Die Beziehungen zwischen den USA und der Ukraine unter Joe Biden
Die USA unterstützen zuverlässiger denn je die Ukraine. Doch die Selenskyj-Regierung muss stärker gegen Korruption und Oligarchen kämpfen. Sicherheit und innere Reformen bedingen einander.
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Der vor Kurzem erfolgte Besuch des US-Außenministers Antony Blinken in Kyjiw hat in der Ukraine und darüber hinaus einiges Interesse geweckt. Für beide Seiten – die USA und die Ukraine – war dies eine gute Gelegenheit, sich auf Augenhöhe zu begegnen und Botschaften und Signale auf direktem Weg zu versenden und zu empfangen. Die Agenda für die bilateralen Beziehungen wurde bereits vor dem Treffen festgelegt, und dennoch war die Symbolik des Besuchs von Blinken mit einer Botschaft der fortgesetzten Unterstützung (und vielleicht auch ein bisschen „Inspektion“) ein wichtiges, nicht zu unterschätzendes Zeichen.
Sicherheit und innere Reformen gehen Hand in Hand
Formal sind die Beziehungen zwischen den USA und der Ukraine die einer strategischen Partnerschaft. Dennoch gab es im Laufe der Jahre Höhen und Tiefen. Höhen vor allem, weil Washington Kyjiw bei seinen Versuchen, die Sicherheit zu verbessern und dringend benötigte (und oft stark verzögerte) Reformen einzuleiten, zur Seite stand. Die Intensität der Zusammenarbeit, das Ausmaß der amerikanischen Unterstützung haben seit 2014 dramatisch zugenommen, als Russland seine Aggression gegen die Ukraine startete.
Seit dieser Zeit ist die Position der USA die einer unerschütterlichen Unterstützung. Sie hat sich in diplomatischen Aktivitäten manifestiert, einschließlich derjenigen im UN-Sicherheitsrat und anderen internationalen Foren. Die US-Hilfe für die Ukraine beläuft sich seit 2014 auf insgesamt über 3,7 Mrd. $, plus drei staatliche Kreditgarantien in Höhe von 1 Mrd. $. Dies beinhaltet nun unter anderem die Lieferung von tödlichen Waffen.
Aber ein anderer wichtiger Bereich war immer die Innenpolitik der Ukraine, ihre Reformen, die wirtschaftliche Transformation, der Kampf gegen die Korruption. Hier gab es einige Erfolge und Fortschritte, aber auch genug Enttäuschungen, sowohl für die Ukrainer selbst als auch für ihre internationalen Partner, einschließlich der US-Amerikaner.
Die Dualität der amerikanischen Herangehensweise hat manchmal nicht mit den Vorstellungen der Entscheidungsträger in Kyjiw übereingestimmt. Deren bevorzugte Haltung war oft, dass Washington Unterstützung liefert, ohne allzu viele Fragen oder Bedingungen zu stellen. Dennoch ist es logisch, dass Washington diese beiden kritischen „Fronten“ – die gegen die russische Aggression und die innenpolitische – als miteinander verflochten ansieht, die sich gegenseitig beeinflussen.
Konsistenz und Kontinuität
Der amerikanische Ansatz und die Agenda wurden unter der Barack Obama-Regierung festgelegt. Trotz der Störmanöver von Donald Trump sind sie unter seiner Administration weitgehend beibehalten worden. Während Trump selbst oft auf seine eigene Art und Weise handelte, hielt sich der Rest seiner Administration größtenteils an die vorherigen Richtlinien der Ukraine-Politik und folgte dem etablierten Weg der Unterstützung.
