Oleksij Res­ni­kow: Welt­meis­ter der Verhandlungen

Oleksij Res­ni­kow gilt als bester Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter der unab­hän­gi­gen Ukraine – und hat mit seiner aus­ge­präg­ten Kom­mu­ni­ka­ti­ons­fä­hig­keit maß­geb­lich zu den west­li­chen Waf­fen­lie­fe­run­gen bei­getra­gen. Der Jurist, der diesen Job eigent­lich nicht wollte, ist einer der wenigen Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter der Ukraine, der keine Kar­riere beim Militär gemacht hat.

Mehr als 15 Monate nach Beginn der umfas­sen­den rus­si­schen Inva­sion erwei­sen sich die ukrai­ni­sche Armee und auch das Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­rium in Kyjiw als sehr effek­tiv. Deshalb mag es unglaub­lich klingen, und doch ist es wahr: Noch ein Jahr vor Beginn der Inva­sion herrschte im Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­rium Chaos – trotz der seit 2014 erfolg­reich durch­ge­führ­ten Mili­tär­re­for­men. Diesem Umstand lag vor allem ein per­sön­li­cher Kon­flikt zwi­schen dem dama­li­gen Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ters Andrij Taran und dem Befehls­ha­ber der Armee Ruslan Chomt­schak zugrunde.

Zwei weg­wei­sende Per­so­nal­ent­schei­dun­gen Selenskyjs

Prä­si­dent Wolo­dymyr Selen­skyj traf dar­auf­hin zwei Per­so­nal­ent­schei­dun­gen, die sich im Nach­hin­ein als gold­rich­tig erwie­sen. Im Juli 2021 wurde Chomt­schak als Befehls­ha­ber durch Walerij Salu­schnyj ersetzt. Und am 4. Novem­ber 2021 wurde Oleksij Res­ni­kow zum Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter ernannt: ein Jurist und Poli­ti­ker, der zwar in der Sowjet­zeit den regu­lä­ren Wehr­dienst absol­vierte, sich aber als sehr weit von der Armee ent­fernt sah. Genau das wollte Selen­skyj: einen guten „zivilen“ Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter nach dem Vorbild der NATO-Länder.

„Ich wollte nicht Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter werden“

„Ich wollte nicht Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter werden. Wir haben einen Monat lang darüber ver­han­delt“, gibt der 56-jährige Res­ni­kow gegen­über Forbes Ukraine zu. „Wenn ich mit der Jus­tiz­re­form beauf­tragt worden wäre, hätte ich nicht gezö­gert. Aber das Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­rium war etwas voll­kom­men Neues und Unbe­kann­tes für mich.“

Res­ni­kow sagte dennoch zu, ohne sich darüber im Klaren sein zu können, dass er das zum schlecht- bzw. best­mög­li­chen Zeit­punkt tat. Vor dem rus­si­schen Angriff blieb ihm nicht viel Zeit, um sich im Minis­te­rium ein­zu­ar­bei­ten. Und schon wenige Tage nach Beginn der Inva­sion flog er als Mit­glied der ukrai­ni­schen Dele­ga­tion zu Ver­hand­lun­gen nach Belarus.

Res­ni­kows Kanzlei klagte 2004 erfolg­reich gegen das gefälschte Wahlergebnis

Natür­lich war Res­ni­kow noch nie so pro­mi­nent wie heute: Jeder Ukrai­ner kennt ihn inzwi­schen. Aber auch vor dem rus­si­schen Angriffs­krieg war er alles andere als ein unbe­schrie­be­nes Blatt. Sein Stern als einer der bekann­tes­ten Juris­ten des Landes ging während der Orangen Revo­lu­tion 2004 auf. Es war Res­ni­kows Kanzlei, die den dama­li­gen Prä­si­dent­schafts­kan­di­da­ten Wiktor Juscht­schenko vor dem Obers­ten Gericht vertrat, als dieser gegen das zu Gunsten von Wiktor Janu­ko­wytsch gefälschte Ergeb­nis der Stich­wahl klagte. Das Gericht ordnete eine Wie­der­ho­lung des zweiten Wahl­gangs an, Juscht­schenko gewann die erneute Abstim­mung deut­lich, und die Orange Revo­lu­tion hatte gesiegt.

„Welt­meis­ter der Verhandlungen“

Danach fusio­nierte Res­ni­kows Kanzlei mit einem anderen Anwalts­büro, wodurch der größte Player auf dem juris­ti­schen Markt in der Ukraine ent­stand. Es gibt kaum einen großen Kunden, den Res­ni­kow noch nicht ver­tre­ten hat – von Rinat Ach­me­tow bis Wiktor Pint­schuk. Res­ni­kows Stärken lagen damals und liegen heute vor allem im Bereich der Kom­mu­ni­ka­tion. Unzäh­lige Rechts­fälle konnte er mit einer vor­ge­richt­li­chen Eini­gung bei­le­gen. Des­we­gen wird Res­ni­kow oft als „Welt­meis­ter der Ver­hand­lun­gen“ bezeichnet.

