Achmetow gegen Medwedtschuk: Der Kampf um den Donbas
Nach den Kommunalwahlen 2020 hat der Oligarch Rinat Achmetow zum ersten Mal seit Jahrzehnten sein Machtmonopol im Donbas verloren. Doch auch die prorussische „Oppositionsplattform“ um den Putin-Verbündeten Wiktor Medwedtschuk kann kaum zufrieden sein. Dieser Zweikampf wird die Region zunächst prägen, während „Diener des Volkes“ des Präsidenten Selenskyj im Vergleich dazu eine geringe Rolle auf der Kommunalebene spielt. Von Denis Trubetskoy
Diesmal sind die Kommunalwahlen im von Kyjiw kontrollierten Teil des ostukrainischen Gebiets Donbas anders als noch vor fünf Jahren abgelaufen. Einerseits konnten die Menschen in einer Reihe von Bezirken und Städten nicht abstimmen. Angeblich konnten die Lokalbehörden die Sicherheit nicht gewährleisten. Im letzten Jahr fanden dort aber noch die Parlamentswahlen statt. Insgesamt durften etwa 500.000 Menschen im Vergleich zu 2020 nicht abstimmen. Andererseits hat sich die politische Ausgangslage deutlich verändert. Während früher Rinat Achmetow, der aus Donezk stammende reichste Mann des Landes, quasi das Machtmonopol hatte, muss er sich nun der starken Konkurrenz der prorussischen Partei „Oppositionsplattform – Für das Leben“ stellen.
Der Zweikampf kommt nicht von ungefähr. Gerade der Regierungsbezirk Donezk wird von Achmetow seit Ende der 90er Jahre nahezu vollständig kontrolliert, dabei kooperierte der Oligarch gerne mit den vor Ort beliebten russlandfreundlichen Politikern. Dies änderte sich auch nach der Maidan-Revolution 2014 nicht, denn Achmetow spielte in der neuen, vor Ort führenden Partei „Oppositionsblock“ eine Schlüsselrolle. Doch im Laufe der Zeit wurden die internen Spannungen größer. 2018 hat der russlandfreundlichere Flügel des „Oppositionsblockes“ sich der prorussischen Partei „Für das Leben“ angeschlossen. Monate zuvor war dieser der Unternehmer Wiktor Medwedtschuk beigetreten, ein persönlicher Freund des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Der Achmetow-nahe Teil war von dieser Entwicklung wenig begeistert. Während des Ausbruches des Donbas-Krieges im Frühjahr 2014 hat der mächtige Oligarch lange mit klarer Positionierung gezögert, mittlerweile spielt er im Konflikt mit Russland deutlich auf der Seite Kyjiws.
Bei der Parlamentswahl 2019 traten daher sowohl die „Oppositionsplattform“ als auch der „Oppositionsblock“ auf. Landesweit holte die prorussische Medwedtschuk-Partei, deren formelle Führungsfigur Jurij Bojko ist, den zweiten Platz, während der „Oppositionsblock“ es nicht in die Werchowna Rada schaffte. Auch im Bezirk Donezk sah der Ausgang eindeutig aus. Die „Oppositionsplattform“ bekam dort mehr als 40 Prozent und wurde zweitstärkste Kraft, der „Oppositionsblock“ holte lediglich etwas mehr als zehn Prozent. Doch die Kommunalwahlen haben in der Ukraine ihre eigenen Gesetze – und die landesweit erfolgreichen Parteien müssen bei diesen nicht zwingend erfolgreich sein. Trotzdem war es für die „Oppositionsplattform“ von enormer Bedeutung, den Erfolg vom letzten Jahr zu bestätigten, während Achmetow sich umorientierte und nicht mehr auf eine konkrete politische Kraft setzte.
Stattdessen pushte der Oligarch meist die amtierenden Bürgermeister aus dem eigenen Vertrautenkreis, die zum Teil ihre eigenen Projekte anführten. Sehr wichtig war dabei Mariupol, die größte Stadt der Region, die aktuell unter Kontrolle der ukrainischen Regierung steht. Vor fünf Jahren hat dort der noch nicht auseinandergefallene „Oppositionsblock“ mit großer Überlegenheit die absolute Mehrheit im Stadtrat geholt. Diesmal hat der Achmetow-nahe Bürgermeister Wadym Bojtschenko seinen eigenen Namensblock angeführt. Die Bürgermeisterwahl hat Bojtschenko mit fast 65 Prozent im ersten Wahlgang für sich entschieden, im Stadtrat hatte sein Block aber lediglich einen etwa achtprozentigen Vorsprung auf die „Oppositionsplattform“. Einerseits zeigte dies, dass nicht nur Bojtschenko als durchaus alternativloser Bürgermeister, sondern auch die weniger russlandfreundliche Agenda seiner Partei die Nase vorn hatte. Andererseits kann der Verbündete von Achmetow nicht mehr sorgenlos mit der absoluten Mehrheit im Rücken regieren und muss mit starkem Wettbewerb rechnen.
Zudem kassierte die „Oppositionsplattform“ an diesem Wochenende eine herbe Niederlage im wichtigen Slowjansk. Dort lag der aktuelle Bürgermeister Wadym Ljach doch mit rund 60 Prozent deutlich vor dem Kandidaten der Partei, obwohl dieser von der Drittplatzierten des ersten Wahlganges unterstützt wurde. Auch insgesamt lagen die Bürgermeisterkandidaten der Achmetow-nahen Kräfte öfters als die Konkurrenten vorne. Trotzdem stellt die „Oppositionsplattform“ nun sieben Bürgermeister im Regierungsbezirk Donezk. Als Partei war die Medwedtschuk-Vereinigung dennoch erfolgreicher. Sie ist nun stärkste Kraft in den meisten Stadt- sowie Kreisräten und auf allen Ebenen vertreten, was zuvor nicht der Fall war. Achmetow kann dagegen mit der neuen Partei “Ordnung“ punkten, die in sechs Stadträte eingezogen ist und in der wichtigen Stadt Pokrowsk mit ihren rund 60.000 Einwohnern sogar den ersten Platz belegte. Dies ist kein schlechter Anfang für das neue lokale Achmetow-Projekt. Der Erfolg der „Oppositionsplattform“ kann damit jedoch kaum gekontert werden.
Zum ersten Mal seit Jahrzehnten hat Rinat Achmetow, der mit seinen Energieunternehmen sowieso enormen Einfluss auf die Region hat, keine Kontrolle über den eigenen Bezirk Donezk mehr. Dies führt dazu, dass die „Oppositionsplattform“ sich seit Wochen zum großen Wahlsieger im Donbas stilisiert. Auch das stimmt wiederum nur bedingt, denn bei Bürgermeisterwahlen in den größeren Städten tendieren die Ukrainer generell dazu, für die aktuellen Machthaber zu stimmen. Dank der Dezentralisierungsreform hatten zudem die amtierenden Bürgermeister zusätzliche Mittel, um die Einwohner auf ihre Seite zu ziehen. Dennoch konnte sich die „Oppositionsplattform“ nicht wie gewünscht als alternativlose politische Kraft für die Region behaupten. Ein Triumph der prorussischen Kräfte ist das nicht. Ihr Einfluss wird jedoch nicht geringer. Und im Hinblick auf die nächsten Parlamentswahlen belegt die „Oppositionsplattform“ in fast allen Umfragen unverändert den zweiten Rang.
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