Familie ist dort, wo man sich liebt – Love makes a family
Ein neues konservatives Bündnis zur Verteidigung der traditionellen Familienwerten im ukrainischen Parlament hat für Aufsehen im In- und Ausland gesorgt. In einem Gastbeitrag kommentieren die beiden Bündnis 90/Die Grünen Abgeordneten Omid Nouripour und Manuel Sarrazin dieses.
Als Freunde der Ukraine und Vorsitzender der Deutsch-Ukrainischen Parlamentariergruppe beziehungsweise Sprecher für Osteuropapolitik von Bündnis 90/Die Grünen haben wir in Deutschland die Gründung der Parlamentariergruppe „Werte. Würde. Familie.“ in der Werchowna Rada und ihre Zielsetzung aufmerksam verfolgt. Wir blicken gespannt auf die Arbeit der Gruppe und würden einen interparlamentarischen Dialog zum Thema begrüßen. In der Gesellschafts- und Familienpolitik ist unsere Position als Grüne eindeutig. Sie basiert auf den Menschenrechten sowie auf der Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Antidiskriminierung, Frauenrechte und Schutz von Minderheiten sind für uns kein nettes Beiwerk, sondern Grundlage der Demokratie und der europäischen Wertegemeinschaft. Jeder Mensch ist frei und hat die gleichen Rechte, die Würde eines jeden Menschen ist unantastbar.
„Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung“ heißt es in der deutschen Verfassung. Das deutsche Grundgesetz schreibt die Ehe nicht als Verbindung zwischen einer Frau und einem Mann fest und unterscheidet sich hier von der ukrainischen Verfassung. Wenngleich sich unsere konstitutionellen Voraussetzungen im Wortlaut unterscheiden mögen, die gesellschaftlichen Debatten samt ihrer Stigmata und Vorurteile sind und waren ähnlich. Die deutsche Gesellschaft ist einen langen Weg zur besseren Gleichberechtigung von Frauen, Männern, Homo- und Heterosexuellen gegangen und hat noch eine weite Strecke vor sich. Für uns Autoren gelten dabei die Prämissen, dass jede Frau und jeder Mann Rechte und gleiche Pflichten hat und vor allem Liebe die Grundlage einer ehelichen Beziehung zwischen Menschen bildet. Liebe, nicht das Geschlecht oder die sexuelle Identität. Liebe ist damit auch die Grundlage einer Familie: Love makes a family.
In Familien stehen Menschen sich nahe, sie lernen voneinander. Kinder können geborgen zu selbstbewussten Persönlichkeiten heranwachsen. Familien begleiten alte Menschen in der letzten Phase ihres Lebens. Für uns ist Familie überall da, wo Menschen füreinander Verantwortung übernehmen. Familie ist dort, wo man sich liebt. Die Zahl der Kinder, die in Deutschland in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften, sogenannten Regenbogenfamilien, aufwachsen, steigt stetig. Zunehmend werden auch Familiengründungen geplant und Familienformen gelebt, bei denen schwule und lesbische Paare sich zusammentun und mehrere Personen gemeinsam Verantwortung für die Erziehung und das Wohlergehen der Kinder übernehmen. All diese verschiedenen Familienformen machen unser Land attraktiver und freier. Sie stehen nicht nur im Einklang mit unserer Verfassung, sie leben den Auftrag der Verfassung. Sie stellen absolut keinerlei Bedrohung für die klassische Familie dar, sondern stärken den Familienbegriff innerhalb unserer Gesellschaft. Diese modernen Familienformen unterstreichen, dass alle Menschen zwar verschieden sind und lieben, aber eben in ihrer Vielfalt gleichermaßen Respekt und gleiche Rechte verdienen.
Die EU als Impulsgeber für Gleichberechtigung
Deutschlands Mitgliedschaft in der EU war und ist maßgeblich verantwortlich für diese Entwicklung. Die EU hat starke Impulse für Gleichberechtigung und gegen Diskriminierung gesetzt. So wäre es in Deutschland ohne die Antidiskriminierungsrichtlinien der EU nicht gelungen, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz durchzusetzen. Das von der EU formulierte Ziel, einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu schaffen, lässt sich somit auch auf die Antidiskriminierungspolitik ableiten.
Ein Auftrag unserer Wertegemeinschaft ist auch die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Partnergewalt. Deutschland hat hierzu die Istanbul-Konvention ratifiziert, die überall in Europa den Schutz vor Gewalt verbessern und einen Beitrag zur Beseitigung der Diskriminierung von Frauen leisten soll. Man sollte meinen, dass es in Europa Konsens sei, Frauen vor Gewalt zu schützen. Mit Besorgnis beobachten wir daher den Widerstand gegen die Ratifizierung der Konvention in der Ukraine. Als Freunde der Ukraine und als Partner des ukrainischen Annäherungsprozesses an die EU bleiben wir davon überzeugt, dass es unser gemeinsames Ziel bleiben muss, Gewalt gegen Frauen sowie Diskriminierung, die auf Geschlecht oder sexueller Identität basiert, zu beenden. Die Ratifizierung der Istanbul-Konvention bleibt ein überfälliger Schritt, den die Ukraine auf ihrem Weg Richtung EU gehen muss.
Wir freuen uns auf den interparlamentarischen, deutsch-ukrainischen Dialog über Werte, Würde und Familie und damit auch über Antidiskriminierung, Frauenrechte und den Schutz von Minderheiten – im Rahmen der Menschenrechte und der europäischen Wertegemeinschaft.
Der Artikel wurde zusammen von Manuel Sarrazin, Sprecher für Osteuropapolitik, und Omid Nouripour, Obmann im Auswärtigen Ausschuss, verfasst und erschien zuerst bei Novoe Vremya auf Ukrainisch.
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