Filmkritik: Der Film DONBASS ist ein Separatist
Der schweizerisch-britische Filmemacher Marc Wilkins kommentiert den am 30.08.2018 in deutschen Kinos anlaufenden Kinofilm „Donbas“ von Sergey Losnitsa.
Auf dem Odessa Filmfestival hatte ich die Gelegenheit Sergey Losnitsa’s neuen Film, DONBASS, während der ukrainischen Uraufführung zu erleben. Der episodische Film, basierend auf Amateuraufnahmen und Videoreportagen aus dem Socialmedia-Sumpf, aber hochwertig, mit beeindruckender Besetzung verfilmt, handelt von der brutalen Tragödie im Osten der Ukraine.
In 13 narrativ voneinander unabhängigen Szenen, erleben wir unterschiedlichste Figuren und Situationen in mitten des Krieges in der Ost-Ukraine. Es geht um Hass, Propaganda, Gewalt und Korruption. Vor allem aber immer wieder um Manipulation. Im großen Stil, wenn ein vermeintlicher Raketenangriff der ukrainischen Armee mit Hilfe verängstigter Statisten inszeniert wird, oder im Alltäglichen, wenn der unterbezahlten Belegschaft eines Krankenhauses mit Würsten und Steaks gefüllte Kühlschränke des Chefarztes vorgeführt werden. Diese „Episoden des Hasses, Manipulation und Propaganda“ wirken grotesk und zum Teil schmerzhaft übertrieben, doch der Regisseur versichert uns dass alle Geschichten auf wahren Begebenheiten beruhen.
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Loznitsa wurde mit DONBASS in Cannes für Beste Regie in der Sektion Un Certain Regard ausgezeichnet. Zurecht: aus künstlerischer und kino-handwerklicher Sicht, ist DONBASS ein atemberaubendes, fast schon perfektes Meisterwerk.
Es ist zu verstehen das Sergey Loznitsa, selbst Ukrainer, seine Empörung, seine Wut und seinen Ekel über den Konflikt auf der Leinwand dem Publikum mitteilen will.
Doch ist die Haltung, das Sentiment, aus der heraus dieser Film erschaffen wurde, nicht genau der Grund warum dieser schreckliche Konflikt erst explodieren konnte?
Der Film verschärft die Wut und die Missverständnisse, denn der Regisseur blickt auf die Menschen der Ost-Ukraine mit offensichtlicher Verachtung herab. Mit rücksichtsloser, geradezu arroganter Brutalität macht sich Loznitsa über die “dummen Kalaschnikow schwingenden Affen aus Donezk und Lugansk“ lustig. Er versucht nicht die Gründe zu verstehen, die Gefühle zu reflektieren oder den Konflikt zu hinterfragen, sondern schüttet fleißig Öl ins Feuer. Jede einzelne Sekunde von DONBASS schreit in den Kinosaal “Schaut Euch nur diese kranken Idioten an!” DONBASS verspottet seine Protagonisten, zieht sie ins Lächerliche, und schafft damit genau, dass was die Putin‘sche Propaganda-Maschinerie seit Jahren macht: Er gräbt am Graben zwischen dem Osten und dem Westen der Ukraine.
Hat aber ein künstlerisches Werk nicht aber auch eine politische Verantwortung? Vor allem wenn es sich mit einem aktuellen Konflikt beschäftigt, in dem noch heute fast täglicher Menschen erschossen werden?
Ich befürchte, dass wir Kulturschaffenden weltweit den Kontakt mit den Menschen verloren haben, die unsere Aufmerksamkeit und den Dialog am aller meisten bräuchten: Die Verlorenen, Desorientierten, die Ausgenutzten, die Schwachen. Mit unserer Arroganz treiben wir sie in die Arme der Populisten, überlassen sie den Rattenfängern wie Trump, Erdogan oder Putin.
DONBASS ist hochwertiges Kino, doch es verachtet die Menschen und spaltet die Ukraine.
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