„Wir tun das Rich­tige, und die Engel helfen uns“

@ Odessa Classics

Der viel­fach aus­ge­zeich­nete Odesaer Pianist Alexey Bot­vi­nov spricht im Inter­view mit „Ukraine Ver­ste­hen“ über seinen Schaf­fens­weg, seine Ver­bin­dung zu Deutsch­land, über den Erfolg des „Odessa Clas­sics“ Fes­ti­vals, sowie über seine Gedan­ken zur kul­tu­rel­len Ent­wick­lung der Ukraine.

Bot­vi­novs Ver­bin­dung zum Zentrum Libe­rale Moderne begann 2014. Mit­grün­de­rin Marie­luise Beck erin­nert sich:

Im Mai 2014 besuch­ten wir zum ersten Mal nach dem Maidan Odesa. Die Stadt war schwer erschüt­tert. Etwa 40 Men­schen hatten bei einem Brand im Gewerk­schafts­haus ihr Leben ver­lo­ren. Dem war eine gewalt­tä­tige Aus­ein­an­der­set­zung von Hoo­li­gans vor­aus­ge­gan­gen. Der Vorgang wurde nie wirk­lich aufgeklärt.

Die Stadt war ver­ängs­tigt und gespal­ten. Gespal­ten in eine pro­rus­si­sche und eine pro­west­li­che Bevöl­ke­rung. Ver­ängs­tigt, weil man rus­si­sche Truppen aus Trans­nis­trien und vom Schwar­zen Meer erwar­tete, die einen zweiten Donbas schaf­fen könnten. Die Stadt war zu erschüt­tert, um poli­ti­sche Ver­an­stal­tun­gen durch­zu­füh­ren. Aber sie hat ein gemein­sa­mes Band: Das ist die Musik.

In dieser Situa­tion trafen wir die alte “Intel­li­gen­zija” der Stadt: Pro­fes­so­ren, Muse­ums­lei­ter und den Pia­nis­ten Alexey Botvinov.

Wir ver­ein­bar­ten mit Bot­vi­nov eine “musi­ka­li­sche Brücke zwi­schen Bremen und Odesa” und gaben als musi­ka­li­sches Joint Venture große Kon­zerte sowohl in Bremen als auch in Odesa mit deut­schen und odes­si­ti­schen Musi­kern. Das war in jenen erschüt­tern­den Zeiten das Rich­tige: Die Men­schen ström­ten in die Kon­zerte. Die musi­ka­li­sche Tra­di­tion der Stadt blitzte wieder auf – viele ihrer Söhne und Töchter jüdi­scher Her­kunft. Der berühm­teste: Dawid Oistrach.

Im Rahmen eines dieser Kon­zerte trafen wir auf ein schreck­li­ches Ver­bre­chen aus der Zeit der rumä­nisch – deut­schen Besat­zung im 2. Welt­krieg: das Ode­si­ter Babyn Jar. Bei uns unbe­kannt, in der Stadt eher ver­nach­läs­sigt. Das hat sich geän­dert. Am 22. Oktober werden wir zusam­men mit dem Bun­des­mi­nis­te­rium für wirt­schaft­li­che Zusam­men­ar­beit und Ent­wick­lung, dem Aus­wär­ti­gen Amt und der Stadt Odesa den ersten Spa­ten­stich für einen Gedenk­ort vornehmen.

Alexey Bot­vi­nov und seine Frau Lena waren uns dabei über Jahre hinweg die engsten Beglei­ter und tiefe Freunde.

Ukraine ver­ste­hen: Wenn Sie Ihren Weg von Anfang an reflek­tie­ren: Denken Sie darüber nach, wie Sie ein welt­be­rühm­ter Künst­ler wurden? Was hat Ihren Wer­de­gang abge­se­hen von Talent und harter Arbeit beeinflusst?

