im Novem­ber 2018 einen dritten relativ bekann­ten natio­na­lis­ti­schen Poli­ti­ker als Prä­si­dent­schafts­kan­di­da­ten nomi­nierte – Ruslan Koschu­lyn­skyj (*1969), wie auch Tjahny­bok ein gali­zi­scher „Swoboda“-Mann und 2012–2014 stell­ver­tre­ten­der Par­la­ments­prä­si­dent. Koschu­lyn­skyj hatte sich in dieser Funk­tion sowie als spä­te­rer frei­will­li­ger Soldat im Donbas einen guten Ruf und natio­nale Aner­ken­nung erwor­ben. Er schien daher eine gute Wahl zu sein. Bald wurde jedoch klar, dass Koschu­lyn­skyjs Auf­stel­lung seitens der Gruppen, die 2017 das Natio­nale Mani­fest unter­zeich­net hatten, aus unkla­ren Gründen nicht oder nur unzu­rei­chend mit Bilez­kyjs Natio­na­lem Korps abge­stimmt worden war. Seither beschul­di­gen sich „Swoboda“ und deren Ver­bün­dete auf der einen und der Natio­nale Korps auf der anderen Seite gegen­sei­tig, den Koor­di­nie­rungs­pro­zess vor Koschu­lyn­skyjs Nomi­nie­rung als gemein­sa­mer Kan­di­dat sabo­tiert zu haben.

Das Wäh­ler­pro­blem der Rechtsradikalen

Für die anste­hen­den Prä­si­dent­schafts­wah­len werden aller­dings ohnehin weder der schein­bare Bruch des Bünd­nis­ses von 2017, noch Dmytro Jaroschs öffent­li­che Unter­stüt­zung von Koschu­lyn­skyjs Kan­di­da­tur 2019 von großer poli­ti­scher Bedeu­tung sein. Das liegt daran, dass Koschu­lyn­skyjs Abschnei­den bei den Wahlen womög­lich zu einem PR-Desas­ter für die Rechts­ra­di­ka­len werden könnte. In einer Mei­nungs­um­frage, die das renom­mierte Kyjiwer Ras­um­kow-Zentrum am 20.02.2019 ver­öf­fent­lichte, optier­ten für Koschu­lyn­skyj nur 0,9% der­je­ni­gen, die vor­hat­ten, bei den Prä­si­dent­schafts­wah­len ihre Stimme abzu­ge­ben. Mit einem der­ar­ti­gen schlech­ten Ergeb­nis läge Koschu­lyn­skyj sogar noch unter dem bereits pein­li­chen Resul­tat von 1,16%, das sein Par­tei­kol­lege Tjahny­bok bei den Prä­si­dent­schafts­wah­len 2014 ein­ge­fah­ren hatte. Es wäre desas­trös, sollte Koschu­lyn­skyj tat­säch­lich derart wenig Unter­stüt­zung bekom­men, obwohl er – anders als Tjahny­bok, der 2014 mit Jarosch im Wett­be­werb stand – kei­ner­lei Kon­kur­ren­ten am äußers­ten rechten Rand hat. Weder Bilez­kyj, noch Jarosch, noch irgend­ein anderer pro­mi­nen­ter Ultra­na­tio­na­list tritt neben Koschu­lyn­skyj bei den Prä­si­dent­schafts­wah­len am 31.3.2019 an.

Ein weit wich­ti­ge­rer Aspekt der Span­nun­gen zwi­schen dem Natio­na­len Korps und den anderen ultra­na­tio­na­lis­ti­schen Gruppen ist daher die Frage, ob sie bei den Par­la­ments­wah­len im Oktober 2019 getrennt antre­ten oder nicht. Eine Spal­tung des radikal-natio­na­lis­ti­schen Stim­men­po­ten­ti­als auf zwei kon­kur­rie­rende Listen könnte zu einem ähn­li­chen Fiasko führen, wie es die radi­kale Rechte 2014 erlebte. Es ist nicht einmal sicher, dass eine voll­stän­dig kon­so­li­dierte radi­kale Rechte mit einer Ein­heits­liste und gemein­sa­mem Wahl­kampf die Fünf­pro­zent­hürde über­win­den wird.

