Ukrainische Wahlbeeinflussung der 2016 U.S.-Präsidentschaftswahlen?
In den USA gab der ukrainische Generalstaatsanwalt letzte Woche in einem Interview bekannt, dass seine Behörde ukrainische Einmischung zu Gunsten von Hillary Clinton im Wahlkampf 2016 untersuche. Die Vorwürfe wurden sofort vom Präsident Trump aufgegriffen. Ian Bateson kommentiert die Causa der angeblichen Ukrainian-Collusion
Letzte Woche hat der ukrainische Generalstaatsanwalt Jurij Luzenko in einem Interview in Washington D.C. eine Bombe platzen lassen. Der in der Ukraine umstrittene Luzenko sagte, er habe ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wegen eines angeblichen ukrainischen Planes, Hillary Clinton während der US-Präsidentschaftswahl 2016 zu helfen. Ukrainische Behörden – insbesondere das Nationale Antikorruptionsbüro der Ukraine (NABU) – sollen das so genannte “schwarze Kassenbuch” bewusst während des amerikanischen Wahlkampfes veröffentlicht haben, um Trump zu schaden. Das NABU streitet diese Anschuldigungen kategorisch ab und bezeichnet diese als „Diskreditierungsversuch“ Luzenkos. Das Kassenbuch zeigte Zahlungen vom ehemaligen ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowytsch an Paul Manafort, den damaligen Wahlkampfmanager von Donald Trump. Manafort musste wegen Informationen, die in dem Kassenbuch enthalten waren, zurückgetreten und wurde später wegen Steuerhinterziehung, Bankbetrug und illegalem Lobbyismus zu siebeinhalb Jahren Haft verurteilt.
Die Geschichte wurde vom pro-Trump Nachrichtenkanal Fox Newsausgestrahlt und Trump selbst twitterte kurzerhand über den ukrainischen Eingriff in den Wahlkampf. Luzenkos Aussagen als ukrainischer Generalstaatsanwalt geben Trumps Anschuldigungen einer Clinton-Collusion gewisses Gewicht. Das alles passierte kurz bevor der Abschlussbericht von Robert Mueller über die möglichen Verbindungen zwischen Donald Trumps Wahlkampfteam und Russland eingereicht wurde. Das Timing für Trump war perfekt. Der bisher unveröffentlichte Bericht des Sonderermittlers Mueller scheint keine Beweise für geheime Absprachen mit Russland (Collusion) zu enthalten.
Die Aufregung über die ernsthafte Anschuldigung des ukrainischen Staatsanwaltes ignoriert jedoch, um welche hoch umstrittene Figur es sich bei Luzenko handelt. Er ist ein Generalstaatsanwalt ohne rechtswissenschaftliche Ausbildung, der selbst gern in den ukrainischen Wahlkampf eingreift und häufig sein Amt verwendet, um Falschaussagen oder Halbwahrheiten zu verbreiten. Zudem gehört er dem Poroschenko-Lager an und nahm zuletzt an dessen Nominierungsparteitag teil. Ihm wird von verschiedenen Seiten vorgeworfen, während des andauernden Wahlkampfes politisch motivierte Verfahren gegen Hryzenko und Tymoschenko, Gegner Poroschenkos, eingeleitet zu haben. Kurz gesagt, er ist alles andere als eine neutrale Person und nutzt seine Befugnisse aus, um seinen Präsidenten zu unterstützen. Ein Staatsanwalt, wie ihn Donald Trump wohl gerne hätte.
Ironischerweise sind es Politiker wie Luzenko, die die Unterstützung für Poroschenko in der Ukraine untergraben und ihr Verhalten ist einer der Gründe, warum nur 9 Prozent der Ukrainer ihrer Regierung vertrauen – ein absoluter Rekordwert auch im Vergleich zu den postsowjetischen Nachbarn. Weil die Personen, mit denen sich Poroschenko umgibt, oft polarisierend wirken, ist sein Anti-Rating mit knapp 50 Prozent so erschreckend hoch. Dies wurde im Falle Oleh Hladkovskyy deutlich, dem mittlerweile ehemaligen stellvertretenden Sekretär des Nationalen Sicherheitsrates der Ukraine. Laut einer investigativen Recherche hat Hladkovskyys Sohn ein Betrugsschema organisiert und Militärgerät aus Russland in die Ukraine geschmuggelt, wo es über fiktive Firmen zu einem zwei- bis dreifachen Preis an die ukrainische Rüstungsindustrie verkauft wurde. Wenn das stimmen sollte, so kann dies kaum ohne die Unterstützung von Oleh Hladkovskyj geschehen sein.
Was Luzenko angeht, so fragen sich jetzt viele, warum er zum jetzigen Zeitpunkt über dieses neue Ermittlungsverfahren wegen angeblicher Einmischung in den U.S.-Wahlkampf redet. Einen Hinweis bietet eine andere Enthüllung im gleichen Interview. So behauptet Luzenko, dass die amerikanische Botschafterin in Kyjiw, Maria Jowanowitsch, ihm eine Liste mit den Namen von Menschen gegeben habe, die er strafrechtlich nicht verfolgen dürfe. Das amerikanischen State Department wies diese Vorwürfe scharf zurück und bezeichnete sie als “realitätsfremd”. Die U.S.-Botschafterin hatte zuvor in einer Rede Rückschritte im Antikorruptionskampf angesprochen und die ukrainischen Behörden kritisiert. Laut dem State Department hat das Ausbleiben von Reformen auch dazu geführt, dass es seine finanzielle und technische Unterstützung für die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft eingestellt habe. Es scheint also, als ob Luzenko der amerikanischen Botschaft Vorwürfe macht, um Donald Trump zu gefallen. Donald Trump Junior, Trumps Sohn, griff die Berufsdiplomatin auf Twitter sogar direkt an. Donald Trumps Verachtung für das State Department ist bekannt.
Später versuchte Petro Poroschenko den Schaden zu minimieren. Er sagte, er habe „volles Vertrauen“ in Jowanowitsch. Er verzichtete aber darauf, Luzenko direkt zu kritisieren, überhaupt zu erwähnen. Poroschenko möchte vor der Wahl wohl zeigen, dass er immer noch gute Beziehungen zu den westlichen Verbündeten der Ukraine hat. Dieses Lavieren und nur halbe Zurückrudern deutet daraufhin, dass Luzenko innenpolitische Ressentiments gegen westliche Einmischung bedient und Poroschenko das in gewissem Maße zulässt.
Wer auch immer am kommenden Sonntag zum Präsidenten oder zur Präsidentin gewählt wird, eines wird deutlich: Der Einfluss westlicher Botschaften auf den ukrainischen Reformprozess nimmt ab. Die großen westlichen Länder sind vor allem mit ihrer Innenpolitik beschäftigt, und die ukrainischen Regierungsvertreter werden immer gewiefter, das auszunutzen.
Verwandte Themen
Newsletter bestellen
Tragen Sie sich in unseren Newsletter ein und bleiben Sie auf dem Laufenden.