Israel: Stra­te­gi­sche Zurück­hal­tung im Ukraine-Krieg

Israels Außen­mi­nis­ter Yair Lapid bei einer Kon­fe­renz in Athen 2022; Foto: IMAGO /​ ANE Edition

Ist die „Neu­tra­li­tät“ Jeru­sa­lems im rus­sisch-ukrai­ni­schen Krieg prag­ma­ti­scher Zynis­mus oder feige Dumm­heit? Eine Analyse von Vya­ches­lav A. Likhachev

Israel ist eines der wenigen Länder des „west­li­chen“ Blocks, das nicht an der Orga­ni­sa­tion von Waf­fen­lie­fe­run­gen an die Ukraine betei­ligt ist. Ange­sichts des Umfangs der mili­tä­risch-tech­ni­schen Zusam­men­ar­beit mit den Ver­ei­nig­ten Staaten (40 Prozent des Gesamt­haus­halts und fast das gesamte Budget für den Kauf neuer Waffen der israe­li­schen Ver­tei­di­gungs­kräfte bestehen aus unent­gelt­li­cher ame­ri­ka­ni­scher Hilfe), erregt diese kon­se­quente „Neu­tra­li­tät“ zuneh­mend Aufmerksamkeit.

Acht Monate lang beschränkte sich Israel auf huma­ni­täre Hilfe – und das in relativ gerin­gen Mengen. Die israe­li­schen Zivil­ge­sell­schaft sam­melte und lie­ferte der Ukraine viermal mehr Hilfe durch Frei­wil­lige als die Regie­rung zur Ver­fü­gung stellte.

In der Frage der Lie­fe­rung von Waffen oder der Betei­li­gung an anderen Formen der Mili­tär­hilfe (zum Bei­spiel Aus­bil­dungs­pro­gramme für ukrai­ni­sche Sol­da­ten und Offi­ziere) bleibt Israel unbeug­sam. Erst in den letzten Tagen wurden in Israel im Zusam­men­hang mit dem Beginn des mas­si­ven Ein­sat­zes unbe­mann­ter Angriffs­flug­zeuge ira­ni­scher Her­kunft gegen ukrai­ni­sche zivile Objekte der kri­ti­schen Infra­struk­tur durch Russ­land Stimmen laut, die einen Poli­tik­wech­sel for­der­ten. So gab der Minis­ter für Dia­spora-Ange­le­gen­hei­ten, Nachman Shai, am 16. Oktober eine solche Erklä­rung ab.

Zwar erklärte das Außen­mi­nis­te­rium bereits am nächs­ten Tag, dass seine Worte nicht die Haltung der Regie­rung wider­spie­gel­ten (viel­leicht wäre die Reak­tion noch schnel­ler erfolgt, wenn es sich nicht um einen reli­giö­sen Fei­er­tag gehan­delt hätte, an dem in Israel staat­li­chen Ein­rich­tun­gen geschlos­sen sind). Inof­fi­zi­ell wurde auch berich­tet, dass der Ukraine einige Infor­ma­tio­nen über ira­ni­sche Drohnen zur Ver­fü­gung gestellt wurden, die die Abwehr dieser Drohnen erleich­tern sollen.

Sabo­tage und Blockade

Gene­rell kann Israels Haltung in der Frage der mili­tä­ri­schen Unter­stüt­zung der Ukraine jedoch als Sabo­tage bezeich­net werden. Zuvor hatte der ukrai­ni­sche Prä­si­dent Wolo­dymyr Selen­skyj in einem Inter­view erklärt, er sei „scho­ckiert“ über die aus­blei­bende Unter­stüt­zung Israels seit dem Beginn einer groß ange­leg­ten rus­si­schen Inva­sion. Vor dem Hin­ter­grund der ver­stärk­ten Angriffe durch ira­ni­sche Drohnen bat der ukrai­ni­sche Außen­mi­nis­ter Dmytro Kuleba am 18. Oktober Jeru­sa­lem offi­zi­ell um die Bereit­stel­lung von Luft­ab­wehr­sys­te­men. Am 19. Oktober lehnte der israe­li­sche Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter Benny Gantz jedoch jeg­li­che Waf­fen­lie­fe­rung an die Ukraine ab.