Laut dem pro­mi­nen­ten Kyjiwer Poli­tik­ana­lys­ten Volo­di­mir Fesenko liegt das daran, dass „Petro Poro­schen­kos breite Kam­pa­gne sich auf mili­tante patrio­ti­sche Rhe­to­rik [stützt] und die Kan­di­da­tur des amtie­ren­den ukrai­ni­schen Prä­si­den­ten durch einige ein­fluss­rei­che Natio­na­lis­ten [unter­stützt wird], was Koschu­lyn­skyjs Chancen bei den Prä­si­dent­schafts­wah­len und die Chancen für ‘Swoboda‘, ganz zu Schwei­gen von anderen natio­na­lis­ti­schen Par­teien, bei den Par­la­ments­wah­len deut­lich mindert.“

In den Worten des füh­ren­den Wiener Rechts­extre­mis­mus­for­schers Anton Shek­hovtsov haben die ukrai­ni­schen Ultra­na­tio­na­lis­ten derzeit „geringe Chancen, in die Rada zu gelan­gen, weil das poli­ti­sche System der Ukraine wieder extrem pola­ri­siert ist (wie das schon in den 1990ern und zu Beginn der 2000er der Fall war). Der Kon­flikt inner­halb des poli­ti­schen Zen­trums ist jetzt so inten­siv, dass für alle peri­phe­ren Par­teien wenig Hoff­nung besteht, an dieser Kon­fron­ta­tion im Zentrum und damit an der natio­na­len poli­ti­schen Debatte teil­zu­neh­men. In gewis­ser Hin­sicht ist die Situa­tion von ‘Swoboda’ und des Natio­na­len Korps ähnlich der­je­ni­gen kleiner libe­ra­ler Par­teien, wie der Demo­kra­ti­schen Allianz oder ‚Kraft der Men­schen‘. Sie haben kei­ner­lei Chancen – und nicht so sehr, weil sie sich nicht ver­ei­ni­gien, sondern weil das gegen­wär­tige poli­ti­sche Zentrum ein Schlacht­feld viel grös­se­rer poli­ti­scher Kräfte ist. Man darf zudem nicht ver­ges­sen, dass es ‚Swoboda‘ 2012 in die Rada schaffte, weil ihr vom dama­li­gen Prä­si­den­ten Wiktor Janu­ko­wytsch gehol­fen wurde. Heute braucht niemand die Rechts­ra­di­ka­len, mal abge­se­hen von bestimm­ten Busi­ness-Pro­jek­ten, die ihre Dienste zur Raiding-Über­nahme und Erpres­sung von Geschäfts­kon­kur­ren­ten in Anspruch nehmen“.

Auf dem Weg zu einem neuen Wahldesaster?

Im Februar 2019 betrug die Summe der­je­ni­gen, die vor­hat­ten bei den Par­la­ments­wah­len für „Swoboda“ (1,4%), den Natio­na­len Korps (0,2%), die Staats­män­ni­sche Initia­tive Jaroschs (0,1%) und den Rechten Sektor (0,0%) zu stimmen, in der erwähn­ten Ras­um­kow-Zentrum-Umfrage ledig­lich 1,7%. Zwar hat die extreme Rechte in der Ukraine hin und wieder bei Wahlen wesent­lich besser als in vor­her­ge­hen­den Umfra­gen abge­schnit­ten. Aber die derzeit vom Ras­um­kow-Zentrum gemes­sene Unter­stüt­zung für die radi­kale Rechte müsste sich bei den Wahlen ver­drei­fa­chen, damit eine ver­ei­nigte Liste die Fünf­pro­zent­hürde über­win­den kann.