Eine Episode, die auf beiden Seiten des Ozeans nachhallte, war sicherlich Trumps Versuch, Kyjiw dazu zu zwingen, in seinem Szenario der amerikanischen Innenpolitik mitzuspielen. Präsident Trump übte Druck auf Kyjiw aus, um die ukrainische Regierung zur Eröffnung von Ermittlungen über die Aktivitäten von Joe Biden und dessen Sohn Hunter zu bewegen. Dabei wurde die US-Sicherheitshilfe für die Ukraine auf Anordnung des Weißen Hauses für mehrere Monate blockiert. Die Empörung darüber hat zu ihrer Aufhebung und zu weiteren Untersuchungen der Episode im Kongress geführt, die in Trumps Amtsenthebungsverfahren im Repräsentantenhaus gipfelten. Diese, wenn auch relativ kurze Episode, hat das Vertrauen in die beiderseitigen Beziehungen etwas untergraben. Es hinterließ einen nachwirkenden Effekt, ein gewisses Trauma, nach dem die Menschen in Kyjiw ihren US-amerikanischen Amtskollegen nicht mehr voll vertrauen.
Doch nun gibt es keine Zweideutigkeit in der Haltung der Regierung von Joe Biden in Bezug auf die Ukraine. Die Worte entsprechen den Taten. Es herrscht Einigkeit innerhalb der Exekutive; der wichtige behördenübergreifende Konsens ist gegeben. Der Kongress, der die Ukraine-Politik maßgeblich vorangetrieben hat, unterstützt weiterhin die Ukraine und setzt die Politik der Bestrafung Russlands für seine Aggressionen fort.
Es war schon im Voraus bekannt, wie Joe Bidens Ukraine-Politik aussehen wird, selbst als er sich mitten im Präsidentschaftswahlkampf befand. Seit seinem Amtsantritt hat es keine Verschiebungen gegeben (wie es manchmal der Fall ist). Diese Politik ist tief verwurzelt in der Administration von Obama. Viele der aktuellen politischen Entscheidungsträger sind Veteranen dieser Administration, auch der Präsident selbst. Darüber hinaus war Biden während seiner achtjährigen Vizepräsidentschaft Washingtons Ansprechpartner in Bezug auf die Ukraine. Das ist noch gar nicht so lange her; die Erinnerungen und Überlegungen von damals sind noch frisch. Er hat ein einzigartiges Verständnis für die Ukraine und die Funktionsweise ihrer Politik und ihrer einflussreichsten Akteure gesammelt. Es bleibt abzuwarten, wie weit Biden persönlich in die Ukraine-Politik involviert sein wird, jetzt, wo er auf dem Präsidentenstuhl sitzt. Aber zweifellos wird er in strategischen Fragen seine Meinung äußern und einen Einfluss ausüben.
USA – der zuverlässige Sicherheitspartner
Der sicherheitspolitische Teil der Beziehung ist nach wie vor von entscheidender Bedeutung und in diesen Tagen sehr relevant. Die finanzielle Unterstützung der USA in dieser Hinsicht kommt der Ukraine sehr gelegen. Seit 2014 wurden viele Fortschritte bei der militärischen Vorbereitung der Ukraine gemacht. Und doch gibt es immer noch Schwachstellen, und die US-amerikanische Hilfe soll diese beheben. Das umfasst jetzt eine ganze Reihe von Aspekten, die unter anderem die Bedürfnisse der ukrainischen Marine und ihre Flugabwehrfähigkeiten einschließen. Die häufigen Anläufe von US-Marineschiffen in ukrainischen Häfen und verschiedene Trainingsübungen sind nützlich und senden die wichtige Botschaft, dass die Ukraine nicht allein ist. Dies bleibt jedoch ein höchst asymmetrischer Konflikt, in dem Russland der Ukraine zahlen- und ressourcenmäßig überlegen ist.
Dass Russland bereit ist, der Ukraine noch mehr Schaden zuzufügen, hat sich in letzter Zeit durch eine massive Konzentration russischer Truppen an den Grenzen der Ukraine gezeigt. Dies wurde zu einem der jüngsten (und ersten) Tests für die Biden-Administration. Wahrscheinlich war es auch, unter anderem, eine Botschaft an die kommende US-Regierung. Nicht nur Washington hat mit deutlicher Stimme, auch direkt mit Moskau, darüber gesprochen. Er hat auch eine intensive Abstimmung mit seinen transatlantischen Verbündeten vorgenommen. Das hat es zu Trump-Zeiten nicht gegeben. Es bleibt Bidens Absicht, diese Koordination aufrechtzuerhalten.
