Comeback des Putin-Freundes: Wer ist Wiktor Medwedtschuk?
Wladimir Putin heißt der Patenonkel der Tochter des ukrainischen Politikers Wiktor Medwedtschuk. Der wichtigste Vermittler zwischen Kyjiw und Moskau hat bis jetzt vor allem im Hintergrund agiert. Nun kehrt er in die große Politik zurück – und macht Druck auf seine Gegner.
Schon seit über 20 Jahren spielt er immer eine bedeutende Rolle in der ukrainischen Politik: Wiktor Medwedtschuk, Oligarch und persönlicher Freund Wladimir Putins. Diese Freundschaft mit dem russischen Präsidenten geht so weit, dass Putin 2004 zum Patenonkel seiner Tochter wurde. Die Patentante ist dagegen Swetlana Medwedewa, die Frau des damaligen russischen Präsidialamtschefs Dmitrij Medwedew, des späteren Präsidenten und aktuellen Ministerpräsidenten Russlands. In den 1990ern machte Medwedtschuk, gelernter Rechtsanwalt, sich einen Namen als Großunternehmer, 2002 übernahm er die Leitung in der Präsidialverwaltung des ukrainischen Präsidenten Leonid Kutschma.
Nach der Niederlage von Wiktor Janukowytsch bei den Präsidentschaftswahlen 2004 hat Medwedtschuk sich aus der öffentlichen Politik größtenteils zurückgehalten, obwohl seine Bedeutung ausgerechnet in den letzten Jahren als de facto einzige Kontaktperson zwischen Kyjiw und Moskau und wichtigster Vermittler angesichts des Gefangenaustauschs im Donbas-Krieg größer denn je ist. Der 64-Jährige ist derzeit auch der einzige, der trotz der Kappung der direkten Flugverbindung mit seinem Privatjet aus der Ukraine nach Russland fliegen darf.
Medwedtschuks Comeback polarisiert
Das heißt in erster Linie: Eigentlich liebt Medwedtschuk Stille. Medwedtschuk meidet die Öffentlichkeit und gilt nicht ohne Grund als die graue Eminenz der ukrainischen Politik. Dennoch machen derzeit nur wenige Politiker mehr Schlagzeilen als der in Sibirien geborene Ukrainer. Das überrascht nicht, denn seine im August erklärte Rückkehr in die öffentliche Politik sollte von Anfang an provozieren und polarisieren. Offiziell nahm Medwedtschuk die Einladung des Kyjiw-kritischen Politikers Wadym Rabynowitsch an, seiner Partei Sa schyttja („Auf das Leben“) beizutreten.
Diese Partei erfolgte als Abspaltung aus dem auf den Südosten des Landes orientierten Oppositionsblocks und hätte durchaus Chancen, bei der Parlamentswahl im nächsten Herbst in die Werchowna Rada einzuziehen. Die persönliche Einladung Rabynowitschs ist reine Show: Dass Medwedtschuk die Partei größtenteils finanziert, galt schon lange als offenes Geheimnis. Zwar hat er vorgeblich keine Ambitionen, im nächsten Jahr bei der Präsidentschaftswahl anzutreten, der Parlamentssitz ist jedoch ganz klar sein erklärtes Ziel. In der Partei soll sich Medwedtschuk wenig überraschend mit den Beziehungen zu Russland und den damit verbundenen Friedensbemühungen beschäftigen.
Große Medienpräsenz begleitet von Skandalen
Doch mit dem Wiedereinstieg in die große Politik hört es nicht auf. Mittlerweile erscheint fast jede Woche ein großes Programminterview mit Medwedtschuk. Ab Spätfrühjahr taucht zudem sein Name im wichtigen Nachrichtensender Kanal 112 auf, in dem Wadym Rabynowitsch einige Sendungen moderiert. Die Journalisten der Antikorruptionssendung Schemy der ukrainischen Redaktion von Radio Svoboda wollen herausgefunden haben, dass der neue Generalproduzent des Senders eine direkte Verbindung zu Medwedtschuk haben soll.
Und so war es nur logisch, dass eben Medwedtschuk neulich zum ersten Gast des neuen Interviewformats von Kanal 112 wurde, „Das große Interview mit einem großen Politiker“, in dem der 64-Jährige seine politische Agenda prominent darstellen durfte. Hinzu kamen zwei Skandale. Zum einen die angebliche Forderung Medwedtschuks, die Szene mit ihm aus dem kommenden Spielfilm über den ukrainischen Schriftsteller und sowjetischen Dissidenten Wassyl Stus zu entfernen. Medwedtschuk war Anwalt von Stus in einem Staatsverratsprozess und soll eher auf der Seite der Anklage gespielt haben.
