Erfolgs­jahr 2018: Die ukrai­ni­sche Musik­szene blüht

© Osad­chyi

Mit einigen glo­ba­len Hits wie Plakala von KAZKA und vielen bemer­kens­wer­ten lokalen Akts ist die ukrai­ni­sche Musik derzeit erfolg­rei­cher denn je. Und die Zukunfts­aus­sich­ten könnten trotz des zum Teil weg­ge­fal­le­nen rus­si­schen Marktes kaum besser aussehen.

2018 war ein großes Jahr für die ukrai­ni­sche Musik­in­dus­trie – nicht nur, aber auch wegen des Megaer­folgs des Indie-Pop-Trios KAZKA („Märchen“). 175 Mil­lio­nen Mal wurden das Musik­vi­deo und die Audio­ver­sion des Super­hits Plakala („Sie hat geweint“) auf YouTube geklickt. Damit ist das eth­nisch geprägte Lied, das sich mit dem his­to­risch schwie­ri­gen Stand der Frauen in ukrai­ni­schen Fami­lien beschäf­tigt, längst der erfolg­reichste ukrai­nisch­spra­chige Song aller Zeiten. Und der Erfolg war grenz­über­grei­fend: Das Lied schaffte es als erstes ukrai­ni­sches Lied in die Top 10 der welt­wei­ten Shazam-Charts (Shazam ist eine bekannte Musik­erken­nungs­app – Anmer­kung) sowie in die Hotlist des Musik­sen­ders MTV Inter­na­tio­nal. Im Nach­bar­land Russ­land war Plakala lange der Hit der Stunde, auch in Aser­bai­dschan, Belarus, Kasach­stan, Lett­land, Moldau führte das Lied die iTunes- und YouTube-Charts an.

Die ukrai­ni­sche Erfolgs­band Kazka

Aber KAZKA war nicht der einzige frische Act aus der Ukraine, der in diesem Jahr außer­halb des Landes auf großes Inter­esse stieß. So hat die Sän­ge­rin MARUV (Anna Korsun) zusam­men mit dem Pro­du­zen­ten Michail Bussin (tritt unter dem Namen BOOSIN auf) Ende 2017 den Hit Drunk Groove auf­ge­nom­men, der mitt­ler­weile 72 Mil­lio­nen Views auf YouTube vor­wei­sen kann. Wenn man sich zum ersten Mal Drunk Groove anhört, ohne etwas über MARUV und BOOSIN zu wissen, würde man wohl nicht auf die Idee kommen, dieses Stück EDM (Elec­tro­nic Dance Music – Anmer­kung) würde aus der Ukraine stammen. Denn das Lied klingt modern, ist sehr gut pro­du­ziert und könnte leicht einem Dj aus den Top 100 des berühm­ten Ran­kings von Dj Mag zuge­ord­net werden. Des­we­gen ist es kaum über­ra­schend, dass MARUV nicht nur mit Drunk Groove, sondern auch mit Focus On Me in der EDM-Szene euro­pa­weit beliebte Tracks schafft.

Boom der Musik-Szene

In der Tat befin­det sich die Ukraine seit Jahren im musi­ka­li­schen Auf­schwung. In der Ver­gan­gen­heit bil­de­ten Russ­land und die Ukraine quasi einen gemein­sa­men Markt, auf dem vor allem Moskau mit seinen Fernseh- und Radio­sen­dern und deren klaren Vor­stel­lun­gen vom kom­mer­zi­el­len Erfolg das Sagen hatte. Aber auch damals konnte nicht nur eine Reihe der Pop-Sän­ge­rin­nen wie Tina Karol oder Ani Lorak, sondern auch die ukrai­nisch­spra­chige Rock­band Okean Elsy, ange­führt vom poten­zi­el­len Prä­si­dent­schafts­kan­di­da­ten Swja­to­s­law Wakart­schuk, in Russ­land große Erfolge feiern, obwohl Wakart­schuk stets auf Ukrai­nisch sang. Die Anne­xion der Krim im März 2014 und der dar­auf­fol­gende Krieg im Donbas hat aber in vielen Lebens­be­rei­chen, dar­un­ter auch in der Musik­szene, vieles ver­än­dert: Die Ukraine hat nun nämlich ihren eigen­stän­di­gen Markt, der sich nicht mehr ganz und voll Rich­tung Moskau ori­en­tiert, sondern eben eigene Trends setzt.

Rus­si­scher Kon­zert­markt nach wie vor wichtig

Es bleibt zwar nach wie vor unver­än­dert, dass der rus­si­sche Markt kon­zert­ge­mäß deut­lich mehr Geld anbie­tet, während in der Ukraine mit Donezk, Luhansk und einer Reihe von Krim-Städten wich­tige Konzert-Loca­ti­ons weg­ge­fal­len sind. Des­we­gen ent­schei­den sich beliebte Pop-Künst­ler wie zum Bei­spiel LOBODA (Swit­lana Loboda) für Russ­land oder ziehen zum Teil kom­plett nach Moskau. Dass sie dort gefragt werden, zeigt der schnelle Blick auf die Liste der meist­ge­se­he­nen rus­sisch­spra­chi­gen Musik­vi­deos auf YouTube: Das Duo Wremja i Steklo („Zeit und Glass“), die Sän­ge­rin LOBODA, die Rap-Band Griby („Pilze“) und die Kin­der­band Open Kids stellen gleich sieben Songs in den Top 20 – ein Wahnsinnserfolg.

