Wadym Sucharewskyj: Drohnenchef und lebende Legende
Er soll die Drohnenstreitkräfte als eigenständige Truppengattung aufbauen – diese Mission hat Präsident Selenskyj dem 39-jährigen Oberst Wadym Sucharewskyj anvertraut. Sucharewskyj ist seit dem Donbas-Krieg eine Legende in der Ukraine – er gab 2014 erstmals den Befehl zur Erwiderung des Feuers.
Am Morgen des 13. April 2014 versammelte sich in der Umgebung von Slowjansk im ostukrainischen Bezirk Donezk eine Gruppe ukrainischer Soldaten und Angehörigen des ukrainischen Inlandsgeheimdienstes SBU. Am Tag zuvor hatten bewaffnete Kämpfer um den Ex-FSB-Mitarbeiter Igor Girkin – auch bekannt unter dem Namen Igor Strelkow – die russisch-ukrainische Grenze überquert und das Polizeigebäude von Slowjansk besetzt. Zunächst wollten die Ukrainer darauf nicht mit Waffengewalt reagieren.
Der erste Schießbefehl nach dem russischen Angriff
Doch als um neun Uhr morgens plötzlich auf sie geschossen wurde, gab der damalige Oberleutnant und Kompanieführer Wadym Sucharewskyj den klaren Befehl zur Erwiderung des Feuers. Es handelte sich um den ersten Schuss, den die ukrainische Seite im Donbas-Krieg abgab. Dass die Truppe um Girkin, von der russischen Region Rostow aus kommend, ohne Zustimmung höchster Moskauer Regierungskreise ukrainisches Territorium betreten hatte, gilt inzwischen als so gut wie ausgeschlossen.
Kommandeur der weltweit ersten Drohnenarmee
Anfang 2024 wurde Wadym Sucharewskyj zum Stellvertreter des neuen Oberbefehlshabers Oleksandr Syrskyj ernannt und mit Planung und Aufbau der Drohnenstreitkräfte als eigener Truppengattung der ukrainischen Armee beauftragt. Anfang Juni ernannte Selenskyj den heute 39-Jährigen, der oft als Legende des russisch-ukrainischen Krieges bezeichnet wird, per Dekret zum ersten Kommandeur der neu geschaffenen sogenannten Streitkräfte für unbemannte Systeme.
Der russische Überfall vom 24. Februar 2022 führte zum ersten Krieg der Geschichte, für dessen Verlauf der Einsatz von Drohnen entscheidend ist. Dass es sinnvoll sein könnte, für eine solche Auseinandersetzung eine eigene Truppengattung aufzubauen, hatte sich schon länger abgezeichnet. Nachdem Selenskyj zu Jahresbeginn die Armeespitze umstrukturierte, wurde die Idee einer Drohnenarmee erstmals auch umgesetzt. Der aus der Kleinstadt Berehowe in Transkarpatien stammende Sucharewskyj erschien von Beginn an als der perfekte Kandidat für diese Aufgabe.
„Ich habe gemerkt, dass ich hier in meinem Element bin“
Von einer Militärkarriere hatte Sucharewskyj – Spitzname „Barsuk“ (Dachs) – eigentlich nie geträumt. Als er zum Wehrdienst einberufen wurde, wollte er es aber gleich richtig machen, um eine gute Ausbildung zu bekommen. Spätestens 2016, als Sucharewskyj zum Kommandeur eines Bataillons der 36. Brigade der Marineinfanterie ernannt wurde, wird er realisiert haben, dass seine Entscheidung für die Armee die richtige gewesen war: „Als ich zu den Fallschirmjägern kam, habe ich gemerkt, dass ich hier in meinem Element bin.“
Klare Kante und respektvoller Umgang
Das ihm unterstellte Bataillon galt dabei zunächst als problematisch. Gleich nach seiner Ernennung musste Sucharewskyj Dutzende Soldaten wegen mangelnder Disziplin entlassen. Doch dank seiner Erfahrung im Donbas-Krieg und seines – trotz klarer und harter Entscheidungen – offenen und respektvollen Umgangstons konnte er recht schnell für Ordnung sorgen.
Die militärische Kampferfahrung Sucharewskyjs beschränkt sich nicht auf den einen Moment im April 2014 am Anfang des Donbas-Krieges. Auch bei der Verteidigung und Befreiung von Slowjansk spielte er eine entscheidende Rolle und nahm an den Gefechten um den Flughafen teil, wo er eine schwerere Beinverletzung erlitt. Es überrascht daher nicht, dass die Soldaten in seinem Bataillon großen Respekt vor ihm haben.
Steuerung des Schlachtverlaufs mit einem Quadrokopter
Bei der 36. Brigade sammelte Sucharewskyj auch praktische Erfahrung mit Drohnen. Der „Dachs“ steuerte 2016 wohl erstmalig in der ukrainischen Armee den Verlauf einer Schlacht mithilfe eines Quadrokopters – damals noch keine Selbstverständlichkeit.
Nach dem Beginn des umfassenden Krieges wurde Wadym Sucharewskyj Kommandeur der 59. motorisierten Infanteriebrigade, die 2022 vor allem in den südlichen Regionen Cherson und Mykolajiw kämpfte, zur Befreiung der Stadt Cherson beitrug und später vor allem in der Region Donezk im Einsatz war. Bei der 59. Brigade setzte Sucharewskyj noch stärker auf den Einsatz von Drohnen, deren Bedeutung für den aktuellen Krieg er als „enorm“ bezeichnet.
Eine Brigade für Entwicklung, Produktion und Reparatur von Drohnen
Seinem Befehl entsprechend baute die Brigade eine eigene Produktions- und Reparaturanlage für sogenannte First Person View-Drohnen auf, die gerade bei der Verteidigung die Artillerie teilweise ersetzen können. Die Brigade produziert auch Munition für ganz unterschiedliche Drohnentypen und ist in der Lage, eigene Bodendrohnen, die bis zu einer Entfernung von acht Kilometern Minen legen können, zu entwickeln und herzustellen. Unter der Führung Sucharewskyjs modifizierte die 59. Brigade auch die Akkus der kleinen Drohnen vom Typ DJI Mavic, sodass diese eine größere Distanz zurücklegen können.
Neue Einsatzstrategien
Die Drohnenstreitkräfte, für die Sucharewskyj nun seit einigen Monaten verantwortlich ist, sollen eine Verstärkung für die Einheiten an der Front, die bereits jetzt Drohnen einsetzen, darstellen. „Bei uns geht es um spezifische Aufgaben und Unterstützung. Wir stellen uns eine enge Zusammenarbeit mit bereits bestehenden Einheiten vor, um deren Fähigkeiten zu unterstützen, zu stärken und auszubauen“, so Sucharewskyj. Dabei sei eine Art Rundumversorgung vorgesehen: von der Ausgabe der Drohnen bis zur Reparatur und Nachrüstung. Auch die Entwicklung neuer Einsatzstrategien werde eine Rolle spielen.
Als junger, gleichzeitig aber auch erfahrener Kommandeur ist Sucharewskyj nun für diese weltweit bislang einmalige militärische Mission verantwortlich. „Befehlshaber im Krieg und allgemein in der Armee zu sein, bedeutet eine ungeheure Verantwortung“, betont er. „Für mich hat dieser Krieg 2014 begonnen. Er hat nicht einen einzigen Tag aufgehört.“
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