Bot­vi­nov: Das ist eine phi­lo­so­phi­sche Frage. Natür­lich war mein Talent von Kind­heit an da. Aber ich hatte das Glück, nicht so viel Zeit am Flügel ver­brin­gen zu müssen, wie die meisten meiner Kol­le­gen, da ich in kurzer Zeit beacht­li­che Ergeb­nisse erzie­len konnte. Und das ist ein großes Geschenk, denn so bleibt mir mehr Zeit zu leben.

Aber ich würde auch Cha­rak­ter­stärke anfüh­ren. Dank Fleiß gelang einiges schnell und leicht, aber es gab auch sub­jek­tive sowie objek­tive Schwie­rig­kei­ten zu über­win­den. Wenn wir von sub­jek­tiv spre­chen, dann wissen Musiker, dass es dort, wo Kon­kur­renz herrscht, oft Unge­rech­tig­keit gibt. Zum Bei­spiel began­nen zu Sowjet­zei­ten alle jungen Musiker ihre Kar­rie­ren durch ein System von Wett­be­wer­ben. Ich war gleich beim ersten Wett­kampf erfolg­reich, bei meh­re­ren fol­gen­den wurde ich gleich in der ersten Runde „raus­ge­wor­fen“, damit ich nicht wei­ter­kam. Solche Vor­fälle mussten durch einen starken Cha­rak­ter auf­ge­fan­gen werden. Ich habe gesehen, wie sich junge Kol­le­gen nach solchen Unge­rech­tig­kei­ten lange nicht erholen konnten.

Ukraine ver­ste­hen: Wann setzten Sie sich zum ersten Mal an den Flügel und wann gewan­nen Sie erst­mals bei einem Wettbewerb?

Bot­vi­nov: Mit sieben Jahren setzte ich mich zum ersten Mal an den Flügel, für heutige Ver­hält­nisse ziem­lich spät. Mein erster Wett­be­werb war der All­uni­ons-Rach­ma­ni­now-Wett­be­werb in Moskau 1983. Sie müssen ver­ste­hen, dass Wett­kämpfe damals und heute – zwei völlig andere Dinge sind. Damals fanden alle zwei Jahre die All­uni­ons-Wett­be­werbe statt. Von 50 Teil­neh­mern war ich mit 19 Jahren der jüngste und habe den dritten Platz belegt. Es war eine groß­ar­tige Ver­an­stal­tung. Es war das erste Mal seit genau 50 Jahren, dass ein Teil­neh­mer aus Odesa den ersten Preis gewann, nor­ma­ler­weise ging der an jeman­den aus Moskau. Daher war mein Sieg eine Sen­sa­tion in der Musik­welt der gesam­ten Sowjet­union, die mir als glän­zen­der Start für meine beruf­li­che Lauf­bahn diente. Als ich berühmt auf­wachte, begann ich, in der ganzen Ukraine und der gesam­ten Sowjet­union auf­zu­tre­ten. Danach diente ich in einem Musik­ensem­ble der Armee, ging in Moskau auf die Gra­du­ier­ten­schule, wurde Preis­trä­ger des Inter­na­tio­na­len Bach-Wett­be­werbs in Leipzig. Und in den 1990er Jahren brach das ganze System zusam­men, in das ich mich gut inte­griert hatte – es gab prak­tisch keine Kon­zerte oder Ein­nah­men, es war ein Schock für die gesamte Branche und es war not­wen­dig, ganz von vorne zu beginnen.

UV: Sie sind fast überall auf der Welt auf­ge­tre­ten. Gibt es Bühnen, auf die Sie mit beson­de­rer Freude zurückkehren?

Bot­vi­nov: Fast alle großen Säle sind wun­der­bar, ich erin­nere mich an sie und liebe sie. Wenn Sie nach einem High­light fragen, nenne ich die Ber­li­ner Phil­har­mo­nie, die Ton­halle Zürichs, das Rudol­finum in Prag, das Teatro alla Scala und natür­lich meine Alma Mater, das Phil­har­mo­ni­sche Theater von Odesa, wo mein erstes Solo­kon­zert statt­fand – diese Bühne ist für mich wie ein Zuhause. In Deutsch­land gibt es übri­gens auch viele schöne Säle: in Leipzig, Köln, Düs­sel­dorf, zwei Phil­har­mo­nien in Hamburg, in Bremen. Mein Kind­heits­traum war es, bei den Ber­li­ner Phil­har­mo­ni­kern zu spielen. Ich war unglaub­lich glück­lich, als dieser Traum wahr wurde.