Darüber hinaus würde kaum einer bestrei­ten, dass die beiden Sänger MONATIK (Dmytro Monatik)  und Maks Bars­kych  zurzeit die qua­li­ta­tiv beste Pop­mu­sik im gesam­ten post­so­wje­ti­schen Raum pro­du­zie­ren – vor allem MONATIK ist kaum von den inter­na­tio­na­len Top-Acts zu unter­schei­den, obwohl er auf Rus­sisch singt. Doch der Erfolg der beiden im Nach­bar­land hat eben viel­mehr mit der Qua­li­tät des Pro­dukts zu tun – und nicht mit dem geziel­ten Versuch, die Charts in Russ­land zu toppen. MONATIK selbst sagt: „In Russ­land bist du als Pro­du­zent in der Pflicht, gleich den kom­mer­zi­el­len Erfolg zu haben. Des­we­gen sind den Musi­kern und Pro­du­zen­ten die Hände gebun­den, etwas Zeit­lo­ses zu schaf­fen. Natür­lich muss man auch in der Ukraine den Erfolg vor­wei­sen, wir sind aber viel, viel freier und dürfen nicht nur an die Charts denken.“

Ukraine und Europa als neuer Markt?

Doch derzeit gibt es auch einen großen Teil der Acts, die gar nicht auf Russ­land schauen, sondern die gezielt die Ukraine und mög­lichst andere euro­päi­sche Länder in Angriff nehmen. Dazu gehören sowohl ukrai­nisch- oder rus­sisch- als auch eng­lisch­spra­chige Künst­ler, zu denen unter anderem KAZKA, aber auch die von der Krim stam­mende Gewin­ne­rin des Euro­vi­sion Song Contest 2016 Jamala, die durch­aus bemer­kens­werte Elektro-Folk-Band ONUKA, die seit Jahren in der Szene gelobt wird, oder die sehr inter­es­san­ten Pop-Rock-Bands wie THE HARDKISS und O. TORVALD. Bezeich­nend ist, dass es hier in der Tat nicht nur um die reinen Pop-Acts geht, sondern vor allem um die etwa anspruchs­vol­lere Musik.

Die auf­stre­bende und in der Ukraine außer­or­dent­lich beliebte ONUKA

Ein wich­ti­ger, aber umstrit­te­ner Faktor für den Erfolg einiger dieser Musiker ist die Quote für ukrai­nisch­spra­chige Musik im Radio, die 2016 ein­ge­führt wurde und mitt­ler­weile bis auf 35 Prozent der Lieder erhöht wurde. Diese gibt den jungen ukrai­ni­schen Künst­lern in der Tat die Chance, dass ihre Songs öfter bezie­hungs­weise erst über­haupt im Radio gespielt werden. Kri­ti­ker monie­ren hin­ge­gen, dass Eng­lisch derzeit die Musik­welt­spra­che sei. Um welt­weit erfolg­reich zu werden, müssen auch ukrai­ni­sche Bands bis auf die wenigen Aus­nah­men auf Eng­lisch singen. Das zeigt auch das Bei­spiel der im Ausland erfolg­reichs­ten ukrai­ni­schen Bands: Die Metal­core-Band Jinjer und der Stoner Rock-Act Stoned Jesus  – ent­spre­chen zwar nicht dem Radio-Format –  singen aber auf Eng­lisch und sind abso­lute Top-Bands in ihren eigenen Segmenten.

Posi­ti­ver Aus­blick auf 2019

Was die ukrai­ni­sche Musik­szene aber sonst aus­macht und erfolg­rei­cher denn je macht, ist eben die Viel­falt. So gehört Oleh Wynnyk, der früher als großer Musical-Star in Deutsch­land galt, eine männ­li­che Version von Helene Fischer, die sich auf das weib­li­che, mit­tel­alte Publi­kum kon­zen­triert, eben­falls zu den erfolg­reichs­ten ukrai­ni­schen Musi­kern über­haupt. Der einzige Bereich, wo Auf­hol­be­darf besteht, ist der in Russ­land so erfolg­rei­che Rap, aber auch hier gibt es Hoff­nung: Die ehe­ma­lige Kin­der­gar­ten-Erzie­he­rin alyona alyona (Aljona Sawra­nenko) aus einem Dorf in der Zen­tralukraine ist gerade voll im Trend und knackte zuletzt mit ihren zu Recht gelob­ten Texten ihre erste Million auf YouTube. Eben­falls ist die extra­va­gante Band Posch­laja Molly („Dirty Molly“)  aus Charkiw stam­mend, die derzeit belieb­teste junge Rock­band im gesam­ten post­so­wje­ti­schen Raum. Die Zukunfts­aus­sich­ten für die ukrai­ni­sche Musik könnten also kaum besser aussehen.

Die Wrap­pe­rin Alyona Alyona

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