Rückschlag für das neue Antikorruptionsgericht?
Letzte Woche wurde das lang ersehnte Gesetz zum Antikorruptionsgericht verabschiedet. Doch der Jubel währte nur kurz: Erste Probleme sind nur ein Vorbote dafür, dass der Weg bis zur endgültigen Etablierung des Gerichts langwierig und steinig sein wird.
Als am 07. Juni 2018 das Ukrainische Parlament mit 315 Stimmen das lange ersehnte Gesetz zum Antikorruptionsgericht verabschiedete, war die Erleichterung in Kyjiw spürbar. Wirklich Jubeln mochten die Beobachter und Vertreter der Zivilgesellschaft nach fast zwei Jahren Kampf für das Gericht jedoch kaum. Zu groß war die Skepsis über den politischen Willen der ukrainischen Elite, die sich – angeführt von Präsident Poroschenko – zuvor zwei Jahre heftig gegen das Gericht gestellt hatte. Schließlich könnte das neue Antikorruptionsgericht der entscheidende Schlüssel sein, um zukünftig hochrangige Mitglieder der politischen Elite für Korruptionsfälle zur Rechenschaft zu ziehen. Bis kurz vor der finalen Abstimmung wurden tausende Änderungsanträge beraten und verabschiedet. Die Angst war groß, dass kleinste Änderungen das Gesetz noch maßgeblich verändern könnte. Die Skeptiker sollten tragischerweise Recht behalten.
Der Teufel steckt im Detail
Knapp eine Woche nach der Abstimmung wurde der finale Gesetzestext am 13. Juni 2018 veröffentlicht. Seitdem läuten die Alarmglocken. Führende ukrainische Vertreter der Zivilgesellschaft weisen darauf hin, dass das Gesetz alle Kernforderungen der Venedig-Kommission erfüllt – inklusive der Beteiligung westlicher Experten bei der Auswahl der Richter. Die entscheidende Ausnahme ist jedoch, dass laufende Verfahren, die das Nationale Antikorruptionsbüro der Ukraine (NABU) vor die „alten“ Gerichte gebracht hat, auch in diesen zu Ende verhandelt werden müssen. Außerdem dürfen die Fälle in der zweiten Instanz nicht an das neu gegründete Korruptionsgericht transferiert werden. Diese Änderung stand nicht im Gesetzentwurf und wurde weder im entsprechenden Parlamentsausschuss, noch im Plenarsaal vorgetragen.
Weshalb ein neues Antikorruptionsgericht dringend benötigt wird
Der kurzfristig auf intransparente Weise eingebrachte Passus bedeutet, dass diese Fälle in den unreformierten Gerichten versanden werden. Der Fall von Roman Nasirow steht symbolisch für das Verschleppen unzähliger Verfahren. Gegen den ehemaligen Vorsitzenden der mächtigen ukrainischen Steuerbehörde läuft seit Dezember 2017 ein Gerichtsprozess, der das große Problem der „alten“ Justiz illustriert. Ihm wird vorgeworfen, zwei Milliarden Hrywnja (75 Millionen USD) veruntreut zu haben. Im März 2017 wurde er festgenommen und kurze Zeit später gegen eine Kaution von 100 Millionen Hrywnja (3,7 Millionen USD) freigelassen. In der ersten Anhörung überzeugten die Strafverteidiger das Gericht, die gesamten 700 Seiten der Anklageschrift vorlesen zu lassen. Da die Anhörungen nur unregelmäßig stattfinden, wird der Prozess sich wohl über mehrere Jahre hinziehen.
Seit November 2016 hat das NABU bis heute 602 Ermittlungen eröffnet, von denen bis heute 135 Fälle vor Gericht gelandet sind. Trotzdem gab es insgesamt nur 19 Schuldsprüche, von denen fast alle milde Strafen sind. Wenn man den Kampf gegen die Korruption an den verurteilten großen Fischen misst, stellt man schnell fest, dass sich bisher wenig getan hat. Auch deswegen ist die Gründung des unabhängigen Korruptionsgerichts von so großer Bedeutung.
Internationale Gemeinschaft muss Druck aufrecht erhalten
Jetzt müssen die internationalen Geldgeber, allen voran der Internationale Währungsfond, die Europäische Union sowie die Weltbank, maximalen Druck auf das Parlament, die Regierung und den Präsidenten ausüben. Das Gesetz muss schnellstmöglich geändert werden, so dass alle Fälle in die Jurisdiktion des neuen Antikorruptionsgerichts übertragen werden. Eine konsequente und geschlossene Haltung der Geldgeber sollte eine Änderung notfalls erzwingen können.
Andernfalls könnten die Prozesse in den bestehenden Gerichten endlos verzögert werden und die Korruptionäre in letzter Konsequenz einem Schuldspruch entkommen. Das würde der Ukraine und dem Kampf gegen die Korruption einen heftigen Dämpfer geben und das ohnehin geringe Vertrauen der Politik substanziell beschädigen.
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