Gleich­zei­tig hat es Jeru­sa­lem zahl­rei­chen Berich­ten zufolge nicht nur nicht eilig, sich in das Netz der Mili­tär­hilfe für die Ukraine ein­zu­glie­dern, sondern auch es zu beein­flus­sen. So berich­te­ten ver­schie­dene Medien, dass Israel die Lie­fe­rung von Pan­zer­ab­wehr­sys­te­men, an deren Ent­wick­lung es betei­ligt war, aus Deutsch­land und anderer Waffen aus den bal­ti­schen Ländern blo­ckierte. In den ersten Kriegs­mo­na­ten wurde auch die Mög­lich­keit erör­tert, die Ukraine mit sowje­ti­schen Kampf­flug­zeu­gen aus Polen zu unter­stüt­zen. Die Moder­ni­sie­rung der Navi­ga­ti­ons­sys­teme (Avionik) dieser Flug­zeuge wurde jedoch von Israel durch­ge­führt, was dem Land die Mög­lich­keit gab, auch gegen solche Lie­fe­run­gen ein Veto ein­zu­le­gen.

Noch unge­heu­er­li­cher ist die Wei­ge­rung Israels, sich dem Regime der Wirt­schafts­sank­tio­nen gegen den Kreml anzu­schlie­ßen. In diesem Bereich verhält sich Israel ähnlich wie Kasach­stan oder die Türkei: Diese Länder tragen zwar nicht direkt zur Umge­hung der Sank­tio­nen bei, halten aber ihre wirt­schaft­li­chen Bezie­hun­gen zu Russ­land nicht nur auf­recht, sondern bauen sie sogar aus. Der ehe­ma­lige israe­li­sche Minis­ter­prä­si­dent Naftali Bennett war einer der wenigen aus­län­di­schen Staats­füh­rer, die nach dem 24. Februar 2022 Russ­land besuch­ten und sich mit Wla­di­mir Putin trafen.

Regio­nale und globale Geopolitik

Der offen­sicht­lichste Faktor, der Israel davon abhält, die Bezie­hun­gen zu Russ­land zu ver­schlech­tern, ist seine Sicher­heit und ins­be­son­dere die Situa­tion, die sich in den letzten Jahren an den Nord­gren­zen des Landes ent­wi­ckelt hat. Der Bür­ger­krieg in Syrien hat zu einer erheb­li­chen Ver­stär­kung der ira­ni­schen Mili­tär­prä­senz in der Region geführt. Lie­fe­run­gen neu­es­ter Waffen und Muni­tion an die His­bol­lah, die ira­ni­sche Stell­ver­tre­ter­truppe im Libanon, haben ihr mili­tä­ri­sches Poten­zial deut­lich vergrößert.

Die rus­si­sche Mili­tär­prä­senz in Syrien schränkt die Mög­lich­kei­ten Israels weiter ein, dem Auf­stieg ira­ni­scher Stell­ver­tre­ter­grup­pen ent­ge­gen­zu­wir­ken. Die wich­tigste Funk­tion der rus­si­schen Truppen ist es, für Sicher­heit aus der Luft zu sorgen. Nachdem Moskau das Regime von Baschar al-Assad an der Macht gehal­ten und dafür gesorgt hat, dass er die Kon­trolle über den größten Teil des Landes wie­der­erlangt hat, ist es nicht an einer Stär­kung Tehe­rans in der Region interessiert.

Israel nutzt diesen Umstand aus. Das Land hat eine infor­melle Ver­ein­ba­rung mit Russ­land getrof­fen, die ein relativ freies Handeln in Bezug auf Angriffe auf ira­ni­sche Ein­rich­tun­gen und Logis­tik für Waf­fen­lie­fe­run­gen an die His­bol­lah ermög­licht. Natür­lich erfor­dert dies eine sorg­fäl­tige Koor­di­nie­rung der Luft­an­griffe und stän­dige Kon­takte mit der mili­tä­risch-poli­ti­schen Führung Russ­lands. Jeru­sa­lem unter­nimmt seit Jahren enorme Anstren­gun­gen, um diese Bezie­hun­gen auf­zu­bauen, und wird sie nicht opfern, um eine Posi­tion zu einem Kon­flikt zu bezie­hen, der Tau­sende von Kilo­me­tern von seinen Grenzen ent­fernt ist.

Israel ist seit seiner Grün­dung mit einer exis­ten­zi­el­len Bedro­hung durch seine Nach­barn kon­fron­tiert und hat sich daran gewöhnt, seine Sicher­heit in den Vor­der­grund seiner Außen­po­li­tik zu stellen. Es ist schwer, von diesem Land mit seiner dra­ma­ti­schen Geschichte ein anderes Ver­hal­ten zu erwarten.