Zum anderen protestierten die Journalisten der Nachrichtensendung des großen Senders 1 + 1, der dem umstrittenen Oligarchen Ihor Kolomojskyj gehört, gegen die Teilnahme von Medwedtschuks Frau Oksana Martschenko im beliebten Format „Tanzen mit Stars“ – wegen der angeblich antiukrainischen Haltung des Politikers und des Schweigens der berühmten Fernsehmoderatorin Martschenko zur Problematik rund um die russische Annexion der Krim und dem Krieg im Donbas. Sie ist außerdem die formelle Besitzerin vieler Unternehmen des meist auf das Gasgeschäft orientierten Businessimperiums ihres Ehemannes.
Was sind Medwedtschuks politische Ziele?
Doch was will Medwedtschuk, der bereits seit 2014 auf der US-Sanktionsliste steht und sich immer als klarer Antiamerikanist darstellt, tatsächlich erreichen? Erstens sieht im Moment alles danach aus, als würden sich Sa schyttja und Oppositionsblock vor dem Superwahljahr 2019 zusammenschließen und unter anderem einen gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten aufstellen. Der konkrete Name ist bis heute unklar, allerdings hätte ein solcher Kandidat zumindest auf dem Papier keine schlechten Chancen, es in die Stichwahl zu schaffen, zumal die Umfragewerte aller Spitzenpolitiker nicht sonderlich sind. Ohne den Einsatz des politischen Schwergewichts Medwedtschuk wäre ein Zusammenschluss der zwei Parteien unrealistisch gewesen. Dass sich die Kräfte wie Sa schyttja und Oppositionsblock annähern, ist vor allem für das prowestliche Spektrum der ukrainischen Politik ein deutliches Warnsignal.
Medwedtschuk will engere Beziehungen zu Russland
Sein grundsätzliches politisches Ziel hat Wiktor Medwedtschuk allerdings bereits 2012 erklärt, als er die Vereinigung Ukrajinskyj Wybor („Ukrainische Wahl“) angesichts der Ausarbeitung des Assoziierungsabkommens Ukraine mit der EU gründete. Der 64-Jährige sieht die Ukraine als einen föderalen Staat („der Föderalismus ist der einzige Weg, um das Land zu retten“), er würde die Beziehungen zwischen der Ukraine und Russland gerne auf freundschaftlicher Basis prägen – und er will, dass „die Ukraine nicht mehr aus Washington regiert wird.“ Kritiker befürchten, dass die Föderalisierung der Ukraine es Russland ermöglichen würde, die (Außen-)Politik des Landes durch russlandtreue regionale ukrainische Akteure zu beeinflussen. Angesichts dessen überrascht es nicht, dass Medwedtschuk von einigen Medien, unter anderem von Hromadske, oft als der wahre Botschafter Moskaus in der Ukraine genannt wird. Russland hat derzeit keinen Botschafter im Nachbarland.
Poroschenkos Zwickmühle um Medwedtschuk
Dass Medwedtschuk in Kyjiw mehr als nur umstritten ist, versteht sich von alleine. Dennoch ist er der häufige Gast in der Präsidialverwaltung von Petro Poroschenko. „Seine Arbeit im Sinne von Gefangenenaustausch ist effektiv“, sagt der ukrainische Präsident über seinen politischen Gegner. „Ich werde in dieser Hinsicht mit allen zusammenarbeiten, die dabei helfen, unsere Jungs nach Hause zu holen.“ Für das offizielle Kyjiw ist Medwedtschuk wegen seiner persönlichen Freundschaft mit Wladimir Putin de facto unersetzlich. Offen bleibt, was Medwedtschuk letztendlich erreichen will. Klar ist jedoch, dass der Einstieg des 64-Jährigen in die Politik Gefahr für seine Kontrahenten darstellt. Als Mitautor der ukrainischen Verfassung weiß Medwedtschuk ganz genau, dass das Parlament zumindest auf dem Papier das mächtigste Organ in der Ukraine ist – und wenn es ihm gelingt, die vermeintlich prorussische Opposition zu vereinen, könnte das eine reale Gefahr für den prowestlichen Kurs des Landes darstellen.
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