Julija Swy­ry­denko: von der Regio­nal­be­am­tin zur mäch­ti­gen Vize-Ministerpräsidentin

In nur wenigen Jahren wurde die junge Vize-Minis­ter­prä­si­den­tin und Wirt­schafts­mi­nis­te­rin Julija Swy­ry­denko zu einer der ein­fluss­reichs­ten Per­so­nen der ukrai­ni­schen Regie­rung. Ihr Name fällt oft, wenn über die Neu­be­set­zung des Postens des Minis­ter­prä­si­den­ten spe­ku­liert wird.

Als die heute 38-jährige Julija Swy­ry­denko Ende 2021, wenige Monate vor dem voll­um­fäng­li­chen rus­si­schen Angriff, zur ersten Vize-Minis­ter­prä­si­den­tin und Wirt­schafts­mi­nis­te­rin ernannt wurde, war sie ein wei­te­res, sehr junges Gesicht im Team um den Prä­si­den­ten Wolo­dymyr Selen­skyj – und selbst im poli­ti­schen Kyjiw nur wenigen ein Begriff.

Zwar war die in Tscher­ni­hiw gebo­rene Swy­ry­denko zuvor schon stell­ver­tre­tende Wirt­schafts­mi­nis­te­rin und eine der Vizes des mäch­ti­gen Leiters des Prä­si­di­al­am­tes Andrij Jermak. Ihre Beför­de­rung kam trotz­dem über­ra­schend. „Sie wird diese Aufgabe meis­tern können. Julija ist ein Sys­tem­mensch, der sich an Ergeb­nis­sen ori­en­tiert“, ver­si­cherte Tymofij Mylo­wa­now, der erste Wirt­schafts­mi­nis­ter der Selen­skyj-Ära, mit dem sie damals zusammenarbeitete.

Swy­ry­denko kennt Pri­vat­wirt­schaft und öffent­li­chen Sektor

Tat­säch­lich war es Mylo­wa­now, der Swy­ry­denko, die als Beamtin in ihrer Hei­mat­re­gion Tscher­ni­hiw und später in der Pri­vat­wirt­schaft tätig war, 2019 ins Wirt­schafts­mi­nis­te­rium und somit auch in den Kyjiwer Macht­ap­pa­rat holte. „Sie kannte sich glei­cher­ma­ßen mit der Funk­ti­ons­weise der Pri­vat­wirt­schaft und des staat­li­chen Sektors aus“, so der Ex-Minis­ter, aktuell Prä­si­dent der Kyiv School of Eco­no­mics. „Eine derart umfas­sende Vision gibt es leider nur bei wenigen.“

Fünf Jahre später ist Swy­ry­denko längst keine Unbe­kannte mehr. Doch trotz der immer wieder auf­tau­chen­den Gerüchte ist es unwahr­schein­lich, dass bei den bald zu erwar­ten­den per­so­nel­len Ver­än­de­run­gen inner­halb der Regie­rung auch Minis­ter­prä­si­dent Denys Schmyhal seinen Posten räumen muss und sie seine Nach­folge antritt. Wenn dies aber in abseh­ba­rer Zeit der Fall wäre, wäre Swy­ry­denko zusam­men mit einem wei­te­ren Vize-Minis­ter­prä­si­den­ten, dem Digi­tal­mi­nis­ter Mycha­jlo Fedorow, im engsten Kan­di­da­ten­kreis für die Nachfolge.

Inter­na­tio­nal für ihre kom­mu­ni­ka­ti­ven Fähig­kei­ten geschätzt

Swy­ry­denko gehört zu den ein­fluss­reichs­ten Regie­rungs­mit­glie­dern und wird von inter­na­tio­na­len Part­nern auch für ihre kom­mu­ni­ka­ti­ven Fähig­kei­ten geschätzt. Es war daher durch­aus bezeich­nend, dass sie Ende 2023 – zumin­dest formell – eine wich­tige ukrai­ni­sche Dele­ga­tion in den USA anführte, die mit Gesprä­chen über die Ver­län­ge­rung der Hilfen für die Ukraine beauf­tragt war. Weil auch Andrij Jermak, der Ver­trau­ens­mann an der Seite von Wolo­dymyr Selen­skyj, an der Reise teil­nahm, war ihre Posi­tion als Dele­ga­ti­ons­lei­te­rin jedoch tat­säch­lich eher formell.

Ver­tre­te­rin ukrai­ni­scher Inter­es­sen in China

Der erste wich­tige Kar­rie­re­schritt Swy­ry­den­kos, die ihren Abschluss an der Kyjiwer Uni­ver­si­tät für Handel und Wirt­schaft machte, war ihre Tätig­keit als stän­dige Ver­tre­te­rin der Stadt Tscher­ni­hiw in der chi­ne­si­schen Stadt Wuxi, wo sie sich für die Anwer­bung inter­na­tio­na­ler Inves­ti­tio­nen ein­setzte. Und dies nicht ohne Erfolg: Eine gemein­same ukrai­nisch-chi­ne­si­sche Firma hat letzt­lich in Tscher­ni­hiw eine Pro­duk­ti­ons­an­lage für Poly­es­ter­ge­webe gebaut.