Darüber hinaus gibt es einige andere außen­po­li­ti­sche Themen, bei denen die Inter­es­sen Jeru­sa­lems und Moskaus über­ein­stim­men. Dies ist zum Bei­spiel der Atom-„Iran-Deal“. Sowohl Israel als auch Russ­land sind äußerst daran inter­es­siert, dass die Ver­hand­lun­gen über seine Wie­der­be­le­bung gestört werden (und mög­li­cher­weise koor­di­nie­ren sie ihre Bemü­hun­gen, um dieses Ziel zu erreichen).

Innen­po­li­ti­scher Machtkampf

Ein wei­te­rer, für außen­ste­hende Beob­ach­ter weniger offen­sicht­li­cher Faktor, der den Bei­tritt Israels zur anti­rus­si­schen Koali­tion behin­dert, ist die anhal­tende poli­ti­sche Krise im Lande selbst. Am 1. Novem­ber wird in Israel ein neues Par­la­ment gewählt. Das Ergeb­nis ist schwer vor­her­zu­sa­gen. In den letzten Monaten waren die poli­ti­schen Eliten nicht in der Lage, an etwas anderes zu denken als an den Wahl­kampf. Und objek­tiv betrach­tet ist dies ein­deu­tig nicht die Situa­tion, in der wich­tige Ent­schei­dun­gen stra­te­gi­scher Natur getrof­fen werden sollten.

Die der­zei­tige Regie­rung wurde im ver­gan­ge­nen Sommer nach meh­re­ren Wahlen gebil­det, bei denen es nicht gelang, eine Koali­tion zu bilden. Der daraus resul­tie­rende Block ver­schie­de­ner poli­ti­scher Kräfte war nur in einem Punkt geeint – dem Wunsch, die Herr­schaft des Führers der rechts­ge­rich­te­ten Likud-Partei, Ben­ja­min Netan­jahu, zu beenden. Eine der Bedin­gun­gen des Kom­pro­mis­ses, der die Bildung der Koali­tion ermög­lichte, war der Beschluss, dass die Vor­sit­zen­den der wich­tigs­ten Par­teien, die die Koali­tion gebil­det hatten, abwech­selnd das Amt des Minis­ter­prä­si­den­ten über­neh­men sollten. Natür­lich konnte eine solche Koali­tion nicht von Dauer sein, was wie­derum zu vor­ge­zo­ge­nen Neu­wah­len führte. Infol­ge­des­sen hat Ben­ja­min Netan­jahu eine sehr reale Chance, auf den Sitz des Minis­ter­prä­si­den­ten zurückzukehren.

Die Bezie­hun­gen zu Russ­land sind eine wich­tige Res­source für den Wahl­kampf. Viele Likud-Anhän­ger glauben, dass eine Reihe unbe­dach­ter Äuße­run­gen zur Ver­ur­tei­lung der rus­si­schen Aggres­sion durch Ver­tre­ter der noch regie­ren­den Koali­tion Moskau ernst­haft ver­är­gern könnte. Sie schla­gen vor, die unge­heu­er­li­chen anti­se­mi­ti­schen Äuße­run­gen des rus­si­schen Außen­mi­nis­ters Sergej Lawrow in diesem Sinne zu inter­pre­tie­ren. Die Ver­är­ge­rung des Kremls hat bereits zur Ein­stel­lung der Akti­vi­tä­ten der Jewish Agency for Israel (Sochnut) in Russ­land geführt, die die Alija (Rück­kehr von Juden nach Israel) orga­ni­siert, und könnte zu einer dras­ti­schen Ver­schär­fung der Sicher­heits­lage an den nörd­li­chen Grenzen führen.

Likud, NDI und die Nähe zu Russland

Ben­ja­min Netan­jahu, für den Wla­di­mir Putin eine per­sön­li­che Sym­pa­thie zu hegen scheint, hat sich in den ver­gan­ge­nen Jahren um die Ver­bes­se­rung der Bezie­hun­gen zu Moskau ver­dient gemacht. Nach dem 24. Februar ist ein solcher Wahl­kampf nicht mehr möglich, aber früher hing in der Likud-Zen­trale ein Plakat mit einem rie­si­gen Foto, auf dem ein Hand­schlag zwi­schen den beiden zu sehen war. Aber auch jetzt ist es noch immer möglich, dass ein Likud-Abge­ord­ne­ter zum Bei­spiel auf einer Kund­ge­bung einer pro­rus­si­schen Partei in Chi­si­nau zu sehen ist.

