Partei des Putin-Freundes im Höhenflug
Die “Oppositionsplattform – Für das Leben”, die offen pro-russische Partei des engen Putin-Freundes Wiktor Medwedtschuk, kann bei der Parlamentswahl am 21. Juli voraussichtlich den zweiten Platz belegen. Das ist fünf Jahre nach der Krim-Annexion bemerkenswert, kommt aber nicht von ungefähr. Von Denis Trubetskoy
Fünf Jahre nach der russischen Annexion der Krim und dem Beginn des Donbas-Krieges ist eine offen pro-russische Partei fast in der Poleposition vor der vorgezogenen Parlamentswahl am 21. Juli. Die „Oppositionsplattform – Für das Leben” um den persönlichen Freund des russischen Präsidenten Wladimir Putin kommt laut der Umfrage der nichtstaatlichen Rating Group (zwischen 29. Juni und 3. Juli ausgetragen) auf 13,4 Prozent und damit auf Rang zwei. Der Abstand zur Partei „Diener des Volkes“ des Präsidenten Wolodymyr Selenskyj ist zwar riesig, dennoch ist es quasi gesetzt, dass die „Oppositionsplattform“ mit einer großen Fraktion in der nächsten Werchowna Rada präsent sein wird. Dieser mögliche Erfolg wird auf das bereits gute Ergebnis des Spitzenkandidaten Jurij Bojko folgen, der bei der Präsidentschaftswahl mit 11,67 Prozent den vierten Platz belegte. Dabei gewann Bojko in den Bezirken Donezk und Luhansk und kam darüber hinaus auf Platz zwei hinter Selenskyj in Charkiw, Odessa, Saporischschja, Mykolajiw, Cherson und Dnipro. Selbst in der Hauptstadt Kyjiw kam er auf 6,27 Prozent, das reichte für den sechsten Platz.
Bemerkenswert ist dabei, dass Bojko und Medwedtschuk unmittelbar vor der Wahl nach Russland fuhren [siehe Titelbild], um sich etwa mit dem russischen Ministerpräsidenten Dmitrij Medwedew zu treffen. Ebenfalls beachtlich auch: Bojko hat besser abgeschnitten als von den sonst (abgesehen vom Achtungserfolg von Ihor Smeschko mit 6,04 Prozent) ziemlich genauen Umfragen vorausgesagt, was die Soziologen dadurch erklären, dass nicht alle bereit waren, ihre Sympathie für Bojko offenzulegen. Sollte das auch für die Parlamentswahl zutreffen, könnte die „Oppositionsplattform“ mit einem recht soliden Ergebnis rechnen. Zwei weitere Fakten machen das Ergebnis Bojkos bei der Präsidentschaftswahl noch interessanter. 2014 war er zwar nicht der wichtigste Kandidat des pro-russischen Spektrums, bekam jedoch lediglich 0,19 Prozent. Nachdenklich macht jedoch etwas anderes: Im von Kyjiw kontrollierten Teil des Donbas lag Petro Poroschenko vorn, der sich damals zum zurückhaltenden gemäßigten Kandidaten stilisierte. Die Agenda rund um Armee, Sprache und Glauben kam viel später.
Nun, der vermutliche zweite Platz der „Oppositionsplattform“ ist keine Katastrophe. Sollte das nächste Parlament tatsächlich aus Selenskyjs „Diener des Volkes“, der „Stimme“ des Rocksängers Wakartschuk, der „Europäischen Solidarität“ des Ex-Präsidenten Poroschenko und der „Vaterlandspartei“ der zweifachen Ministerpräsidentin bestehen, ist es ausgeschlossen, dass jemand mit der Vereinigung von Medwedtschuk und Bojko koalieren wird. Die „Oppositionsplattform“ zu ignorieren, die sich für die Abkehr von der europäischen Integration und für die Verbesserung der Russland-Beziehungen einsetzt, wird jedoch immer schwerer. Dafür braucht man nicht mal das russische Fernsehen anmachen, das ständig für die Partei und die ehemaligen Mitstreiter aus dem „Oppositionsblock“ wirbt (die Flügel von Medwedtschuk und von Oligarch Rinat Achmetow, die früher den „Oppositionsblock bildeten, haben sich getrennt und treten beide bei der Wahl an – Anmerkung). Der mit Russland-bezogenen Ölgeschäften reich gewordene Medwedtschuk verfügt mittlerweile über ein großes Medienimperium, zu dem inwischen auch der ursprünglich aus dem westukrainischen Lwiw stammende Sender ZIK dazu gehört.
