Oleksandr Klymenko: Der transparente Antikorruptionsstaatsanwalt
Viele Freunde hat der 37-jährige Oleksandr Klymenko im politischen Kyjiw nicht. Zu oft hat er sich bereits mit sensiblen politischen Korruptionsdelikten beschäftigt. Trotz massiven Gegenwindes leitet er seit Mitte 2022 die spezialisierte Staatsanwaltschaft für Korruptionsbekämpfung – ein wichtiges Zeichen der Transparenz der ukrainischen Antikorruptionsorgane.
Nach der Maidan-Revolution 2013/2014 begann die Ukraine, ihren Ambitionen in Sachen europäischer Integration folgend, ein umfangreiches Netzwerk von Antikorruptions- und Strafverfolgungsstrukturen aufzubauen. Dieses umfasst aktuell das Nationale Antikorruptionsbüro (NABU), das Oberste Antikorruptionsgericht, die Nationale Agentur für Korruptionsprävention und die spezialisierte Staatsanwaltschaft für Korruptionsbekämpfung (SAP).
Letztere überwacht die Ermittlungen des Nationalen Antikorruptionsbüros auf Rechtmäßigkeit und unterstützt die staatliche Anklage bei Korruptionsfällen. So darf das Nationale Antikorruptionsbüro – eine Art FBI für Korruptionsdelikte – ohne Zustimmung der SAP die Ermittlungsbeteiligten nicht über offizielle Verdachtsfälle informieren.
Für die Ukraine, die gerade unter Wiktor Janukowytsch – dem nach den Maidan-Protesten nach Russland geflohenen Ex-Präsidenten – mit massiven Korruptionsproblemen zu kämpfen hatte, war es nach 2014 wichtig, ein effektives Kontrollsystem zur Bekämpfung der Korruption zu schaffen. Durch „Checks and Balances“ ergänzen und kontrollieren sich die unterschiedlichen Strukturen gegenseitig, minimieren dadurch Risiken – und sollten auch losgelöst von den üblichen Strafverfolgungsstrukturen funktionieren.
Vollkommen funktionsfähig waren diese Kontrollprozesse bis vor kurzem jedoch nicht: So agiert die SAP zwar unabhängig von der Generalstaatsanwaltschaft, war aber bis März 2024 struktureller Bestandteil derselben – und jüngst musste wieder im Zuge der Neubesetzung der SAP-Leitung die neue Personalie vom Generalstaatsanwalt bestätigt werden.
Unbeliebter Ermittler? Amtsbeginn mit Hindernissen
Das Mitbestimmungsrecht der Generalstaatsanwaltschaft in Personalfragen der SAP war einer der Hauptgründe, warum die SAP Mitte 2020 über einen längeren Zeitraum keine bestätigte Leitung hatte, obwohl Oleksandr Klymenko die entsprechende Ausschreibung im Dezember 2021 gewonnen hatte. Es brauchte jedoch länger als ein halbes Jahr und Druck seitens der EU, um den Generalstaatsanwalt Andrij Kostin dazu zu bewegen, ihn Ende Juli 2022 im Amt zu bestätigen.
Offenbar waren nicht alle mit der Nominierung Klymenkos einverstanden, hatte er doch zuvor brisante Ermittlungen vorangetrieben – unter anderem zu Oleh Tatarow, dem einflussreichen stellvertretenden Leiter des Präsidentenbüros. Und trotz der Verzögerungen ist es eindeutig als positiv zu bewerten, dass die Ukraine endlich einen unabhängigen Antikorruptionsanwalt hat, den auch Expertinnen und Experten im Bereich der Korruptionsbekämpfung anerkennen.
Von der Nationalpolizei zum Antikorruptionsbüro
Die Biografie des 37-jährigen Klymenkos hat es in sich. Der aus dem Nordosten der Ukraine stammende Anwalt studierte an der Nationalen Rechtsakademie Jaroslaw Mudryj in Charkiw, bis er 2010 nach Kyjiw ging, um dort zunächst als einfacher Ermittlungsbeamter zu arbeiten. Fünf Jahre später wurde er bei der nach dem Maidan reformierten Nationalen Polizei zum leitenden Ermittler ernannt und beschäftigte sich bereits damals mit Korruptionsfällen in staatlichen Unternehmen.
Klymenko fand heraus, dass Beamte des nationalen Eisenbahnunternehmens Ukrsalisnyzja Scheinverträge abgeschlossen hatten, um sich so an Unternehmensgeldern zu bereichern. Als er seine Vorgesetzten darüber schriftlich informierte, legten diese ihm jedoch die Rücknahme des Briefes nahe und verwarnten ihn. Außerdem wurden ihm alle Fälle entzogen – abgesehen von Unfällen. Eine Zukunft bei der Polizei hatte er nicht und wurde letztlich entlassen.
So bewarb sich Oleksandr Klymenko beim Nationalen Antikorruptionsbüro (NABU), wo er im März 2016 zunächst zum Ermittler, ein Jahr später zum leitenden Ermittler und wenig später zum Abteilungsleiter ernannt wurde – und zwar zum Leiter der sogenannten „Abteilung Nummer zwei”, die sich mit sensiblen politischen Angelegenheiten befasst.
Klymenko ermittelte etwa in einem Fall, bei dem es um den Sohn eines engen Vertrauten des Ex-Präsidenten Petro Poroschenko ging, aber auch im „Gas-Fall” um den geflohenen Ex-Abgeordneten Oleksandr Onyschtschenko, einem der größten Korruptionsaffären der Ukraine, die den Staatshaushalt umgerechnet rund 70 Millionen Euro kostete. Bis Mitte 2022 wurden elf von 29 Verdächtigen verurteilt – eine gute Quote, zumal sich Onyschtschenko und andere Verdächtige außerhalb der Ukraine aufhalten.
Bei der Korruptionsbekämpfung „einer der Besten”
Artem Sytnyk, der ehemalige NABU-Direktor, hält Klymenko für einen seiner effektivsten Mitarbeiter. „Was die Zahl der öffentlichkeitswirksamen Fälle betrifft, war er einer der Besten”, betont Sytnyk. „Seinen Namen habe ich in meinem Büro öfter gehört als den anderer Ermittler”.
Auch als SAP-Leiter scheint Oleksandr Klymenko erfolgreich zu sein: NABU und SAP bezeichnen das Jahr 2023 als das erfolgreichste Jahr in der Geschichte der ukrainischen Antikorruptionsorgane. So haben NABU und SAP in diesem Jahr 21 hochrangige Staatsbeamte, 39 Leiter staatlicher Unternehmen, 16 Richter und elf Abgeordnete der Korruption überführt. Die Zahlen liegen um ein Vielfaches über denen der vergangenen Jahre.
Oleksandr Klymenko selbst gibt selten Interviews, doch wenn er dies tut, setzt er in Sachen Korruptionsbekämpfung klare Akzente und nennt realistische Ziele: „Es ist unmöglich, Korruption vollständig zu bezwingen”, bekräftigte er in einem Interview mit Dserkalo Tyschnja im Juli 2023. „Aber sie kann bis zu einem gewissen Grad reduziert werden.“
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