UV: Haben Sie nicht 2017 in Berlin als ein­zi­ger Pianist der Welt, der 300 mal Bachs kom­ple­xes­tes Meis­ter­werk „Gold­berg-Varia­tio­nen“ gespielt hat, einen Welt­re­kord auf­ge­stellt? Worin liegt die Kom­ple­xi­tät dieses Stücks?

Bot­vi­nov: Ja, das stimmt. Seine Kom­ple­xi­tät liegt vor allem in der Dauer (je nach Zahl der Wie­der­ho­lun­gen 50 bis 90 Minuten). Die kom­ple­xeste Bach-Poly­pho­nie so lange hin­ter­ein­an­der zu spielen, ist unglaub­lich schwie­rig. Die Kom­ple­xi­tät ist sowohl phy­sisch als auch mental von Bedeu­tung, da Poly­pho­nien schwe­rer zu merken sind. Und eine weitere Beson­der­heit ist, dass Bach das Stück auf einem Instru­ment mit zwei Kla­via­tu­ren kom­po­niert hat. Das heißt, es gibt viele Momente, in denen die Arme ver­schränkt sind. Für ein Instru­ment mit zwei Kla­via­tu­ren ist es in Ordnung, aber nor­ma­ler­weise spielen wir ein ganz anderes Instru­ment. Tran­s­cen­dento ist eine Kom­po­si­tion, die hin­sicht­lich ihrer Vir­tuo­si­tät und Begriffs­ver­mö­gen hoch­gra­dig komplex ist. Und all das, was oben als eine Reihe von Auf­ga­ben auf­ge­führt ist, gilt als der Höhe­punkt der Kom­ple­xi­tät für Pianisten.

Dieses Stück ist in jeder Hin­sicht legen­där und als ich mit 32 oder 33 Jahren begann, es zu lernen, konnte ich mir nicht vor­stel­len, dass ich es mehr als 300 Mal spielen würde (derzeit 316). Als ich den Bach-Wett­be­werb gewann, kannte ich seine Haupt­werke und da ich bereits Bach-Experte war, dachte ich, dass ich in diesem Leben nicht dazu komme, dieses Werk zu lernen. Aber mein krea­ti­ver Weg hat sich so ent­wi­ckelt, dass ich es auf der Bühne über 450 Stunden gespielt habe und es noch viel mehr Proben gab. Aber die Par­ti­tur ist absolut genial, es wird niemals lang­wei­lig – jedes Mal finde ich etwas Neues darin und wenn ich bedenke, wieviel Zeit ich damit ver­bracht habe, kann ich davon aus­ge­hen, dass es in meiner DNA fest­ge­schrie­ben ist (lacht).

UV: Was ver­bin­det Sie noch mit Deutschland?

Bot­vi­nov: Anfang der 90er Jahre habe ich mich wie die meisten meiner Kol­le­gen für einen Umzug ent­schie­den. Ich bin nach Düs­sel­dorf gegan­gen, habe dort ein­ein­halb Jahre gelebt, Solo­kon­zerte gegeben und in Zusam­men­ar­beit mit der Bal­lett­kom­pa­nie das Land von innen ken­nen­ge­lernt, mich sehr darin ver­liebt, die Sprache gelernt. Es ist meine zweite Heimat. Und doch gab es eine sehr starke Sehn­sucht nach der Ukraine. Ich merkte, dass ich zurück­keh­ren musste.

