Oligarchen spielen, Achmetow gewinnt
Der reichste Mann der Ukraine konnte sich auch mit dem neuen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj anfreunden und hat sich nach Auffassung ukrainischer Medien als wichtigster Oligarch des Landes behauptet. Für Selenskyj ist Achmetow verlässlicher als dessen Erzrivale Ihor Kolomojskyj. Doch die Partnerschaft birgt auch Risiken. Von Denis Trubetskoy
Wenn es einen Superman unter den grauen Kardinälen der ukrainischen Politik gibt, dann ist das mit Sicherheit der reichste Mann der Ukraine – Rinat Achmetow. Und zwar nicht nur, weil er der Reichste ist. Denn formal betrachtet lief es zuletzt für den Oligarchen, der mit der Beteiligungsgesellschaft System Capital Management die ukrainische Kohle- und Stahlindustrie, darunter das Energiekonzern DTEK, kontrolliert, nicht so gut. Rund 3,6 Milliarden US-Dollar hat der gebürtige Donezker im vergangenen Jahr laut Forbes am Vermögen eingebüßt. Nach Angaben vom April 2020 ist Achmetow vom 272. auf den 875. Platz im Ranking der reichsten Männer der Welt gefallen. Trotzdem ist sein geschätztes Gesamtvermögen von 3,6 Milliarden US-Dollar mehr als doppelt so groß wie das des zweitplatzierten Oligarchen Wiktor Pintschuk (1,3 Milliarden US.Dollar). Aber für den 53-Jährigen sah es schon mal besser aus.
Achmetows sinkender Einfluss auf die Poltik
Ähnliches gilt für die Politik. Rinat Achmetow beherrscht wie kein anderer die Kunst, sich an jede Situation schnell anzupassen. Obwohl er Wiktor Janukowytsch unterstützte, hat der Oligarch sich nach der Orangen Revolution auch in der Amtszeit von Wiktor Juschtschenko gut zurechtgefunden. Gleiches gilt für die Ära nach der Maidan-Revolution. Einerseits konnte er die Folgen des Donbas-Krieges für sein Geschäftsimperium minimieren, obwohl die meisten Kohlegruben im Donbas vom Krieg betroffen sind. Andererseits war er in der Lage, auch mit dem Oligarchen-Kollegen und Präsidenten Poroschenko gute Beziehungen zu entwickeln.
Doch das Superwahljahr 2019 lief überhaupt nicht wie gewünscht.
Keiner seiner gewünschten Kandidaten, Petro Poroschenko inklusive, konnte sich bei der Präsidentschaftswahl behaupten. Und die von Achmetow vermutlich unterstützten Parteien Oppositionsblock (nicht mit der prorussischen Oppositionsplattform zu verwechseln), und Radikale Partei schafften es gar nicht ins Parlament.
Daher hat Achmetow im Parlament nur vereinzelte, direkt gewählte Abgeordnete sowie einige Politiker in den Fraktionen Diener des Volkes (Selenskyj) und Vaterland (Tymoschenko), die sich eher auf ihn orientieren. Nur bei sieben Abgeordneten lassen sich direkte Verbindungen zu Achmetow feststellen. Sein Einflussbereich dürfte jedoch etwas größer sein, im Vergleich zum vorherigen Parlament, aber er hat sich verringert, denn damals waren die Fraktionen des Oppositionsblocks und der Radikalen Partei stark mit ihm verbunden. Weil der umstrittene Oligarch Ihor Kolomojskyj Selenskyjs Präsidentschaftskandidatur unterstützte und darüber hinaus noch Achmetows Erzfeind ist, haben viele Beobachter zum ersten Mal mit einer seriösen Krise des aus Donezk stammenden Unternehmers gerechnet.
Auf dem Energiemarkt war zu sehen, dass diese Befürchtungen nicht grundlos waren. Denn etwa die Erlaubnis, die Stromeinfuhr aus Belarus und Russland zu erlauben, richtete sich stark gegen den Achmetow-Konzern DTEK – weil DTEK Strom zum höheren Preis als die Belorussen und Russen verkaufte. Es ging dabei gar nicht um große Strommengen, aber diese Konkurrenzsituation alleine bewirkte eine Verringerung der Preise. Davon haben große Energieverbraucher, darunter auch Kolomojskyjs Unternehmen, profitiert.
Unterstützung von ehemaligen DTEK-Managern?
