Prä­si­dent und Olig­arch – aus Freun­den werden Feinde?

© Sodel Vla­dys­lav & Sergei Chu­zav­kov /​ Shut­ter­stock

Der ukrai­ni­sche Olig­arch Ihor Kolo­mo­js­kyj wurde mit US-Sank­tio­nen belegt. Jetzt muss Prä­si­dent Wolo­dymyr Selen­skyj ent­schei­den, ob er gegen ihn vor­ge­hen will.

Am 5. März hat der neue US-Außen­mi­nis­ter Antony J. Blinken Sank­tio­nen gegen den ukrai­ni­schen Olig­ar­chen Ihor Kolo­mo­js­kyj und seine Ange­hö­ri­gen ange­kün­digt wegen der „Betei­li­gung an bedeu­ten­den Kor­rup­ti­ons­hand­lun­gen”. Diese Sank­tio­nen haben die Rolle der USA als Reform­trei­ber in der Ukraine wie­der­her­ge­stellt und machen deut­lich, dass der ukrai­ni­sche Prä­si­dent Wolo­dymyr Selen­skyj mehr tun muss um die Kor­rup­tion in seinem Land zu bekämp­fen. Der neue  Prä­si­dent Joe Biden hat früher schon häu­fi­ger die Rolle des Reform­trei­bers gespielt, während meh­re­rer Besuche in Kyjiw als Vize­prä­si­dent in der Obama-Admi­nis­tra­tion. Sein Aufruf, die Kor­rup­tion zu bekämp­fen, hat sowohl damals als auch jetzt große Reso­nanz in der Ukraine gefunden.

Diese Ent­wick­lun­gen bringen Selen­skyj in eine schwie­rige Posi­tion und stellen einen wich­ti­gen Test für seine Prä­si­dent­schaft dar. Offen gegen Olig­ar­chen auf­zu­tre­ten ist, das ist in der Ukraine immer noch poli­tisch gefähr­lich. Und Kolo­mo­js­kyj ist für Selen­skyj kein nor­ma­ler Olig­arch. Denn Selen­skyj ver­dankte seine Prä­si­dent­schaft in ent­schei­den­dem Maße Kolo­mo­js­kyjs Medi­en­im­pe­rium. Aus diesem Grund behaup­te­ten seine Kri­ti­ker, dass er nur eine Mario­nette des Olig­ar­chen sei. In letzter Zeit hat Selen­skyj aber ver­spro­chen, neue Maß­nah­men gegen Olig­ar­chen zu ergrei­fen. Jedoch haben das vor ihm viele ukrai­ni­sche Prä­si­den­ten schon gemacht, immer ohne durch­schla­gen­den Erfolg.

Die neuen US-Sank­tio­nen sind eher sym­bo­lisch als funk­tio­nal. Kolo­mo­js­kyj darf nun mit seiner Familie nicht mehr in die USA ein­rei­sen. Begrün­det werden die Maß­nah­men mit der „Betei­li­gung an Kor­rup­ti­ons­hand­lun­gen“ während Kolo­mo­js­ky­jis Amts­zeit in den Jahren 2014 und 2015 als Gou­ver­neur im Oblast Dni­pro­pe­trowsk, sowie mit der Ver­un­treu­ung von Geldern für den Erwerb von Immo­bi­lien in den USA.

Eigent­lich ist der Olig­arch besser bekannt für einen anderen Macht­miss­brauch. Zuvor kon­zen­trierte sich die Kritik an ihm auf die Geschäfts­pra­xis der Pri­vat­bank, die Kolo­mo­js­kyj 1992 mit­ge­grün­det hat. Die Bank war der größte Kre­dit­ge­ber der Ukraine und wurde 2016 ver­staat­licht, nachdem die Auf­sichts­be­hör­den ein „Loch“ in Höhe von 5,5 Mrd. USD in ihrer Bilanz gefun­den hatten. In Gerichts­ver­fah­ren, die mit den Sank­tio­nen nicht direkt ver­bun­den sind, unter­sucht die US-Bun­des­po­li­zei FBI auch US-Firmen, die Kolo­mo­js­kyj dabei gehol­fen haben sollen, Gewerbe- und Indus­trie­im­mo­bi­lien in Texas, Ken­tu­cky und Ohio zu erwer­ben. Diese Ver­fah­ren sind viel gefähr­li­cher für Kolo­mo­js­kyj als die jet­zi­gen Sanktionen.

