„Dom“ – exklusives Fernsehen für die besetzten Gebiete
Nach internen Querelen und einem verschobenen Sendestart hat die Ukraine nun einen neuen staatlichen TV-Kanal. „Dom“ ersetzt den internationalen Sender „UA TV“. Das Programm wird exklusiv in die besetzten Gebieten im Donbas und auf der Krim ausgestrahlt. Auch die Ausstrahlung der Serie „Diener des Volkes“ ist geplant. Von Daniela Prugger
Der blau-gelbe Schriftzug an der Tür ist alles, was von „UA TV“ geblieben ist. In den Räumlichkeiten des TV-Studios im Kyjiwer Stadtteil Obolon hat sich in den vergangenen Wochen viel verändert. Die Abteilungen für Beiträge auf Englisch, Arabisch und Krimtatarisch wurden Ende Dezember von der Regierung geschlossen. Dafür gibt es jetzt einen exklusiven TV-Kanal für die besetzten Gebiete im Osten des Landes. Derzeit testet der Sender die digitale Signalübertragung mit vier Antennen im Donbas und drei auf der Krim. Der Sender „Dom“ – „Heim“ hat eine Aufgabe: Die Köpfe der Menschen vom russischen Einfluss zu befreien.
Das Büro von Yulia Ostrovskaya ist einer der wenigen Orte, an denen das neue Programm zu sehen ist. Die Interimsdirektorin sitzt hinter einem schmucklosen Schreibtisch, den Blick auf einen Flachbildfernseher gerichtet: Das historische TV-Drama „Krepostnaya“ – „Leibeigenschaft“ ist eine ukrainische Erfolgsserie und wird auch im Nachbarland Polen ausgestrahlt. Seit kurzem erreicht die Liebesgeschichte einer jungen Leibeigenen und eines Adligen im 19. Jahrhundert auch die Menschen im Donbas und auf der Krim.
„Wir wollen gute Unterhaltung bieten“, so Ostrovskaya. Auch die Ausstrahlung von „Diener des Volkes“ ist geplant, jener TV-Serie, der Präsident Wolodymyr Selenskyj seine Bekanntheit und Beliebtheit zu verdanken hat. Der Medienkonzern „1+1 Media“, der mehrheitlich dem Milliardär Ihor Kolomojskyj gehört, ist nicht der einzige Privatsender, der Unterhaltungsprogramme für „Dom“ laut Ostrovskaya beinahe kostenlos zur Verfügung stellt. Weitere Formate sollen unter anderem von der „StarLightMedia“-Gruppe kommen, deren Mitbesitzer Wiktor Pintschuk ist, der zweitreichste Mann der Ukraine.
Mehr als Wyschywanka und traditionelle Küche
Neben der Übertragung von Fußballspielen und einer Talkshow mit Menschen aus dem Donbas sollen künftig objektive und positive Nachrichten über die Ukraine verbreitet werden, so Ostrovskaya. Doch jetzt, so Ostrovskaya, gehe es erst einmal darum, Vertrauen zu den Zuschauern aufzubauen. „Die Menschen im Donbas wissen zu wenig über die Ukraine. Wegen der russischen Propaganda glauben sie, dass wir Ukrainer gewalttätig sind und ihnen nicht helfen wollen.“ Weil die meisten Menschen in der Ostukraine vor allem Russisch sprechen, hat diese Sprache Priorität. Zu einem späteren Zeitpunkt soll der Programminhalt auch auf Ukrainisch laufen. Am Vokabular für die TV-Formate wird gerade noch gefeilt. „Wir balancieren auf dünnem Eis. Wir müssen uns im Klaren darüber sein, was wir sagen. Die Menschen im Donbas sind sensibel, wenn es um Formulierungen geht.“ Begriffe wie „Rebellen“ sollen nicht fallen. „Wir wollen in der Berichterstattung optimistischer sein, wir wollen den Menschen Hoffnung für morgen geben“, sagt Ostrovskaya. Man wolle die „progressive Ukraine“ zeigen und damit mehr als „UA TV“ bieten. „Die Ukraine ist nicht nur Wyschywanka, Tradition und Küche.“
„Das normale ukrainische TV-Programm reicht“
Für Olga Mykhalyuk ist „UA TV“ nun eine schöne Erinnerung. Und „Dom“ ein Kind des neuen Präsidenten. Im Jahr 2017 fing Mykhalyuk als Parlamentskorrespondentin beim Sender an, ein Job, der ihr große Freude bereitete. Die Ankündigung über das Ende von „UA TV“ war für sie ein Schock. „Am 29. Dezember hieß es plötzlich, dass es uns nicht mehr geben wird“, erinnert sich Mykhalyuk.