Aber auch in der seit ein­ein­halb Jahren regie­ren­den Koali­tion gibt es genü­gend Putin-Sym­pa­thi­san­ten. Einer der wich­tigs­ten Koali­ti­ons­part­ner ist die Partei Yisra’el Beit­einu (auf Deutsch: Israel Unser Zuhause) von Avigdor Lie­ber­man. Ihre Beson­der­heit ist die Aus­rich­tung auf die Wäh­ler­schaft aus dem Kreis der Ein­wan­de­rer aus den Ländern der ehe­ma­li­gen Sowjet­union, die in Israel kol­lek­tiv als „Russen“ bezeich­net werden. Da die meisten von ihnen vor dreißig Jahren im Rahmen der soge­nann­ten „großen Alija“ während des Zusam­men­bruchs der UdSSR nach Israel aus­ge­wan­dert sind, haben sich viele von ihnen eine gewisse Nost­al­gie bewahrt, die die Partei scham­los ausnutzt.

Sogar ihr Name bezieht sich direkt auf den Namen der Partei des dama­li­gen rus­si­schen Minis­ter­prä­si­den­ten Viktor Tscher­no­myr­din, „Russ­land unsere Heimat“. Bisher wei­gerte sich Avigdor Lie­ber­man mehr­mals, die rus­si­sche Aggres­sion gegen die Ukraine zu ver­ur­tei­len. Als die ganze Welt mit Schau­dern von den Schre­cken erfuhr, die sich während der rus­si­schen Beset­zung von Butscha ereig­ne­ten, äußerte er Zweifel.

Miss­ach­tung des Völkerrechts

Es sind aber nicht nur ratio­nale Sicher­heits­er­wä­gun­gen und innen- und außen­po­li­ti­sche Ver­wick­lun­gen, die den Konsens über die „Neu­tra­li­tät“ erklä­ren, der sich im israe­li­schen Estab­lish­ment her­aus­ge­bil­det hat. Da ich selbst Israeli bin, ist es mir beson­ders unan­ge­nehm, dies zu sagen, aber es gibt bestimmte Ele­mente der Staats­ideo­lo­gie und der in den poli­ti­schen Eliten weit ver­brei­te­ten Welt­an­schau­ung, die Russ­land und Israel teilen.

Seit seiner Grün­dung hat sich Israel daran gewöhnt, sich nur auf die Macht seiner Streit­kräfte zu ver­las­sen und das Völ­ker­recht und die Meinung der inter­na­tio­na­len Gemein­schaft nicht zu berück­sich­ti­gen. Die Reso­lu­tio­nen der UN-Gene­ral­ver­samm­lung werden in Jeru­sa­lem seit Jahr­zehn­ten über­gan­gen. Inter­na­tio­nal aner­kannte Grenzen sind für Israel nichts Unan­tast­ba­res und die Anne­xion fremden Ter­ri­to­ri­ums wird als eine durch­aus akzep­ta­ble Maß­nahme ange­se­hen, wenn sie zur Stär­kung der Sicher­heit bei­trägt. Natür­lich kann man den rus­sisch-ukrai­ni­schen Krieg nicht mit den ara­bisch-israe­li­schen Kon­flik­ten ver­glei­chen. Die Ukraine hat Russ­land in keiner Weise bedroht und nicht ange­grif­fen, die Krim war kein Sprung­brett für stän­dige Angriffe auf das rus­si­sche Ter­ri­to­rium und so weiter. Trotz­dem muss man aner­ken­nen, dass Jeru­sa­lem, Hand­lun­gen, die von der inter­na­tio­na­len Gemein­schaft als inak­zep­ta­bel ange­se­hen werden, nicht unbe­dingt verurteilt.

