Die Souveränität der Ukraine ist ein kostbares Gut – nicht nur für die Menschen in der Ukraine
Am 24. August feiert die Ukraine den Unabhängigkeitstag. Die lang herbeigesehnte staatliche Souveränität ist durch internationales Recht geschützt. Ihre Wiederherstellung und Wahrung dient auch dem Schutz der globalen Sicherheitsordnung, schreibt der Schriftsteller Jurko Prochasko in seinem Kommentar.
Die Unabhängigkeit der Ukraine, die nun jährlich am 24. August gefeiert wird, ist nur scheinbar eine Selbstverständlichkeit. Denn lange Zeit – spätestens seit den liberalen Revolutionen von 1848, als sich der Liberalismus und der Nationalismus noch gut verstanden und einander bedingten – war sie ein leidenschaftlich ersehntes politisches Ziel einer damals staatslosen Nation, die gerade im Begriff war, sich ihrer selbst bewusst zu werden, sich zu „erfinden“.
„Mehrere Versuche, staatliche Souveränität zu erlangen, scheiterten“
Sehr lange, bedeutend länger als bei den meisten anderen europäischen Völkern blieb dieses – eng mit dem klassischen neuzeitlichen Nationalismus des 19. Jahrhunderts verbundene und sich von den Völkern meist selbst zum unbedingten Zweck gesetzte und als grundsätzliche Voraussetzung einer Nationswerdung verstandene und erklärte – normative Ideal einer modernen Nation unerreicht.
Dabei ist hervorzuheben, dass der ukrainische Nationalismus grundsätzlich und programmatisch antiimperial, emanzipatorisch und befreiend und gerade deshalb weder auf Eroberung hin angelegt noch revanchistisch und auch nicht revisionistisch ist, sich dafür umso besser mit dem Liberalismus versteht und verträgt, aber auch deshalb von vielen anderen anders beschaffenen Nationalperspektiven missverstanden oder gar missbilligt wird.
Auch die Folgen des 1. Weltkriegs, dieses so paradigmatischen Ereignisses für die Bildung moderner Nationalstaaten, brachten – anders als für so viele europäische Nationen – letztendlich keinen dauerhaften ukrainischen Staat hervor. Mehrere Versuche, eine staatliche Souveränität zu erlangen, scheiterten.
Staatliche Unabhängigkeit als wichtigstes politisches Ziel
Die große Frustration gebar eine umso intensivere Sehnsucht. Das Erlangen einer staatlichen Unabhängigkeit, dieser Voraussetzung für eine wirkliche nationale Souveränität, auch im Sinne eines Subjekts des internationalen Rechts, blieb sodann für mehrere weitere Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts das politische Ziel schlechthin und das ideologische Streben mehrerer Generationen, die sich als Ukrainer identifizierten – auch in Zeiten, als diese zwar unsichtbare, aber sich selbst sehr wohl spürende Kulturgemeinschaft (ein Identitätskollektiv ähnlich den heutigen Kurden) Bestandteil war von anderen namensgebenden Titularnationen. Das Ziel ist niemals aus dem Blick geraten und schien immer auf eine günstige historische Gelegenheit und den richtigen politischen Moment gewartet zu haben.
Die Grenzen der „Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik“ waren nicht nur innerhalb der UdSSR konstitutionell verankert, sondern wurden auch nach den Konferenzen von Jalta und Potsdam 1945 Gegenstand des internationalen Rechts. Nach den Helsinki-Schlussakten von 1975 waren sie Element der Sicherheitsordnung in Europa.
Mit dem Ende der Sowjetunion ging der Traum endlich und friedlich in Erfüllung
Die friedliche und vertraglich festgehaltene Selbstauflösung der UdSSR 1991 brachte auch die Erklärung der ukrainischen nationalen Souveränität, in den von der Ukraine selbst niemals in Frage gestellten Grenzen. Damit einher ging die allgemeine Anerkennung des neuen internationalen Rechts. Der alte, nur scheinbar anachronistische Traum der Ukrainer ging endlich und friedlich in Erfüllung. Denn bis heute stellt die Gemeinschaft von Staatsnationen die Grundstruktur der heutigen Welt bzw. ihre grundlegende Ordnung dar – und die staatliche Unabhängigkeit einer jeden Entität den Garant ihrer Souveränität.
Und nichts deutet darauf hin, dass diese Struktur – trotz vieler supranationaler Strukturen und Bündnisse (auch die EU ist schließlich eine Gemeinschaft souveräner Nationen), trotz Globalisierung – überholt sein oder sich auflösen wird. Ganz im Gegenteil: Die globale Sicherheitsordnung ist aktuell gerade deshalb akut bedroht, oder besser gesagt beinahe unrettbar beschädigt, weil die Souveränität einiger Staaten, wie jüngst der Ukraine, in den Grenzen ihres Hoheitsgebiets verletzt worden ist. Die ukrainische Souveränität wird dabei von Russland geradezu negiert; Russland erklärt die Ukraine schlicht für inexistent.
Keine Rechtfertigung für Revisionismus und Revanchismus
Im Rahmen des heutigen Internationalen Rechts darf kein Revisionismus, kein Revanchismus, Akzeptanz und Rechtfertigung finden. Egal, ob dieser vermeintlich gut begründet ist – oder so offensichtlich fadenscheinig wie der russische.
Die Souveränität und die wirkliche Unabhängigkeit der Ukraine sind heute deshalb nicht nur für die Menschen in der Ukraine ein kostbarer Wert; ihre Wiederherstellung und Wahrung sollten die zentrale Angelegenheit all jener werden, denen die Sicherheitsordnung dieser Welt am Herzen liegt. Genauso wie die Verfolgung und Bestrafung derer, die diese Ordnung verletzen. Denn das Recht, auch das internationale, sorgt nicht nur dafür, Ordnung zu schaffen und aufrechtzuerhalten, sondern auch dafür, deren Störer und Zerstörer zu bestrafen. Die Wiederherstellung der ukrainischen Souveränität ist daher eine überlebenswichtige Aufgabe für die ganze Welt.
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