Zur Untätigkeit verdammt, saßen die Mitarbeiter in den darauffolgenden Wochen in ihren Büros, ohne über die künftigen Pläne des Managements und der Regierung informiert zu werden. Mykhalyuk sagt, dass es die Mission von „UA TV“ gewesen sei, der russischen Propaganda entgegenzuwirken. Die Dinge so zu benennen, wie sie sind. „Wir haben Russland immer Aggressor genannt“, sagt Mykhalyuk, die selbst in Luhansk aufgewachsen ist und dort noch immer Verwandte und Freunde hat.
Sie sei sich nicht sicher, wen der neue Sender erreichen wolle. Denn die jungen Menschen sehen sich Programme im Internet an. Und diejenigen, die sowieso für Russland sind, werden ihre Meinung so schnell nicht ändern. Dafür haben sie zu lange unter dem Einfluss von russischer Propaganda gelebt. Für Mykhalyuk stand von Anfang an fest: Ob sie im Team bleibt, das wird von der Art abhängen, wie über den Krieg berichtet wird.
Vor kurzem nun hat Mykhalyuk zusammen mit einigen Kollegen das Team verlassen, und sie folgt damit Elena Tribushnaya, die als Nachrichtenchefin eingeplant war. Die frühere Chefredakteurin beim „24 Kanal“ und stellvertretende Chefredakteurin des Nachrichtenmagazins „Novoe Vremya“ verkündete bereits Ende Januar ihren Ausstieg auf Facebook: Sie sei der Meinung, dass das normale ukrainische Fernsehen im Donbas ausgestrahlt werden sollte. Es gäbe genügend anti-ukrainische Information im Donbas.
Wird „Dom“ ein Partei-Kanal?
Der Versuch, die Menschen im Donbas mit einem eigenen Programm anzusprechen, sei an sich begrüßenswert, meint Halina Petrenko, Präsidentin der Medien-NGO und Watchdog „Detector“. Allerdings sollte es inhaltlich nicht nur um Unterhaltung gehen, sondern um Informationsformate, die den Alltag der Menschen in der Region betreffen – über den Erhalt der Pension oder die bürokratischen Hürden an den Checkpoints.
Doch die Kritik von Petrenko fällt noch viel grundsätzlicher aus. Schließlich ist das Programm außerhalb der besetzten Gebiete, der Krim und dem Büro des Senders selbst nicht zu sehen, auch nicht im Internet. Der Sender erklärte, es gehe dabei um urheberrechtliche Angelegenheiten. „Als Medienexpertin bin ich schockiert, dass ich Anstrengungen unternehmen muss, um Informationen zu diesem Inhalt zu finden.“ Die Ankündigung, man werde sich auf „positive Nachrichten“ konzentrieren, hat bereits Propaganda-Vorwürfe nach sich gezogen. Auch Petrenko fragt sich, was damit gemeint ist: Gute Nachrichten über die ukrainische Regierung, das ukrainische Parlament und damit die Partei „Diener des Volkes“? Im Hinblick auf die für das Jahr 2020 geplanten Kommunalwahlen befürchtet sie, dass der Sender das Potential hat, ein Parteikanal zu werden. Noch gibt es also viele offene Fragen.
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