Dass Swy­ry­denko, die vor ihrer Tätig­keit in Kyjiw unter anderem einige Monate die Regio­nal­ver­wal­tung von Tscher­ni­hiw feder­füh­rend leitete, gut Chi­ne­sisch spricht, gehörte auch zu den Gründen, warum sie zur ersten Vize-Minis­ter­prä­si­den­tin und Wirt­schafts­mi­nis­te­rin ernannt wurde. Die Erwar­tung war, dass die junge Frau mit Kon­tak­ten nach Osten und Westen das Niveau der inter­na­tio­na­len Inves­ti­tio­nen erhöhen kann.

Schlüs­sel­rolle bei dem 50-Mil­li­ar­den-Paket der EU

Doch kurz nach der Ernen­nung, am 24. Februar 2022, kam der große rus­si­sche Angriff, Swy­ry­den­kos Auf­ga­ben­feld hat sich ver­än­dert – und lässt sich am besten als Scha­den­be­gren­zung beschrei­ben. Statt um aus­län­di­sche Inves­ti­tio­nen muss sie sich um inter­na­tio­nale Hilfen und Kredite kümmern. Denn während in der Ukraine alle eigenen Steuer- und Zoll­ein­nah­men ins Militär fließen, wird der übrige Haus­halt momen­tan zu großen Teilen über inter­na­tio­nale Kredite und Finanz­hil­fen finan­ziert. Swy­ry­denko hat eine Schlüs­sel­rolle dabei gespielt, dass die EU das nach­hal­tige Hilfs­pa­ket in Höhe von 50 Mil­li­ar­den Euro für vier Jahre ab 2024 bewilligte.

Wie­der­be­le­bung der ukrai­ni­schen Wirtschaft

Trotz­dem gelang es nicht zuletzt auch Swy­ry­denko, die ukrai­ni­sche Wirt­schaft 2023 trotz aller Schwie­rig­kei­ten wieder etwas zu beleben. „Im Jahr 2022 schrumpfte die ukrai­ni­sche Wirt­schaft um fast 30 Prozent. Nun sind wir wieder auf Wachs­tums­kurs“, betont die Vize-Minis­ter­prä­si­den­tin. „Der Anstieg von fünf Prozent ist klein. Er bedeu­tet aber, dass sich die wich­tigs­ten Wirt­schafts­zweige wieder ent­wi­ckeln. Das ist ein gutes Zeichen für uns.“ Swy­ry­denko ver­sucht auch, sich ver­stärkt für eine ukrai­ni­sche Eigen­pro­duk­tion, also für ein „Made in Ukraine“ einzusetzen.

Mehr Pro­dukte „Made in Ukraine“

„Lange Jahre wurde uns der Gedanke nahe­ge­legt, dass impor­tierte Pro­dukte besser und von höherer Qua­li­tät seien als unsere eigenen. Dies ist ein wei­te­res sowje­ti­sches Nar­ra­tiv, das weit von der Wahr­heit ent­fernt, aber immer noch im Umlauf ist“, schreibt sie in einer Kolumne für Forbes Ukraine. „Lasst uns also gemein­sam das Ukrai­ni­sche neu defi­nie­ren und neue Marken ent­de­cken. Denn der Kauf ukrai­ni­scher Pro­dukte ist ein kleiner Schritt mit großer Wirkung.“ Die Wirkung bedeu­tet vor allem die Finan­zie­rung der ukrai­ni­schen Armee.

Ver­ant­wort­lich für die Umset­zung der Sanktionspolitik

Und damit bei den Streit­kräf­ten des Feindes weniger Geld ankommt, ist Swy­ry­denko zudem Lei­te­rin der res­sort­über­grei­fen­den Arbeits­gruppe zur Umset­zung der staat­li­chen Sank­ti­ons­po­li­tik. Nicht zuletzt, weil sich diese als effek­tiv erweist, gehört Julija Swy­ry­denko zu Selen­skyjs belieb­tes­ten Minis­te­rin­nen und Minis­tern der aktu­el­len Regierung.

Portrait von Denis Trubetskoy

Denis Tru­bets­koy ist in Sewas­to­pol auf der Krim geboren und berich­tet als freier Jour­na­list aus Kyjiw.

 

 

 

 

 

 

 

 

Geför­dert durch:

Ver­wandte Themen

News­let­ter bestellen

Tragen Sie sich in unseren News­let­ter ein und bleiben Sie auf dem Laufenden.

Mit unseren Daten­schutz­be­stim­mun­gen erklä­ren Sie sich einverstanden.