Charkiw 1941 und heute – Deutsch­land in der Verantwortung

Bild: KAS

Natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Besat­zung Char­kiws zwi­schen 1941 und 1943 – Rus­si­sche Besat­zung in der Ukraine heute. Bei der Ver­an­stal­tung des Zen­trums Libe­rale Moderne und der Konrad-Ade­nauer-Stif­tung Ukraine am 15. Mai ging es um Geschichte und Gegen­wart der Besat­zung und um Deutsch­lands beson­dere his­to­ri­sche Ver­ant­wor­tung gegen­über der Ukraine.

In Deutsch­land wird der Krieg Nazi­deutsch­lands gegen die Sowjet­union immer noch vor allem als Krieg gegen Russ­land wahr­ge­nom­men – und damit auch als eine beson­dere Schuld gegen­über Russ­land, und nicht gegen­über allen betrof­fe­nen ehe­ma­li­gen Sowjet­re­pu­bli­ken. Ein großer Teil der Kriegs­hand­lun­gen fand jedoch auf dem Ter­ri­to­rium von Belarus und der Ukraine statt. Die Ukraine zählt zu den Haupt­kriegs­schau­plät­zen im Zweiten Welt­krieg und im Gegen­satz zu Russ­land wurde sie auch voll­stän­dig besetzt.

Auch das Thema Besat­zung wird anders als Kampf­hand­lun­gen wenig the­ma­ti­siert, obwohl die Geschichte der Besat­zung Europas durch die Natio­nal­so­zia­lis­ten zeigt, dass die meisten zivilen Kriegs­op­fer Opfer der Besat­zung waren. Die his­to­ri­sche Ver­ant­wor­tung Deutsch­lands besteht also auch darin, sich ins­be­son­dere mit den Opfern der rus­si­schen Besat­zung der Ukraine zu solidarisieren.

Aktua­li­tät des Films zur Besat­zung Charkiws

In dem vier­tei­li­gen Film „Über Charkiw und über uns selbst: Erleb­nisse und Schick­sale einer Groß­stadt in den münd­li­chen Erzäh­lun­gen ihrer Bewoh­ner“ erzäh­len betagte Ein­woh­ne­rin­nen und Ein­woh­ner der Stadt in scho­ckie­ren­den und berüh­ren­den Sequen­zen über den Horror der Nazi­be­sat­zung in den 1940-er Jahren: Kriegs­be­ginn, Holo­caust, Alltag und Ver­schlep­pung sowie die Befrei­ung der Stadt.

Der Film von Gelinada Grin­chenko, Co-Spre­che­rin der Deutsch-Ukrai­­ni­­schen His­to­ri­schen Kom­mis­sion und Pro­fes­so­rin für Geschichte an der Natio­na­len W.-N.-Karasin-Universität Charkiw ent­stand zwi­schen 2021 und 2023.  Durch den Beginn des groß­flä­chi­gen Krieges Russ­lands gegen die Ukraine, den damit ver­bun­de­nen mas­si­ven Bomben- und Artil­le­rie­be­schuss auf Charkiw und die Bela­ge­rung der Stadt im Jahr 2022 erlangt das Thema des Films – die Schre­cken der Besat­zung – eine neue Aktualität.

Podi­ums­dis­kus­sion: Deutsch­lands beson­dere Verantwortung

Im Anschluss an die Film­vor­füh­rung dis­ku­tierte Marie­luise Beck mit Gelinada Grin­chenko und wei­te­ren Gästen aus Wis­sen­schaft und Politik über den Film, den Holo­caust – die „Tra­gö­die inner­halb der Tra­gö­die“, so Beck – und Deutsch­lands beson­dere Ver­ant­wor­tung gegen­über der Ukraine heute.

Die Mehr­zahl der zivilen Kriegs­op­fer sind in der Regel Opfer der Besatzung

In Deutsch­land werden die Bedeu­tung und Schre­cken der Besat­zung kaum the­ma­ti­siert, so Tatjana Töns­meyer, Uni­ver­si­täts­pro­fes­so­rin für Neuere und Neueste Geschichte an der Ber­gi­schen Uni­ver­si­tät Wup­per­tal. „Besat­zung zer­setzt gesell­schaft­li­ches Ver­trauen“ – und die Mehr­zahl der zivilen Kriegs­op­fer sind in der Regel Besat­zungs­op­fer. Unsere Ver­ant­wor­tung besteht darin, über­haupt um die Besat­zung zu wissen, uns mit der „Opfer­seite“ zu beschäf­ti­gen und Empa­thie zu fühlen.

Suche nach Wahr­heit und Erinnerung

Für die Ver­fol­gung von Kriegs­ver­bre­chen ist die Samm­lung von Zeug­nis­sen von Über­le­ben­den ent­schei­dend. Oksana Sena­to­rova, Direk­to­rin des „For­schungs­zen­trums für Tran­si­tio­nal Justice“ und Asso­ciate Pro­fes­so­rin an der Yaros­lav Mudryi Natio­nal Law Uni­ver­sity in Charkiw hob in diesem Zusam­men­hang den inter­na­tio­na­len Haft­be­fehl des Inter­na­tio­na­len Straf­ge­richts­hofs gegen Wla­di­mir Putin und die rus­si­sche Ombuds­frau für Kin­der­rechte, Maria Lwowa-Belowa, am 17. März dieses Jahres als posi­ti­ves Ergeb­nis hervor. Und: Bei der Samm­lung von Zeug­nis­sen geht es immer auch um die Suche nach Wahr­heit und um Erinnerung.

„Über Charkiw und über uns selbst: Erleb­nisse und Schick­sale einer Groß­stadt in den münd­li­chen Erzäh­lun­gen ihrer Bewohner“:

Teil 1

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Der dritte und vierte Teil des Films werden in Kürze an dieser Stelle eben­falls veröffentlicht.

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