Der kürzlich erfolgte Blinken-Besuch hat die Gewissheit über die amerikanische Sicherheitsunterstützung für die Ukraine gestärkt. Das war auch schon vor dem Besuch mit vielen Erklärungen und praktischen Schritten klar genug. Aber mit dieser Botschaft nach Kyjiw selbst zu kommen, hat wahrscheinlich einen zusätzlichen Wert gehabt. Der Kongress ist gerade dabei, die „Ukraine Security Assistance Initiative“ einzuführen, die eine strategische Perspektive für die Unterstützung in den kommenden Jahren hat. Dieses neue Gesetz folgt einer Reihe von anderen, die darauf abzielen, die Ukraine zu weiterhin unterstützen. Es legt den Bedarf an strategischer Unterstützung im Bereich der Sicherheit für den Zeitraum von 2022 bis 2026 fest. Es fordert auch periodische Berichte der Exekutive über ihre Aktivitäten zur Unterstützung der Ukraine. Es schlägt vor, dass die USA diese Hilfe für die Ukraine mit ihren europäischen Verbündeten koordinieren. Es bietet auch an, die Position des Sonderbeauftragten für die Ukraine wieder einzurichten.
Innenpolitische Reformen dürfen nicht gefährdet werden
An der innenpolitischen „Front“ der Ukraine bleiben jedoch die offenen Fragen bestehen. Es gab eine gewisse Hoffnung auf den politischen Außenseiter Selenskyj, als er vor zwei Jahren an die Macht kam. Viel von dieser Hoffnung hat sich nun verflüchtigt. Einiges davon wurde während des jüngsten Blinken-Besuchs sichtbar. Die Aktivitäten zur Korruptionsbekämpfung scheinen oft ins Stocken zu geraten. Bei der Reform des Justizwesens gibt es keine spürbaren Fortschritte. Der jüngste Wechsel an der Spitze des größten ukrainischen Energieunternehmens „Naftogaz“, der abrupt und intransparent vollzogen wurde, ließ neue Zweifel aufkommen. Minister Blinken musste das Thema ansprechen, als er von der Notwendigkeit von mehr Transparenz in der Unternehmensführung sprach.
Der allgegenwärtige übermäßige Einfluss der ukrainischen Oligarchen wurde schon immer als Problem gesehen. Sie behindern den Fortschritt in der Ukraine, und das muss angegangen werden. Das ist allerdings leichter gesagt als getan. Dieses Mal beschränkte sich Washington nicht darauf, Kyjiw anzustupsen, dieses Problem anzugehen. Es bot tatsächlich eine helfende Hand an, initiierte den Prozess. Am sichtbarsten wurde dies im Fall der US-Sanktionen gegen den Oligarchen Igor Kolomoysky getan. Einige sehen in den jüngsten Sanktionen der ukrainischen Regierung gegen einen anderen Oligarchen – Wiktor Medwedtschuk – eine gewisse amerikanische Ermutigung (die vielleicht mit Selenskyjs innenpolitischer Agenda übereinstimmt).
Die Tagesordnung zwischen den USA und der Ukraine ist insgesamt anspruchsvoll. Der Dialog läuft auf einer täglichen, kooperativen Basis. Washington muss noch einige taktische Fragen entscheiden, wie zum Beispiel, wer neuer Botschafter der USA in Kyjiw sein wird, oder ob es eine neue Person auf der Position des US-Sonderbeauftragten für die Ukraine geben wird (die seit dem Rücktritt von Kurt Volker im September 2019 vakant war). Wann das erste Treffen zwischen den Präsidenten der beiden Länder stattfinden wird, ist zum Zeitpunkt des Schreibens dieser Zeilen noch nicht ganz klar.
Eines ist jedoch entscheiden, und das wurde durch den Blinken-Besuch bekräftigt: Die USA stehen fest an der Seite der Ukraine, sie sind bereit, die Führung der internationalen Unterstützungsbemühungen für die Ukraine zu übernehmen, aber sie werden die Ukraine auch dazu bringen, ihre eigenen Hausaufgaben zu machen und mit der dringend notwendigen Arbeit im inneren Bereich fortzufahren.
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