Sowohl ZIK als auch die beiden Nachrichtensender Kanal 112 und NewsOne gehören Medwedtschuk über den Rada-Abgeordneten und den engen Partner Taras Kosak, doch auch große Internet-Angebote wie Strana.ua und Korrespondent.net scheinen unter dem Einfluss des 64-Jährigen zu stehen. ZIK hat nach der Übernahme durch Medwedtschuk Schlagzeilen durch Massenkündigungen der unzufriedenen Journalisten gemacht, richtig für Aufsehen gesorgt hat aber vor allem NewsOne. Der Sender wollte eine TV-Brücke mit dem russischen föderalen Sender Rossija 1 organisieren, eine Art Bürgerdialog unter dem Titel „Wir müssen reden“. Die Nachricht wurde erst vom bekanntesten russischen Propagandisten Dmitrij Kisseljow verkündet, was zum Skandal durchaus beigetragen hat – so oder so kam die Idee aber im politischen Kyjiw nicht gut an, zumal die Ausstrahlung von Rossija 1 in der Ukraine verboten ist. Letztlich musste NewsOne die Sendung absagen, angeblich, weil Journalisten des Senders Drohungen erhalten hatten. Bei NewsOne hätte man aber mit solchen Reaktionen rechnen sollen, daher ist anzunehmen, dass diese Absage von Anfang an mit einkalkuliert war.
Die Beliebtheit der Medwedtschuk-Partei im Donbas hat womöglich damit zu tun, dass die „Oppositionsplattform“ scheinbar logische Lösungen für den Krieg im Osten vorschlägt – und die Nähe Medwedtschuks zur russischen Staatsführung gibt dabei einigen das Gefühl, unter Bojko und Co. wäre Frieden möglich. Die „Oppositionsplattform“ wirbt für eine weitgehende Autonomie im Donbas, die unter anderem eine eigene Regierung und ein eigenes Parlament vorsieht. Medwedtschuk wurde außerdem lange von Ex-Präsident Poroschenkobei den Minsker Verhandlungen eingesetzt und war für den Gefangenenaustausch zuständig. Trotz unterschiedlicher Sichtweisen in anderen Fragen haben die beiden doch viel zusammengearbeitet.
Der letzte Gefangenenaustausch fand jedoch Ende 2017 statt – und Präsident Selenskyj will dabei mit Medwedtschuk nicht zusammenarbeiten. Es ist daher wohl kein Zufall, dass Medwedtschuk die Freilassung von vier Ukrainern aus dem besetzten Gebiet direkt vor der Wahl aushandeln konnte. Außerdem könnte die Message, die das russische Staatsfernsehen an die ukrainischen Wähler ausstrahlt, kaum klarer sein: Wählt die „Oppositionsplattform“, dann bekommt ihr billigeres Gas. Das scheint zumindest auf einige Menschen zu wirken.
Zudem trifft sich Oleh Woloschin, der ehemalige Sprecher des ukrainischen Außenministeriums und ein wichtiges Mitglied der Partei Medwedtschuks, mit Vertretern rechtskonservativen Parteien Europas und versucht, die Zusammenarbeit mit ihnen aufzubauen, etwa mit den französischen Rechten. „Putin hat Recht, dass die liberale Politik, so wie wir sie aus Westen kennen, nicht mehr existiert“, schreibt er etwa auf seiner Facebook-Seite. „Sie wurde durch den Sozialismus mit der Diskriminierung der weißen Christen mit traditionellen Sichtweisen und sexueller Orientierung ersetzt.“ Parteimitglieder wie Woloschin hetzen aktiv gegen die LGBT-Community und haben zuletzt die Austragung von Kyiv Pride hart unter der Gürtellinie kritisiert. Dass mit der „Oppositionsplattform“ also eine pro-russische Partei, die zudem noch rechtskonservative Auffassungen vertritt, vorne in der ukrainischen Politik mitmischt, ist etwas, was die anderen politischen Kräfte als seriöse Gefahr für die heutige Ausrichtung des Landes wahrnehmen sollten.
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