Putins kriegerische Kraftmeierei – ein Fiasko
Putin-Russland hat den Ukrainern wieder gezeigt, was „russki mir“ bedeutet: Krieg und Drohungen. Doch Ukrainer lassen sich nicht einschüchtern und beschreiten weiter den Weg gen Westen.
Nach wochenlangen perfiden Drohungen, einschließlich Vernichtungsfantasien, hat Russland gestern – in Gestalt seines Verteidigungsministers Schoigu – den Abzug von Soldaten vor den ukrainischen Grenzen angekündigt. Ob es sich hierbei möglicherweise nur um eine „Kriegslist“ und um ein Täuschungsmanöver handelt, bleibt abzuwarten. Da Einheiten von russischer Luftwaffe und Kriegsflotte ebenso wie neue Militärlager und umfangreiche Technik an den ukrainischen Grenzen verbleiben sollen, handelt es sich ohnehin nur um einen teilweisen Rückzug. Die militärische Drohkulisse bleibt jedenfalls erhalten.
Dabei sind etliche der russischen Begründungen für den Truppenaufmarsch nach wie vor absurd: Die angebliche „Bedrohung Russlands durch die Nato“ bzw. durch das seit langem geplante Nato-Manöver „Defender Europe 2021“ besteht ja nach wie vor, denn das Manöver soll erst im Mai richtig beginnen, also dann, wenn die russischen Truppen sich schon zurückgezogen haben sollen.
Auch haben die ukrainische Armee und die ukrainische Gesellschaft in den letzten Tagen nicht in ihren Bemühungen nachgelassen, sich auf einen großflächigen Angriff der russischen Armee vorzubereiten. Präsident Wolodymyr Selenskyj hat eine Rede an die Nation gehalten und angekündigt, die Ukraine werde bis zum Letzten kämpfen und man werde sich nicht „zerstören“ lassen. Zuvor hatte Dmitrij Kosak, der stellvertretende Leiter der Administration des russischen Präsidenten, das Ende der Ukraine als Staat angedroht, sollte die ukrainische Armee im Donbass eine Offensive starten, was diese nie vorgehabt oder angekündigt hatte. Die ukrainische Regierung, das seien „Kinder mit Zündhölzern in der Hand“, so Kosak verächtlich.
Welchen Nutzen hat Putin-Russland nun von seiner kriegerischen Kraftmeierei? Dass Angst Russlands erfolgreichstes Export-Produkt ist, wusste man schon vorher. Dass Russland eine große Armee hat, die bereit ist in Nachbarländer einzufallen, ist ebenfalls keine Neuigkeit. Und man muss auch nicht Wirtschaftswissenschaften studiert haben um zu verstehen, dass die Löhne und Einkommen der Menschen in Russland durch solche „Kriegsspiele“ nicht steigen.
In der Ukraine sind nun noch mehr Menschen zu der Überzeugung gelangt, dass Putin-Russland ein hinterhältiger und grausamer Gegner ist und immer mit der Möglichkeit eines furchtbaren Krieges gerechnet werden muss. Die Transatlantiker wurden enorm gestärkt. Der „Friedenspräsident“ Selenskyj fordert den schnellen Beitritt seines Landes in die NATO. Die USA und andere westliche Verbündete haben der Ukraine in den letzten Tagen neueste und sehr effektive Waffen geliefert, darunter eine Batterie Antischiffsraketen, deren Einsatz die Anlandung russischer Schiffe an ukrainischen Küsten sehr erschweren würden.
Putin und seine zynischen Gehilfen haben also wieder einmal das Gegenteil dessen erreicht, was sie angestrebt haben. Die Ukraine hat sich nicht einschüchtern lassen, sie hat sich russischen Wünschen nicht gefügt und beispielsweise mit Russlands Freischärlern im Donbass direkt verhandelt oder gar Wasser auf die Krim zur Versorgung der russischen Soldaten geleitet. Stattdessen hat sie viel internationale Solidarität erfahren und ihre inneren Konflikte relativieren und hintenan stellen können. Statt geschwächt geht sie gestärkt aus dieser Krise hervor.
Neue Freunde dürfte die „russki mir“ nicht gewonnen haben. Mir jedenfalls ist kein Ukrainer bekannt, der froh darüber wäre, bombardiert zu werden. „Hurra, es ist Krieg, die Russen wollen uns töten (oder befreien)!“, schreit hier niemand. Mein Freund Oleg beispielsweise wohnt in der Nähe einer großen Kaserne der ukrainischen Armee, also einem Zielobjekt im Falle eines Krieges. Selbstverständlich kalkulieren Menschen wie er das Risiko ein, zu den „Kollateralschäden“ russischer Luftangriffe zu gehören. Und selbstverständlich sind diese Menschen nicht froh darüber. Man muss also gar kein bekennender Patriot sein, um Putin-Russlands Kriegsdrohungen und Vernichtungswünsche als abartig und krank anzusehen.
Einer der häufigsten Stoßseufzer lautete in den letzten Wochen in der Ukraine: „Als hätten wir nicht genug Probleme!“. Als würde die Corona-Pandemie nicht an den Nerven zerren, als wären dort nicht schon viele Opfer zu betrauern. Nun kann vorsichtig leichte Entwarnung gegeben werden. Die „nicht gleichgültigen“ Menschen können ihre Aufmerksamkeit wieder verstärkt auf die hausgemachten und selbstverschuldeten Probleme richten – auf die Ineffizienz der staatlichen Behörden, der Justiz und der Kriminalpolizei, auf die traurige soziale Lage der Rentnerinnen und Rentner, auf das immer noch dröge Bildungswesen und die immer noch weit verbreitete sowjetische Mentalität, auf Anweisungen „von oben“ zu warten, statt die Probleme selbst anzupacken. Zu tun gibt es genug, um die Gesellschaft zu reformieren und eine bessere Zukunft zu ermöglichen.
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