UV: Sie leben und arbei­ten seit 1994 über­wie­gend im Ausland. Zugleich haben Sie sich immer noch nicht für einen beque­me­ren Weg ent­schie­den – in einem anderen Land Fuß zu fassen und bis heute sind Sie Ukrai­ner. Warum hat die Ukraine das Glück, mit Ihnen einen solchen Kul­tur­di­plo­ma­ten zu haben?

Bot­vi­nov: Nachdem ich mich zum Bei­spiel ent­schie­den hatte zurück­zu­keh­ren, ver­brachte ich viel Zeit in der Schweiz, wusste aber trotz­dem, dass meine Heimat Odesa ist, und das ist ein ganz anderer psy­chi­scher Zustand und ein anderes Hei­mat­ge­fühl. Es ist mir wichtig, eine direkte Ver­bin­dung zum Vater­land zu spüren.

Ich hoffe, die Ukraine hat Glück mit mir. Mir wurde schon einmal gesagt, dass ich Kul­tur­di­plo­mat bin. Es pas­siert wirk­lich so oft, dass Kultur es schafft, Men­schen und Länder stärker und natür­li­cher zu ver­bin­den als all die Bemü­hun­gen her­aus­ra­gen­der Poli­ti­ker. Und das ist eine der großen Mis­sio­nen der Kultur, daran glaube ich und ich ver­su­che, diese Rich­tung zu fördern.

UV: Sie werden ein tech­ni­scher und gleich­zei­tig sehr emo­tio­na­ler Musiker genannt. Aber Sie sind nicht nur virtuos in Ihren Auf­trit­ten, Sie ent­wi­ckeln auch inter­es­sante Koope­ra­tio­nen und prä­sen­tie­ren klas­si­sche Musik in moder­nen Neu­in­ter­pre­ta­tio­nen: Sie arbei­ten schon lange mit Video­vi­sua­li­sie­rung und haben Musik­thea­ter­stü­cke durch­ge­führt. Was sind die Früchte solcher Experimente?

Bot­vi­nov: Als mein Traum im Alter von 40 Jahren wahr wurde – ein erfolg­rei­ches Solo­kon­zert in der Ber­li­ner Phil­har­mo­nie zu spielen – war in diesem Moment ein innerer Höhe­punkt erreicht und ich über­legte, was ich in der zweiten Hälfte meines Lebens grund­le­gend Neues machen könnte. Ich suchte nach ver­schie­de­nen Koope­ra­tio­nen: Mit Bal­lett­stu­dios auf der ganzen Welt; Insze­nie­rung einer Thea­ter­auf­füh­rung nach dem Roman von Michail Schisch­kin, bei der ich als Thea­ter­re­gis­seur, Büh­nen­re­gis­seur und Licht­de­si­gner tätig war; mit dem tür­ki­schen Per­kus­sio­nis­ten Burhan Öcal – das Expe­ri­ment war erfolg­reich, wir haben mehr als 30 Kon­zerte auf der ganzen Welt gespielt. Einen großen Anteil meiner krea­ti­ven Expe­ri­mente nimmt auch die Kom­bi­na­tion von Musik mit Video­bil­dern ein: Wir began­nen mit Video­clips, wech­sel­ten zu kom­ple­xe­ren Räumen und Ober­flä­chen, auf die wir während der Auf­füh­rung von Arbei­ten Mapping pro­ji­zie­ren. Am 29. August fand ein Konzert mit einem Sin­fo­nie­or­ches­ter statt, bei dem das Mapping auf die Kolon­nade des Woron­zow-Palas­tes in Odesa pro­ji­ziert wurde. Ich bin sehr daran inter­es­siert, nach neuen Prä­sen­ta­ti­ons­for­men zu suchen. Und es gibt viele Ideen, die noch umge­setzt werden. Ich weiß, dass das für die jüngere Gene­ra­tion sehr inter­es­sant ist.

Womög­lich begeis­tert mich meine visu­elle Liebe zum Kino und zur Malerei beson­ders für solche Expe­ri­mente. Mit Hilfe solcher Pro­jekte finde ich gerne die neu­es­ten Aus­drucks­mit­tel, um die Klas­si­ker in einer inno­va­ti­ven, uner­war­te­ten Form zu präsentieren.