Israel ist eine bedin­gungs­lose Demo­kra­tie mit all ihren Insti­tu­tio­nen: eine freie Presse, faire Wahlen, eine starke Zivil­ge­sell­schaft und eine unab­hän­gige Justiz. Im All­ge­mei­nen hat sich das poli­ti­sche Spek­trum des Landes jedoch in den letzten zwei Jahr­zehn­ten nach dem Fiasko des Frie­dens­pro­zes­ses gewis­ser­ma­ßen nach „rechts“ ver­scho­ben. Ein bedeu­ten­der Teil der Gesell­schaft und ein Teil des poli­ti­schen Estab­lish­ments ver­tritt kon­ser­va­tive Ansich­ten (was auch durch den Ein­fluss ortho­do­xer reli­giö­ser Insti­tu­tio­nen begüns­tigt wird). Aus diesem Grund sym­pa­thi­sie­ren einige Israe­lis auf ihre Weise mit dem moder­nen auto­ri­tä­ren Russ­land, das ver­sucht, eine Alter­na­tive zu einem allzu libe­ra­len Europa zu bieten (das wie­derum auf­grund seiner Haltung in der Paläs­tina-Frage als anti-israe­lisch wahr­ge­nom­men wird).

Zusam­men­ge­nom­men führen diese Gefühle manch­mal zu unan­ge­neh­men Initia­ti­ven. In der letzten Amts­zeit von Ben­ja­min Netan­jahu bei­spiels­weise dis­ku­tierte die Regie­rung ernst­haft über die Ver­ab­schie­dung eines Geset­zes über „aus­län­di­sche Agenten“ nach rus­si­schem Vorbild. Mit Hilfe dieses Geset­zes sollten die Akti­vi­tä­ten von Men­schen­rechts­grup­pen, die von inter­na­tio­na­len Zuschüs­sen und Spenden leben und bei­spiels­weise Ver­stöße gegen das huma­ni­täre Völ­ker­recht durch die israe­li­sche Armee in Judäa und Samaria (West­jor­dan­land) doku­men­tie­ren, ein­ge­schränkt werden.

Erin­ne­rungs­po­li­tik als Gemeinsamkeit

Auch in der Erin­ne­rungs­po­li­tik hat Israel immer wieder als Ver­bün­de­ter des Kremls agiert. Wla­di­mir Putin nutzte die Bedeu­tung des Holo­causts für die israe­li­sche Gesell­schaft und das poli­ti­sche Estab­lish­ment, um seine eigene Version des Zweiten Welt­kriegs zu legi­ti­mie­ren. Es genügt, an das pompöse Forum zu erin­nern, das mit dem Geld rus­sisch-jüdi­scher Olig­ar­chen aus dem Umfeld des Kremls in der Gedenk­stätte Yad Vashem im Januar 2020 ver­an­stal­tet wurde. Mit dem Ein­ver­ständ­nis der israe­li­schen Führung ist diese Kon­fe­renz zu einer echten Bene­fiz­ver­an­stal­tung für Wla­di­mir Putin gewor­den. Infolge des Skan­dals trat der Direk­tor von Yad Vashem zurück, aber es bleibt die Tat­sa­che bestehen, dass das Forum mehr füh­rende Poli­ti­ker aus der ganzen Welt zusam­men­brachte als je zuvor. Das poli­ti­sche Estab­lish­ment war deshalb mit dieser Zusam­men­ar­beit mit dem Kreml recht zufrieden.

Natür­lich sind solche „ideo­lo­gi­schen“ Ele­mente, die Israel in gewis­sem Sinne zu einem natür­li­chen Ver­bün­de­ten Russ­lands machen, nicht ent­schei­dend. In zivi­li­sa­to­ri­scher Hin­sicht fühlen sich die Men­schen in diesem Land des Nahen Ostens als Teil der wirt­schaft­lich ent­wi­ckel­ten und poli­tisch freien west­li­chen Welt. Russ­land hin­ge­gen koope­riert zuneh­mend mit den ärgsten Feinden Israels, die es sich direkt zur Aufgabe gemacht haben, das Land zu vernichten.

Es gibt Grund zu der Annahme, dass diese Fak­to­ren zusam­men­ge­nom­men unwei­ger­lich dazu führen werden, dass Jeru­sa­lem doch noch auf die „helle Seite“ wech­selt und seinen Platz in der Koali­tion der demo­kra­ti­schen Länder ein­nimmt, die die Ukraine unter­stüt­zen. Kurz­fris­tig ist dies jedoch nicht zu erwarten.

Geför­dert durch

Portrait Likhanov

Vya­ches­lav Lik­ha­chev ist ein aus Russ­land stam­men­der Israeli. Er ist His­to­ri­ker, poli­ti­scher Analyst und Mit­glied des Exper­ten­rats des Zen­trums für bür­ger­li­che Freiheiten. 

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