Trotz solch ernüch­tern­der Umfra­ge­er­geb­nisse scheint Bilez­kyj für die anste­hen­den Par­la­ments­wah­len an eine sepa­rate Liste seiner Partei zu denken. Ein Ver­tre­ter des Natio­na­len Korps ver­lau­tete im Novem­ber 2018, dass das „Poten­zial und die per­so­nel­len Kapa­zi­tä­ten [seiner Orga­ni­sa­tion] wesent­lich größer [sind], als die aller anderen [Par­teien der radi­ka­len Rechten, die 2017 das Natio­nale Mani­fest unter­zeich­net hatten] zusam­men.“ Die der­zei­ti­gen Span­nun­gen zwi­schen dem Natio­na­len Korps einer­seits und den übrigen ultra­na­tio­na­lis­ti­schen Par­teien ande­rer­seits könnten wichtig werden, falls Poro­schenko im April 2019 nicht wie­der­ge­wählt wird und eine weniger betont patrio­tisch auf­tre­te­tende Person Präsident*in würde.

In diesem Fall könnten sich natio­na­lis­ti­sche Wähler*innen, die derzeit den amtie­ren­den Prä­si­den­ten unter­stüt­zen, mög­li­cher­weise ent­schei­den, bei den Par­la­ments­wah­len im Oktober für die Rechts­ra­di­ka­len zu votie­ren. Das könnte den Ultra­na­tio­na­lis­ten die Chance ver­schaf­fen, in der nächs­ten Legis­la­tur­pe­ri­ode wieder ins Par­la­ment ein­zu­zie­hen. Sollte jedoch Bilez­kyjs Natio­na­ler Korps unter solch – für die Ultra­na­tio­na­lis­ten – relativ güns­ti­gen Bedin­gun­gen einen sepa­ra­ten, kon­kur­rie­ren­den Wahl­kampf führen, könnte sowohl die von „Swoboda“ geführte Ein­heits­liste als der Natio­nale Korps die Fünf­pro­zent­hürde ver­pas­sen – womög­lich gar bei einem kom­bi­nier­ten Pro­zent­satz von über 5%. Damit würde sich teil­weise das Sze­na­rio von 2014 wiederholen.

All dies ist jedoch bisher nur Spe­ku­la­tion. Die ukrai­ni­sche Par­tei­en­po­li­tik und Wäh­ler­wan­de­rung ist für ihre Unbe­re­chen­bar­keit berüch­tigt. Die ersten zwei Monate des Jahres 2019 und der rasante Auf­stieg des New­co­mers Wolo­dymyr Selen­s­kij haben gezeigt, wie schnell und radikal sich die Kräf­te­ver­hält­nisse im ukrai­ni­schen Wahl­kampf ändern können. Es ist zudem wahr­schein­lich, dass Moskau auf die eine oder andere Weise – zumin­dest bei den Par­la­ments­wah­len im Oktober – ver­su­chen wird, Ein­fluss auf die Stimm­ab­gabe zu nehmen. Solche Ver­su­che müssen nicht not­wen­di­ger­weise im Sinne unmit­tel­ba­rer Kreml-Inter­es­sen erfolg­reich sein. Sie könnten aber die öffent­li­che Meinung und par­tei­po­li­ti­sche Kon­stel­la­tion beein­flus­sen – mög­li­cher­weise gar zum Vorteil der radi­ka­len Rechten. Zumin­dest Anfang März 2019 sieht es aller­dings so aus, als ob die Rechts­ra­di­ka­len der Ukraine bei den Prä­si­dent­schafts­wah­len im Früh­jahr und Par­la­ments­wah­len im Herbst ähnlich mise­ra­bel wie 2014 abschnei­den werden.

Aus dem Eng­li­schen von Doro­thea Traupe.

[1] Nach dem neuen Wahl­ge­setz werden seit der Wahl 2012 225 Sitze per Mehr­heits­wahl in Ein­man­dats­wahl­krei­sen und die anderen 225 Sitze per Ver­hält­nis­wahl­recht vergeben.

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