Iwanna Klym­pusch-Zynzadse: EU-Inte­gra­to­rin aus Überzeugung

Foto: Imago Images

Iwanna Klym­pusch-Zynzadse ist Vor­sit­zende des Aus­schus­ses für euro­päi­sche und euroat­lan­ti­sche Inte­gra­tion im Par­la­ment. Nach Jahren im Ausland kehrte sie aus Über­zeu­gung in die Ukraine zurück und legte eine beacht­li­che Kar­riere hin. Viele Ent­schei­dun­gen, die Kyjiw in den letzten Jahren Brüssel näher­ge­bracht haben, sind ihr Verdienst.

Wer sich mit Iwanna Klym­pusch-Zynzad­ses Bio­gra­fie beschäf­tigt, kommt an ihrer Fami­li­en­ge­schichte nicht vorbei: Zwar ist die 51-jährige Poli­ti­ke­rin, die zwi­schen 2016 und 2019 Stell­ver­tre­tende Pre­mier­mi­nis­te­rin war und aktuell den Aus­schuss des ukrai­ni­schen Par­la­ments für die Inte­gra­tion der Ukraine in die Euro­päi­sche Union leitet, in Kyjiw geboren, doch reichen ihre Wurzeln bis tief in den Westen des Landes, nach Transkarpatien.

Dort ist ihr Groß­va­ter Dmytro Klym­pusch geboren, der zu den ersten ukrai­ni­schen Unter­neh­mern in der stark unga­risch gepräg­ten Region zählte, als einer der poli­ti­schen Köpfe der zwi­schen 1918 und 1919 kurz­zei­tig aus­ge­ru­fe­nen unab­hän­gi­gen Huzu­len­re­pu­blik fun­gierte und 1938 zum Ober­be­fehls­ha­ber der Kar­pa­ten­sit­sch gewählt wurde.

Trans­kar­pa­ti­sche Familiengeschichte

Nachdem die Sowjet­ar­mee 1944 Trans­kar­pa­tien erreichte, wurde Dmytro Klym­pusch erst­mals von den sowje­ti­schen Kräften fest­ge­nom­men. Anfang 1947 frei­ge­las­sen, wurde er nur wenige Monate später wieder ver­haf­tet und des ukrai­ni­schen Natio­na­lis­mus beschul­digt. Nach acht Lager­jah­ren nahe dem Bai­kal­see kehrte er mit ange­schla­ge­ner Gesund­heit zurück und ver­starb drei Jahre später. Sein Sohn Orest Klym­pusch ist ein pro­fi­lier­ter Diplo­mat und war unter anderem ukrai­ni­scher Bot­schaf­ter in Ungarn und in der Slowakei.

 Ambi­tio­nierte Reprä­sen­tan­tin der Ukraine im In- und Ausland

Iwanna Klym­pusch-Zynzadse hat sich als gelernte Sprach­the­ra­peu­tin und Über­set­ze­rin aus der eng­li­schen Sprache mit einem Master in Inter­na­tio­nale Bezie­hun­gen bereits in jungen Jahren ambi­tio­niert gezeigt; so hat sie etwa 1993 neben ihrem Studium an der Kyjiwer Dra­ho­ma­now-Uni­ver­si­tät auch an der Montana State Uni­ver­sity stu­diert. Direkt danach war sie für die NGO „Unab­hän­gi­ges ukrai­ni­sches Zentrum für poli­ti­sche For­schung“ in Kyjiw tätig, an dem sie zur Lei­te­rin der Abtei­lung für Inter­na­tio­nale Bezie­hun­gen auf­stieg. Davon abge­se­hen war sie in wei­te­ren Kyjiwer Orga­ni­sa­tio­nen mit außen­po­li­ti­scher Aus­rich­tung tätig, bevor sie ihren spä­te­ren Ehemann Art­schil Zynzadse auf einer Kon­fe­renz in der Schweiz kennenlernte.

„Ich reprä­sen­tierte die Ukraine, er Geor­gien“, erin­nert sich Klym­pusch-Zynzadse in einem Inter­view mit der Tages­zei­tung Volyn-nova. „Dann haben wir lange über Briefe kom­mu­ni­ziert – dadurch hat sich die Bezie­hung ent­wi­ckelt und gefes­tigt.“ Danach ging es für das Paar in die USA, wo Art­schil arbei­tete. Sie hei­ra­te­ten, bekamen ihre erste Tochter Solo­mija. Doch die heute 51-Jährige beschränkte sich bei Weitem nicht auf das Fami­li­en­le­ben. Erst arbei­tete sie als Kor­re­spon­den­tin der ukrai­ni­schen Redak­tion der BBC in den USA – und als das Paar nach Geor­gien zog, wo die zweite Tochter Mela­nija zur Welt kam, über­nahm sie die gleiche Funk­tion für die Kau­ka­sus­re­gion. Trotz­dem wollte Iwanna Klym­pusch-Zynzadse schon immer in die Ukraine zurückkehren.

