„Grüner“ Wasserstoff aus der Ukraine: Derzeitige Kapazität und künftiges Potential
Die Ukraine verfügt über ein hohes Potential für die Erzeugung von „grünem“ Wasserstoff. Die Infografik von DiXi Group erklärt, welche Voraussetzungen für den Wasserstoffexport erfüllt werden müssen.
Diesen Text und die Infografik können Sie auf Englisch hier lesen.
Relevanz der „Wasserstoff“-Frage
Gemäß dem Europäischen Green Deal muss Wasserstoff-Energie von 2025 an bis 2030 den Hauptbestandteil des Energiesystems der EU ausmachen. Gleichzeitig muss die Kapazität der Elektrolyse-Anlagen auf mindestens 40 GW steigen, so die Vorgaben.
Die Ukraine ist ein unverzichtbarer Partner bei der Versorgung der Europäischen Union mit Wasserstoff. Daher sieht die Wasserstoffstrategie der EU eine Zusammenarbeit mit der Ukraine bei der Entwicklung erneuerbarer Energien vor. Zudem soll die Ukraine die Produktion von „grünem“ Wasserstoff voranbringen und sich in der Europäischen Allianz für sauberen Wasserstoff engagieren. Um „grünen“ Wasserstoff zu erzeugen, sollen in der Ukraine künftig 9,8 GW-Elektrolyseuren gebaut werden. So sieht es die „2×40-GW-Initiative“ von Hydrogen Europe vor. Das Vorhaben bietet der Ukraine die Chance, zu einem wichtigen Player bei der Verwirklichung der ehrgeizigen Ziele des europäischen Green Deals zu werden.
Verwirklichung der EU-Ziele im Kontext der ukrainischen Realitäten
Die Europäische Union geht davon aus, dass die Ukraine speziell „grünen“ Wasserstoff produzieren könnte. „Grüner“ Wasserstoff wird durch Elektrolyse von Wasser unter Verwendung von Strom aus erneuerbaren Energien hergestellt. Deshalb müssen wir die Kapazitäten von Solar- und Windkraftwerken (SPPs und WPPs) berechnen, die für die Produktion von „grünem“ Wasserstoff in der Ukraine erforderlich wären.
In seinem Bericht über die „2×40-GW-Initiative“ stellt Hydrogen Europe fest, dass die Ukraine bis 2030 eine Kapazität von 1,8 GW zur Herstellung von fast 1 Million Tonnen „grünen“ Ammoniak für den Inlandsmarkt bereitstellen könnte. Für den Export von „grünem“ Wasserstoff in die Europäische Union könnte das Land eine Kapazität 8 GW schaffen. Fachleute gehen davon aus, dass für Produktion und Export von 3 Millionen Tonnen „grünen“ Wasserstoffs etwa 32,5 GW benötigt werden. Bei einer Kapazität von 8 GW könnte die Ukraine demnach fast 738 Tausend Tonnen „grünen“ Wasserstoff produzieren.
Wind- und Solarkraftwerke haben jedoch einen geringeren Auslastungsgrad (ICUF) als Wasser- oder Kernkraftwerke. Deshalb müsste die Ukraine weitaus mehr Strom aus erneuerbaren Energien erzeugen, um die berechnete Menge an „grünem“ Wasserstoff zu liefern. Nach Berechnungen der Experten von Siemens Gamesa sind fast 13.000 GW SPP-Kapazität notwendig, um 550 Millionen Tonnen „grünen“ Wasserstoff pro Jahr zu produzieren (angenommen wird ein ICUF von 24 Prozent für ein Solarkraftwerk und ein Wirkungsrad des Elektrolysers von fast 79 Prozent). Die notwendige WPP-Kapazität würde 6200 GW betragenen (bei einem ICUF von 50 Prozent für ein Windkraftwerk).
Legt man die oben genannten Annahmen zugrunde, würde die Ukraine also fast 17,455 GW an SPPs oder 8,324 GW an WPPs benötigen, um 738 Tausend Tonnen „grünen“ Wasserstoff zu produzieren.
Zum Vergleich: Im November 2021 betrug die installierte Kapazität von SPPs in der Ukraine nur 6,226 GW, also fast dreimal weniger als erforderlich. Bei den WKK-Kraftwerken liegt die Kapazität bei 1,529 GW und damit mehr als fünfmal unter dem erforderlich Niveau.
Nach einem optimistischen Szenario des ukrainischen Energie-Unternehmens Ukrenergo, könnten Solar- und Windkraftanlagen bis 2035 immer noch ausreichende Kapazitäten von 18,5 GW (SPPs) und 11,7 GW (WPPs) erreichen. Insgesamt schätzen Experten das Potential der ukrainischen Solar- und Windenergieproduktion auf mindestens 537 GW (466 GW für WPPs und 71 GW für SPPs). Folglich könnte die Ukraine 45,401 Millionen Tonnen Wasserstoff produzieren, so die Annahmen.
Gleichzeitig weisen Branchenkenner darauf hin, dass nicht der gesamte Öko-Strom für die Produktion von „grünem“ Wasserstoff verwendet werden würde. Die Produktion von Wasserstoff wäre eher für große Kraftwerke wirtschaftlich sinnvoll.