UV: Sie sind künst­le­ri­scher Leiter und Prä­si­dent des Fes­ti­vals „Odessa Сlas­sics“. Wie sind Sie auf die Idee gekom­men, es zu ver­an­stal­ten? Wie haben Sie es geschafft, das Kam­mer­fes­ti­val so schnell zu einem inter­na­tio­na­len Kul­tur­er­eig­nis zu machen?

Bot­vi­nov: Ich wollte künst­le­ri­scher Leiter eines Fes­ti­vals in Odessa werden, ich ging mit dieser Idee sieben bis acht Jahre lang zu ver­schie­de­nen Stadt- und Regio­nal­chefs, die ganze Zeit wurde etwas ver­scho­ben, es gab nicht genug Geld. Und als die Maidan-Revo­lu­tion pas­sierte und dar­auf­hin die rus­si­sche Aggres­sion gegen die Ukraine, habe ich ernst­haft darüber nach­ge­dacht, was ich als Mensch und Bürger für meine Hei­mat­stadt und mein Land tun kann. Ich beschloss, dass das stärkste, was in meiner Macht liegt, ein großes Fes­ti­val ist, das die Ukraine und ins­be­son­dere Odessa mit der Musik­welt Europas ver­bin­det. Diesmal wandte ich mich nicht an die Stadt­ver­wal­tung, da das Land in einer kri­ti­schen Lage war. Alle meine Bekann­ten hielten mich für ver­rückt, aber drei Geschäfts­leute unter­stütz­ten mich (vielen Dank dafür). Während des Fes­ti­vals wurde mir klar, dass solche Musik­ver­an­stal­tun­gen wichtig sind sowohl im Kontext der Selbst­iden­ti­fi­ka­tion Odesas als eine Stadt mit euro­päi­schen Werten als auch zum Schutz von Odesa vor rus­si­scher Propaganda.

Viel­leicht weil es eine Kri­sen­zeit war und der Wunsch auf­rich­ti­ger und reiner Natur war, viel­leicht ist dieses Projekt deshalb so schnell gewach­sen und hat gezeigt, dass wir unseren eigenen Weg gehen können. Ich hätte mir vorher nicht vor­stel­len können, dass wir in fünf Jahren auf so hohem Niveau sein werden, dass gleich­be­rech­tigt in der Fes­ti­val-Ober­liga mit­spie­len, dass wir Welt­klasse-Stars ein­la­den werden – das ist fan­tas­tisch, die Ent­wick­lung war rasant. Dafür finde ich wenige ratio­nale Erklä­run­gen, sondern eher spi­ri­tu­elle: Wir tun das Rich­tige, und die Engel helfen uns.

UV: Wie wollen Sie das Fes­ti­val in Zukunft weiterentwickeln?

Bot­vi­nov: Das Pro­gramm für das nächste Jahr ist bereits zu 90 Prozent fertig und teil­weise für mehrere Jahre im Voraus, da wir dieses Projekt lang­fris­tig planen. Odesa ist nach Ein­schät­zung meiner Kol­le­gen aus der ganzen Welt, die her­kom­men und ein großes Poten­zial hier erken­nen, ein idealer Ort dafür: die Geschichte, die schöne Stadt, die her­vor­ra­gen­den Kon­zert­hal­len. Als Bezugs­punkt dienen uns die Salz­bur­ger Fest­spiele. Das Haupt­merk­mal von „Odessa Clas­sics“ ist, dass wir jeden Tag eine her­aus­ra­gende Beset­zung und volle Hallen haben.

UV: Also können wir uns kom­men­des Jahr über freu­dige Über­ra­schun­gen freuen?

Bot­vi­nov: Ja, ja! Und das tra­di­tio­nell unter Betei­li­gung deut­scher Künstler.

UV: Planen Sie in naher Zukunft Auf­tritte in Deutschland?