Nun ist aber die Stromeinfuhr aus Belarus und Russland vorerst verboten, eine entsprechende Regelung gilt für die Zeit der Corona-Quarantäne und für 30 Tage danach. Die Einfuhr ist ohnehin aus offensichtlichen politischen Gründen umstritten, doch es gibt mehrere Hinweise darauf, dass diese Entscheidung auch extra zugunsten von Achmetow getroffen wurde. So heißt der neue Ministerpräsident der Ukraine ausgerechnet Denys Schmyhal, der vorher bei einigen DTEK-Unternehmen als Top-Manager arbeitete. Es muss aber gar nicht unbedingt sein, dass er direkt Achmetows Mann ist. Jedoch ist mit Ihor Maslow, ein weiterer DTEK-Manager, Energieberater Schmyhals. Spannender ist trotzdem etwas Anderes. Nachdem DTEKs Generaldirektor den vorläufigen Stopp einer großen Bergbaubetriebvereinigung Pawlodarwuhillja verkündete, wurde eine gewisse Olha Buslawez zur Interimsenergieministerin ernannt, obwohl noch im März für ihre Ernennung die notwendigen Stimmen im Parlament gefehlt hatten. Angeblich, weil sie zu Achmetow-nah ist.
Vorher hat Buslawez das Direktorat der Energiemärkte innerhalb des Energieministeriums geleitet und war angeblich auch für die für Achmetow günstige Preisformel verantwortlich, die in der Ukraine Rotterdam+ genannt wird. Außerdem hat sie einen Regierungsbeschluss erarbeitet, der einem DTEK-Unternehmen einen bedeutenden Rabatt beim Gaseinkauf beim staatlichen Konzern Naftohas sicherte.
Zum ersten Mal scheint der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj auf tatsächliche Vertraute eines Oligarchen zu setzen und dabei wohl die Balance zwischen den großen Spielern wie Achmetow, Pintschuk und Kolomojskyj zu pflegen.
Und wieder scheint Achmetow der große Gewinner zu sein, das erkennen auch Medien wie die Zeitschrift Novoe Wremija oder die Internet-Zeitung Ukrajinska Prawda, die zuletzt die neue Erfolgsstory des Donezker Oligarchen ausführlich dargestellt haben.
Achmetows Medienimperium
Doch man brauchte zuletzt gar nicht auf die komplizierten Hintergründe zu schauen, es reichte ein Blick ins Fernsehen. Der Achmetow-Sender TRK Ukrajina hat die stärkste Reichweite im Land, hinzugekommen ist zuletzt der Nachrichtensender Ukrajina 24. Nicht nur berichten diese über die großzügige Hilfe des Oligarchen im Kampf gegen das neuartige Coronavirus, die übrigens auch vom Präsidialbüro hoch geschätzt wird, sondern auch ist die Berichterstattung über Selenskyj und sein Regierungsteam durchaus komplementär. Darüber hinaus schaut der Präsident selbst immer öfter bei der Freitagabendtalkshow im TRK Ukrajina vorbei. Kolomojskyjs Sender 1+1, der vor einem Jahr maßgeblich zum Sieg Selenskyjs beitragen hat, rückt dabei in den Hintergrund. Für Selenskyj ist diese Wende auf den ersten Blick sogar durchaus nachvollziehbar.
Denn Achmetow ist anders als etwa Kolomojskyj – ein pragmatischer Spieler, der meist rationale Entscheidungen trifft.
Zudem hat er durch seine zahlreichen Wohltätigkeitsprojekte auch im Westen eine gewisse Akzeptanz. So finanziert die Rinat-Achmetow-Stiftung unter anderem den sogenannten Humanitären Stab im Donbas, der die Menschen auf beiden Seiten der Frontlinie etwa mit Essen versorgt. Eigenen Angaben zufolge wurden bisher über 12 Millionen Lebensmittelsets verteilt.
Allerdings ist es auch bei Achmetow nicht immer klar, was er genau vorhat. Sein Medienimperium unterstützte ganz offen die Kandidatur des georgischen Ex-Präsidenten Michail Saakaschwili zum Vizepremier für Reformen. Es ist unklar, inwiefern Achmetow davon profitieren wollte. Nachdem es nicht gelungen war, für Saakaschwili eine Mehrheit im Parlament zu mobilisieren, hat dieser einen Job als Vorsitzender des Exekutivkomitees beim ukrainischen Reformrat bekommen. Auch soll Achmetow sich laut mehreren ukrainischen Medien für die Rückkehr des Ex-Ministerpräsidenten Arsenij Jazenjuk in die große Politik eingesetzt haben. Ein Bericht der Medienseite Detector.Media zeigt eindrücklich, wie die von Achmetow kontrollierten Medien bereits seit Längerem PR für Jazenjuk machen.
All das sind Schritte, die bei der Stammwählerschaft von Selenskyj nicht so gut ankommen werden. Eine zu große Nähe zu Oligarchen wie Achmetow könnte Selenskyjs immer noch hohe Umfragewerte in Gefahr bringen. Und auch darauf muss der Präsident aufpassen.
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