Die Inlandsnachfrage nach „grünem“ Wasserstoff
Weiterhin sollte berücksichtigt werden, dass die Inlandsnachfrage nach Wasserstoff in der Ukraine steigen könnte. Grund dafür sind die Auswirkungen des Mechanismus zur Anpassung der Kohlenstoffgrenzen (CBAM). Das betrifft Teile der Metall- und Chemieindustrie bei der Herstellung von „grünem“ Stahl, Gusseisen und Ammoniumdünger. Die Metallindustrie exportiert 26 Prozent ihrer Produktion in die Europäische Union und hat den größten Bedarf an Dekarbonisierung. 94 Prozent des ukrainischen Stahls wird mit energieintensiven und veralteten Methoden unter Verwendung von Kohle hergestellt. Der fossile Energieträger könnte in Zukunft durch „grünen“ Wasserstoff ersetzt werden.
So wären zum Beispiel 1 Milliarde Tonnen „grüner“ Wasserstoff erforderlich, um die jährliche Stahlproduktion (20,6 Millionen Tonnen, Stand 2020) vollständig zu dekarbonisieren. Gehen wir davon aus, dass vorrangig „grüner“ Stahl (26 Prozent, d. h. 5,4 Millionen Tonnen) in die Europäische Union exportiert werden soll, dann wären 270 Millionen Tonnen „grüner“ Wasserstoff notwendig. Dafür wären Kapazitäten von 6400 GW an SPPs oder 3000 GW an WPPs erforderlich.
Fraglich ist, ob diese zusätzlichen Kapazitäten in einem relativ kurzen Zeitraum (bis 2030) in der Ukraine aufgebaut werden können. Derzeit gibt es in der Ukraine nämlich noch keine offizielle Strategie für die Erzeugung von Energie aus Wasserstoff. Es existiert lediglich ein Entwurf, der drei Phasen zur Umsetzung der rechtlichen und wirtschaftlichen Ziele bis 2029 vorsieht. Dieser Plan beinhaltet jedoch nicht die Ziele der „2×40-GW-Initiative“.
Land und Wasser als wichtige Ressourcen für die Produktion von „grünem“ Wasserstoff
Bei der Planung der Produktion von „grünem“ Wasserstoff muss neben den Kapazitäten von Solar- und Windkraftwerken auch die Flächennutzung berücksichtigt werden. Der Flächenbedarf ist im Wesentlichen abhängig vom Standort, den Technologien und dem Potential der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien. Daher wird der Flächenbedarf im Durchschnitt auf etwa 0,3 ha/MW für WPP und 1,6 ha/MW für SPPs geschätzt.
Je nach Technologie müssten in der Ukraine zwischen 2,5 Tausend und 28,2 Tausend Hektar Land für den Bau von Kraftwerken zur Verfügung stehen, um „grünen“ Wasserstoff zu produzieren. Zum Vergleich: Diese Fläche könnte zum Beispiel so groß sein wie das Gebiet von Wyschnewe (eine Stadt in der Region Kyjiw) bis zur Größe des Gebiets Mykolajiw (eine Stadt im Süden der Ukraine).
Es wäre demnach ausreichend Land vorhanden, um leistungsstarke Anlagen zur Erzeugung von Öko-Strom zu bauen. Insbesondere, wenn man die Möglichkeiten von Offshore-Kraftwerken in Betracht zieht. Berücksichtigt werden müssten jedoch auch die Besonderheiten jeder Region und ihr Potential für erneuerbare Energien.
Neben der Verfügbarkeit von Land ist der reibungslose Zugang zu Wasserressourcen wichtig, um Elektrolyseanlagen zur Herstellung von „grünem“ Wasserstoff zu betreiben.
Schätzungen zufolge beträgt der Gesamtverbrauch an Wasser zur Herstellung von Wasserstoff aus SPPs und WPPs im Durchschnitt etwa 22 bis 32 Liter pro Kilogramm Wasserstoff.
Folglich müsste die Ukraine je nach Technologie zwischen 16,25 und 23,63 Milliarden Liter Wasser pro Jahr aufwenden, um „grünen“ Wasserstoff herzustellen.
Gleichzeitig ist in der Ukraine weniger Wasser vorhanden, als in den meisten europäischen Ländern: Der Verfügbarkeiten-Indikator liegt etwa bei 1.000 Kubikmeter pro Einwohner. Wasser ist in der Ukraine unterschiedlich verteilt und die Verfügbarkeit hängt stark von den Regionen ab. Besonders im Süden herrscht Wasserknappheit.
Folglich sind die Wasserressourcen in der Ukraine sehr begrenzt. Das Land verfügt zwar über Meerwasser. Dieses müsste jedoch entsalzt werden, wodurch die Wasserstofferzeugung noch teurer werden würde.
Bei den oben genannten Berechnungen handelt es sich zwar um Schätzungen. Schon heute wird jedoch deutlich, dass sowohl die Inlandsnachfrage nach „grünem“ Wasserstoff (und dessen Folgeprodukten Ammoniak und Düngemittel), als auch der Export erheblichen Ressourcen benötigen würde. Dabei geht es nicht nur um verfügbare Flächen, sondern vor allem um Investitionen in Wind- und Solarenergie, die zur Stromerzeugung erforderlich wären. Vor allem aber werden Wasserressourcen benötigt, die aufgrund des Klimawandels noch knapper werden könnten.
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