Ja, in den nächs­ten Wochen besuche ich Mainz und das Schloss Elmau sowie gebe Kon­zerte in Zürich. Auf meiner Web­seite finden Sie dazu mehr Informationen.

UV: Ihre Kar­riere begann schon vor der Unab­hän­gig­keit der Ukraine. Welche Ver­än­de­run­gen in der Kul­tur­ent­wick­lung in den 30 Jahren Unab­hän­gig­keit haben Sie beobachtet?

Bot­vi­nov: Natür­lich gibt es in der Kultur durch­aus posi­tive Ver­än­de­run­gen und Ent­wick­lun­gen. Wir haben heute eine Selbst­iden­ti­fi­ka­tion, die in den ersten Jahr­zehn­ten ein wenig amorph war. Nach der Revo­lu­tion der Würde im Jahr 2014 wurde der Ent­wick­lungs­vek­tor klar: Wir gehen Rich­tung Europa. Es ist gar nicht so wichtig, ob die Euro­päi­sche Union uns auf­neh­men will. Haupt­sa­che, der Kurs ist gewählt, defi­niert und kann nicht mehr rück­gän­gig gemacht werden. Es ist klar, dass in vielen Berei­chen, ein­schließ­lich der Kultur, wei­ter­hin Pro­bleme bestehen, aber der Über­gang vom post­so­wje­ti­schen System ist sehr schwie­rig und kann nicht über Nacht erfol­gen. Ins­ge­samt scheint es mir, dass wir uns gut entwickeln.

Es gibt übri­gens Momente, in denen wir die euro­päi­schen Länder bereits über­tref­fen: zum Bei­spiel die Zahl junger Men­schen bei klas­si­schen Kon­zer­ten. Ich weiß und höre von Künst­lern, dass das Publi­kum in den meisten Ländern bei ihren Kon­zer­ten die Gene­ra­tion 60+ ist. Unser Anteil an jungen Men­schen ist höher und das merken alle Gast­künst­ler. Ich glaube, dass dies ein Indi­ka­tor für die geis­tige Gesund­heit in der Gesell­schaft ist.

UV: Und werden dabei neue Talente bekannt?

AB: Natür­lich! Und wir ver­su­chen, sie auch auf Fes­ti­vals zu unter­stüt­zen. Wir ver­an­stal­ten einen Pia­nis­ten-Wett­be­werb, benannt nach Ser­a­fima Mogi­lews­kaja (meiner ersten Leh­re­rin, deren Andenken ich ehren wollte) für Inter­pre­ten unter 15 Jahren. Wir geben jungen Men­schen die Mög­lich­keit, sich zu zeigen. In der Jury gibt es keine Lehrer der Teil­neh­men­den, wir achten auf Ehr­lich­keit und Objek­ti­vi­tät. Die­je­ni­gen, die den Grand Prix erhal­ten, haben die Mög­lich­keit, bei einem Konzert auf der Potem­kin­schen Treppe in Odesa mit 10–12.000 Men­schen auf­zu­tre­ten. Es ist ein großes Glück für einen jungen Musiker, eine so große Bühne zu betre­ten. Diese Mög­lich­keit geben wir denen, die den Wett­be­werb auf ehr­li­che Weise gewinnen.

Wir haben eine her­vor­ra­gende musi­ka­li­sche Aus­bil­dung. Junge Men­schen, die gut lernen, sind in der Welt wett­be­werbs­fä­hig. Und natür­lich machen viele inter­es­sante, intel­li­gente, talen­tierte Men­schen bei solch einem Bil­dungs­ni­veau eine fan­tas­ti­sche Entwicklung.

UV: Was möchten Sie der Ukraine im Jubi­lä­ums­jahr wünschen?

Bot­vi­nov: Ich möchte den Men­schen wün­schen, dass sie an sich glauben, das Land lieben wie ihr eigenes Zuhause und ihre eigene Familie und dass sie alles dafür tun, dass unsere Kinder gerne in der Ukraine leben.

Die Fragen stell­ten Vale­riya Golo­vina und Daria Nachovna.

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