Lieber zuhause: Rück­kehr nach Kyjiw

„Ich wollte unbe­dingt nach Hause, ich habe mein Zuhause sehr ver­misst“, erzählt die Poli­ti­ke­rin. „Ich bin meinem Mann sehr dankbar, dass er, als sich die Gele­gen­heit ergab in der Bot­schaft in Kyjiw zu arbei­ten, zustimmte […]. Er nahm die Ver­ant­wor­tung auf sich und hat seitdem ange­fan­gen, seine Kar­riere hier aufzubauen.“

Während Art­schil Zynzadse zwi­schen­zeit­lich sowohl als Berater des ukrai­ni­schen Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ters als auch des Minis­ter­prä­si­den­ten bei Fragen zur Ver­tei­di­gungs­re­form fun­gierte, nahm die Kar­riere seiner Frau 2011 richtig Fahrt auf, als sie zur Chefin von Yalta Euro­pean Stra­tegy (YES) wurde, einer vom Unter­neh­mer Wiktor Pint­schuk orga­ni­sier­ten inter­na­tio­na­len Kon­fe­renz, an der ukrai­ni­sche und aus­län­di­sche Poli­ti­ker und Unter­neh­mer teil­neh­men – und die seit der Kri­m­an­ne­xion durch Russ­land nicht mehr in Jalta, sondern in Kyjiw stattfindet.

Aus der Poro­schenko-Regie­rung in die Opposition

YES gilt als die mit Abstand wich­tigste inter­na­tio­nale Kon­fe­renz in der Ukraine – und weil Klym­pusch-Zynzadse als Chefin erfolg­reich war, über­raschte es nicht, dass der 2014 ins Amt gewählte Prä­si­dent Petro Poro­schenko sie in die Liste seiner Partei, damals Blok Petra Poro­schenka (Block Petro Poro­schenko) und heute Jew­ro­pe­jska Soli­dar­nist (Euro­päi­sche Soli­da­ri­tät), aufnahm.

Zunächst war sie Stell­ver­tre­tende Vor­sit­zende des Aus­wär­ti­gen Aus­schus­ses der Wer­chowna Rada, doch ab April 2016 stieg sie zur Stell­ver­tre­ten­den Pre­mier­mi­nis­te­rin für die euro­päi­sche und euroat­lan­ti­scher Inte­gra­tion auf – und war somit direkt an rich­tungs­wei­sen­den Ent­schei­dun­gen für die Ukraine betei­ligt. Das voll­stän­dige Inkraft­tre­ten des Asso­zi­ier­zungs­ab­kom­mens und des Frei­han­dels­ab­kom­mens mit der EU sowie das Mitte 2017 ein­ge­führte visa­freie Reisen in die EU-Länder gehören zwei­fel­los auch zu ihren Verdiensten.

„Ukraine in der NATO – das wäre die beste Antwort“

Nach Poro­schen­kos Wahl­nie­der­lage von 2019 wech­selte Klym­pusch-Zynzadse in die Oppo­si­tion und gehört wie ein Groß­teil der Par­tei­mit­glie­der von Euro­päi­sche Soli­da­ri­tät eher zu den pro­mi­nen­ten Kri­ti­kern von Prä­si­dent Wolo­dymyr Selen­skyj und seiner Regie­rungs­par­tei Diener des Volkes. Als Vor­sit­zende des Par­la­ments­aus­schus­ses für die EU-Inte­gra­tion der Ukraine reist sie trotz­dem ständig zu inter­na­tio­na­len Ver­an­stal­tun­gen – und argu­men­tiert nicht nur für den EU-Bei­tritt der Ukraine, sondern auch für ihre Mit­glied­schaft in der NATO.

„Wir befin­den uns in einer Situa­tion, in der wir vom Nord­at­lan­ti­schen Bündnis nicht weniger gebraucht werden, als wir es selbst brau­chen“, betont sie. „Die Ukraine in der NATO – schon jetzt, ohne das Ende des Krieges abzu­war­ten: Das wäre die beste Antwort auf das globale Übel, welches in der Achse Moskau-Peking-Teheran-Pjöng­jang Gestalt ange­nom­men hat.“ Wie rea­lis­tisch ein solches Sze­na­rio nun auch aus­se­hen mag: Viele der einst uner­reich­ba­ren Träume von Klym­pusch-Zynzadse, etwa die Ent­schei­dung zur Auf­nahme der Bei­tritts­ver­hand­lun­gen mit der EU, sind bereits Rea­li­tät geworden.

Portrait von Denis Trubetskoy

Denis Tru­bets­koy ist in Sewas­to­pol auf der Krim geboren und berich­tet als freier Jour­na­list aus Kyjiw.

 

 

 

 

 

 

 

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