Über 50 Prozent der ukrai­ni­schen Ener­gie­ka­pa­zi­tä­ten sind durch die mas­si­ven Angriffe Russ­lands zer­stört – wie kann die EU helfen?

Energieinfrastruktur Ukraine

State­ment im Unter­aus­schuss Inter­na­tio­nale Klima- und Ener­gie­po­li­tik des Deut­schen Bun­des­tags zum Thema „Ener­gie­si­cher­heit der Ukraine“ von Ralf Fücks.

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Aktu­elle Lage: Die rus­si­schen Angriffe auf die Ener­gie­infra­struk­tur haben seit März eine neue Qua­li­tät erreicht. Inzwi­schen sind rund 50 Prozent der Ener­gie­ka­pa­zi­tä­ten zer­stört oder massiv beschä­digt: Kraft­werke, Trans­for­ma­to­ren, Strom­netze. Nach Angaben des Ener­gie­mi­nis­te­ri­ums hat die Ukraine über 8 GW Strom­ge­ne­ra­tion ver­lo­ren. Bei Heiz­kraft­wer­ken errei­chen die Aus­fälle laut Angaben des Pre­mier­mi­nis­ters rund 80 Prozent, die ukrai­ni­schen Raf­fi­ne­rien wurden bereits in den ersten beiden Jahren des Krieges weit­ge­hend zerstört.

Erst letzte Woche griff die rus­si­sche Luft­waffe wieder Kraft­werke in der gesam­ten Ukraine an, wodurch min­des­tens zwei Was­ser­kraft­werke außer Betrieb genom­men werden mussten und mehrere Kraft­werke, dar­un­ter das 850-MW-Wär­me­kraft­werk bei Slo­v­jansk, schwer beschä­digt wurden.  Als Folge der Angriffe kommt es immer wieder zu Not­ab­schal­tun­gen der Strom­ver­sor­gung, seit dem 14. Mai nicht nur in ein­zel­nen Regio­nen, sondern lan­des­weit. Auch Indus­trie­be­triebe werden nur zeit­weise mit Strom versorgt.

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Der wich­tigste Beitrag zur Siche­rung der Ener­gie­ver­sor­gung der Ukraine ist der Ausbau der Luft­ab­wehr. Die rasche Bereit­stel­lung neuer Luft­ab­wehr­sys­teme und die kon­ti­nu­ier­li­che Lie­fe­rung von Muni­tion hat erste Prio­ri­tät. Aller­dings sollte es nicht bei defen­si­ven Sys­te­men bleiben. Die Ukraine muss in die Lage ver­setzt werden, die Rake­ten­ba­sen und Flug­plätze lahm­zu­le­gen, von denen aus sie per­ma­nent ange­grif­fen wird.

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Der größte ener­gie­wirt­schaft­li­che Engpass sind gegen­wär­tig die Strom­ver­brauchs­spit­zen. Ange­sichts dessen sind die drei wich­tigs­ten Unterstützungsmaßnahmen:

A) Die Lie­fe­rung von Gas­tur­bi­nen, Kraft-Wärme-Kopp­lungs­an­la­gen und Generatoren

B) Die Instal­la­tion von Speichern

C) Die Erhö­hung von Strom­lie­fe­run­gen aus Europa an die Ukraine.

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Der Ausbau der dezen­tra­len Ener­gie­er­zeu­gung, ein­schließ­lich Solar- und Wind­ener­gie, ist wichtig für eine höhere Resi­li­enz des ukrai­ni­schen Ener­gie­sys­tems. Aber ohne ent­spre­chende Spei­cher­ka­pa­zi­tä­ten ist auch sie keine Lösung für die Deckung von Stromspitzen.

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Die hei­mi­sche Gas­pro­duk­tion der Ukraine deckt die Nach­frage. Wegen der zer­stör­ten Wär­me­er­zeu­gungs­a­nal­gen sind die Per­spek­ti­ven für den nächs­ten Winter aller­dings düster. Beson­ders schwie­rig wird der kom­mende Winter für Charkiw, da in der Region alle Heiz­kraft­werke zer­stört wurden. Umso wich­ti­ger ist die rasche Lie­fe­rung von gas­be­feu­er­ten KWK-Anlagen sowie Wärmepumpen.

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Mittel- und lang­fris­tige Per­spek­tive: Ukraine hat enormes Poten­tial für den Export erneu­er­ba­rer Ener­gie­trä­ger in die EU: Strom, Bio­me­than, Was­ser­stoff, Ammo­nium. Der Export von Bio­me­than könnte im Ein­klang mit den Nach­hal­tig­keits­stan­dards der EU schon kurz­fris­tig (auch während des Krieges) hoch­ge­fah­ren werden. Das Erzeu­gungs­po­ten­tial und die Trans­port­in­fra­struk­tur sind vor­han­den. Woran es fehlt, sind die recht­li­chen Rah­men­be­din­gun­gen auf unserer Seite. Wir sollten das nicht auf die lange Bank schieben.

Portrait Fücks

Ralf Fücks ist geschäfts­füh­ren­der Gesell­schaf­ter des Zen­trums Libe­rale Moderne und wirkte zuvor 21 Jahre als Vor­stand der Hein­rich Böll Stiftung.

 

 

 

 

 

 

 

 

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