So war es kein Zufall, dass Res­ni­kow gemein­sam mit Dawyd Aracha­mija, dem Frak­ti­ons­chef von Selen­skyjs Partei „Diener des Volkes“, die füh­rende Rolle bei den Ver­hand­lun­gen mit Russ­land – in Belarus und später in Istan­bul – über­nahm. Der 56-Jährige spricht perfekt Eng­lisch und ist für die erfolg­rei­che Kom­mu­ni­ka­tion mit mehr als 50 aus­län­di­schen Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­rien in Sachen Waf­fen­lie­fe­run­gen ver­ant­wort­lich. Wenn Deutsch­land die Lie­fe­rung von Leopard-Kampf­pan­zer zuge­sagt hat, so hat Res­ni­kow daran den größten Verdienst.

Minis­ter für die Reinte­gra­tion der vor­über­ge­hend besetz­ten Gebiete

Vor seiner Ernen­nung zum Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter war er ab dem Früh­jahr 2020 Minis­ter für die Reinte­gra­tion der vor­über­ge­hend besetz­ten Gebiete und erwies sich als solcher sehr effi­zi­ent in der soge­nann­ten Tri­la­te­ra­len Kon­takt­gruppe zur Bei­le­gung des Donbas-Krieges – einem Ver­hand­lungs­for­mat mit Ver­tre­tern Russ­lands, der Ukraine und der OSZE.

Auch vor 2020 war Res­ni­kow bereits poli­tisch tätig, unter anderem zwi­schen 2016 und 2018 als Stell­ver­tre­ter des Kyjiwer Bür­ger­meis­ters Vitali Klit­schko. In dieser Zeit war er für zwei erfolg­rei­che Pro­jekte ver­ant­wort­lich, die inter­na­tio­nale Bedeu­tung hatten: die Aus­tra­gung des Euro­vi­sion Song Con­tests 2017 sowie das Finale der Cham­pi­ons League 2018. Das passt gut zu jeman­den, der privat dafür bekannt ist, an intel­lek­tu­el­len Quiz­spie­len teil­zu­neh­men, oft selbst zu kochen und sich für Extrem­sport­ar­ten zu begeistern.

Kritik wegen der angeb­lich über­höh­ten Preise für die Ver­pfle­gung von Soldaten

Anfang 2023 stand Res­ni­kow kurz vor der Abset­zung, als ukrai­ni­sche Medien berich­te­ten, dass das Militär mög­li­cher­weise über­höhte Ein­kaufs­preise für Lebens­mit­tel für Sol­da­ten im Hin­ter­land gezahlt hatte. Es wurde danach dis­ku­tiert, ob der Chef des Mili­tär­nach­rich­ten­diens­tes, Kyrylo Budanow, zum Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter ernannt werden und Res­ni­kow ein anderes Minis­te­rium über­neh­men solle. Diese Idee wurde jedoch auf­ge­ge­ben: Es war sehr unwahr­schein­lich, dass Res­ni­kow selbst in die Kor­rup­ti­ons­de­likte ver­wi­ckelt war – und seine sorgsam auf­ge­bau­ten Bezie­hun­gen zu den aus­län­di­schen Part­nern waren Selen­skyj schlicht zu wert­voll, um ihn in dieser Funk­tion zu verlieren.

„Die nächste Mission wird sein, die Russen vor allen inter­na­tio­na­len Gerich­ten bezah­len zu lassen“

Nach dem Krieg will Res­ni­kow jedoch kei­nes­falls im Amt bleiben. „Ich werde den Prä­si­den­ten drin­gend darum bitten, mich dann gehen zu lassen“, sagte er Forbes Ukraine. „Die nächste Mission wird sein, die Russen für diesen Krieg bezah­len zu lassen. Vor allen inter­na­tio­na­len Gerich­ten, wo immer ich kann, werde ich ihnen riesige Summen an Repa­ra­ti­ons­zah­lun­gen für wirt­schaft­li­che Schäden, zer­störte Städte und ver­lo­rene Men­schen­le­ben auf­er­le­gen. Sie werden zahlen“.

Portrait von Denis Trubetskoy

Denis Tru­bets­koy ist in Sewas­to­pol auf der Krim geboren und berich­tet als freier Jour­na­list aus Kyjiw.

Ver­wandte Themen

News­let­ter bestellen

Tragen Sie sich in unseren News­let­ter ein und bleiben Sie auf dem Laufenden.

Mit unseren Daten­schutz­be­stim­mun­gen erklä­ren Sie sich einverstanden.