Annektierte Krim: Moskau scheitert in der Wasserkrise
Auf der von Russland annektierten südukrainischen Halbinsel Krim verschärft sich die Wasserkrise. Lokale Verantwortliche kritisieren Kyjiw wegen der Ausschaltung des Nord-Krim-Kanals. Eigene Lösungen haben sie jedoch auch fast sieben Jahre nach der Annexion nicht anzubieten. Von Denis Trubetskoy
In Jalta im Süden der Krim werden die Haushalte ab dem 14. Dezember lediglich drei Stunden morgens und drei Stunden abends mit Leitungswasser versorgt. Jewpatorija, ein weiteres touristisches Zentrum im Westen der von Russland annektierten Halbinsel, muss bis Jahresende auf Warmwasser verzichten. In Simferopol wird die Wasserversorgung bereits seit August eingeschränkt. Zuletzt klagte man zudem in der Krim-Hauptstadt offen darüber, dass das Wasser nur für weniger als zehn Tage reicht. Ebenfalls kritisch ist die Lage in weiteren südlichen Städten wie Aluschta sowie vor allem in den landwirtschaftlichen Dörfern im Nordosten der Krim, die am meisten unter der Notlage leiden.
Solche Meldungen dominieren in den letzten Monaten den Alltag der südukrainischen Halbinsel. An sich ist die Dürre auf der Krim keine Neuigkeit. Bis Anfang der 1980er Jahre waren die Einschränkungen der Wasserlieferungen dort eher die Regel als die Ausnahme. In den 60ern und 70ern wurde das Problem durch den Bau und die Ausweitung des Nord-Krim-Kanals grundsätzlich gelöst; die Krim sollte mit Wasser aus dem südukrainischen Bezirk Cherson versorgt werden. Dies hat jedoch beispielsweise die bis jetzt letzte große Wasserkrise von 1994 nicht verhindern können. Doch nun steht die Region noch deutlich schlechter als damals da.
Tatsächlich gehörten die letzten zwei Jahre auf der Krim ähnlich wie 1994 zu den trockensten überhaupt. Sergej Aksjonow, Ministerpräsident der völkerrechtswidrigen russischen Republik Krim, spricht in Bezug auf 2020 sogar vom trockensten Jahr innerhalb der letzten 150 Jahre. Die Abschaltung des Nord-Krim-Kanals durch die Ukraine nach der Annexion 2014 hat darüber hinaus die Ausgangslage stark geändert. Vor 2014 wurde die Halbinsel zu über 85 Prozent mit Süßwasser durch den Kanal versorgt. Etwa 80 Prozent davon wurde für die Bedürfnisse der Landwirtschaft benutzt, der Rest wurde in die Stauseen eingeleitet und von der Bevölkerung verwendet.
Russland hat seitdem mehrere Versuche unternommen, um speziell für die Landwirtschaft die Situation zu verbessern. So wechselt man vor Ort zum Beispiel oft auf die Tröpfchenbewässerung, die zum Wassersparen eingesetzt wird. Sonst haben die Regierungen der Krim und der Stadt Sewastopol, die als eigene Region gilt, bisher fast zehn Millionen Euro für die Lösung des Problems erhalten. Für die Reparatur der bereits existierenden Projekte wurden mindestens 40 Millionen Euro verwendet. Im Oktober hat die föderale Regierung nun zusätzlich umgerechnet rund 500 Millionen Euro für unterschiedliche Projekte freigemacht. Damit wird vor allem das Bohren neuer Brunnen finanziert, denn die Krim ist gezwungen, verstärkt auf eigene Wasserreserven aus natürlichen Reservoirs zu setzen. Das Geld fließt aber auch in die Reparatur der abgenutzten Wasserleitungen.
So soll erreicht werden, dass zum Beispiel der Hauptstadt Simferopol im nächsten Jahr zumindest die Hälfte der Wassermenge aus der Zeit vor der Krise bekommt. Das Problem kann dadurch allerdings nicht gelöst werden. Deshalb will Russland vermehrt auf den Bau von Meerwasserentsalzungsanlagen setzen, die erste davon soll nach Angaben von Ministerpräsident Aksjonow bereits gebaut werden . Um das Projekt aber groß anzugehen, braucht die Krim nicht nur mehrere kleine, sondern eine große Anlage. Nachgedacht wurde etwa über eine Entsalzungsanlage in Kertsch, die Einschätzungen zufolge alleine 600 Millionen Euro kosten würde. Beim Bau wäre Russland zudem auf die ausländische Expertise angewiesen, denn eigene Erfahrungen hat Moskau damit nicht. Aufgrund der Sanktionen dürfte dies zu einem weiteren Problem neben der sowieso hohen Nutzungskosten solcher Anlagen werden.
Die alternative Lösung, eine Wasserleitung aus der südrussischen Nachbarregion Kuban, ist dagegen wegen der Wasserknappheit in der dortigen Region bereits vom Tisch. Doch je größer die Probleme auf der Krim, desto lauter werden die Forderungen an die Ukraine. Einerseits wird Kyjiw für das Abdrehen des Wassers hart kritisiert. Andererseits lässt Simferopol laut wissen, dass die Halbinsel das ukrainische Wasser eigentlich gar nicht braucht. „Die ukrainischen Machthaber sind aggressiv gegenüber den Krimbewohnern eingestellt“, sagt Wladimir Konstantinow, Parlamentsvorsitzender der annektierten Krim. „Daher lohnt es sich gar nicht, über das Wasser zu reden. Sie würden Schwefelsäure ins Wasser fließen lassen, damit wir es trinken.“
Ist aber Kyjiw tatsächlich für die Wasserkrise auf der Halbinsel verantwortlicn? Nicht, wenn es nach der Monitoringmission der UN in der Ukraine geht. „Wegen der Annexion der Krim ist Russland in erster Linie dafür zuständig, dass geschützte Personen auf der Krim Zugang zu Wasser haben“, betont man dort mit Verweis auf das Völkerrecht. Weil das Wasser aus dem Nord-Krim-Kanal überwiegend für wirtschaftliche Zwecke benutzt wurde, fällt auch der humanitäre Aspekt weg. „Dieses Wasser wird für die Landwirtschaft, die Industrie sowie den Verteidigungsbereich gebraucht. Es kann daher nicht über irgendwelche Verpflichtungen geredet werden“, meint der ukrainische Jurist Borys Babyn, der als Vertreter des ukrainischen Präsidenten auf der Krim tätig war, gegenüber Radio Swoboda.
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