Unter­schiede zwi­schen rus­si­schen und ukrai­ni­schen Oligarchen

Kolo­mo­js­kyj ist nicht der erste Olig­arch, gegen den die US-Behör­den vor­ge­hen, aber die Moti­va­tio­nen für Sank­tio­nen können unter­schied­lich sein. Rus­si­sche Olig­ar­chen werden bei­spiels­weise sank­tio­niert für das, was sie für den Staat tun, aber ukrai­ni­sche Olig­ar­chen für das, was sie dem Staat antun. Kolo­mo­jsky ist eine Art wilder und freier Olig­arch, wie es ihn in Russ­land gar nicht mehr gibt. Sowohl die rus­si­schen als auch die ukrai­ni­schen Olig­ar­chen haben ihre Geschäfts­im­pe­rien in den 1990er Jahren mit der Pri­va­ti­sie­rung staat­li­cher Ver­mö­gens­werte auf­ge­baut. Doch in Russ­land hat Prä­si­dent Wla­di­mir Putin die Olig­ar­chen gezwun­gen, für den rus­si­schen Staat zu arbei­ten. Olig­ar­chen, die das nicht machen wollten, wurden aus dem Land ver­trie­ben wie Boris Bere­sow­ski und Michail Chodorkowski.

Kolo­mo­js­kyj arbei­tet mit dem Staat nur zusam­men, wenn es seinen Inter­es­sen ent­spricht, und gegen den Staat, wenn dies nicht der Fall ist. Diese Ein­stel­lung führte 2015 zu einem Zusam­men­stoß mit einem anderen ukrai­ni­schen Olig­ar­chen, dem ehe­ma­li­gen Prä­si­den­ten Petro Poro­schenko, als Kolo­mo­js­kyj noch der Gou­ver­neur der Oblast Dni­pro­pe­trowsk war. Poro­schenko hat ihn ent­las­sen, und danach herrschte quasi Krieg zwi­schen den beiden und Kolo­mo­js­kyj ist ins frei­ge­wählte Exil gegan­gen (neben der ukrai­ni­schen besitzt er auch die israe­li­sche und zyprio­ti­sche Staats­bür­ger­schaft).

Alte Seil­schaf­ten

Dieser Kon­flikt mit Poro­schenko führte dazu, dass Kolo­mo­js­kyj sehr früh die poli­ti­sche Kam­pa­gne von Selen­skyj unter­stützt hat. Die Part­ner­schaft zwi­schen Kolo­mo­js­kyj und Selen­skyj hat im Medi­en­be­reich ange­fan­gen.  Selen­skyjs Pro­duk­ti­ons­un­ter­neh­men zeigten ihre Pro­gramme auf den Kanälen Kolo­mo­js­kyjs, ein­schließ­lich der überaus popu­lä­ren Serie “Diener des Volkes”, in dem Selen­skyj einen Lehrer spielte, der plötz­lich Prä­si­dent wird und gegen das von Olig­ar­chen domi­nierte System kämpft. Selen­skyj hat seine Wahl­kam­pa­gne auf diesen Cha­rak­ter auf­ge­baut. Als Selen­skyj seine Prä­si­dent­schafts­kam­pa­gne offi­zi­ell ange­kün­digte, tat er dies am Sil­ves­ter­abend auch auf einem Kanal Kolo­mo­js­kyjs. Der Kanal zeigte Selen­skyjs Ankün­di­gung anstelle der übli­chen Neu­jahrs­an­spra­che von Poro­schenko. Selen­skyj war auch der Syn­chron­spre­cher für die Stimme von Ronald Reagan in einem Doku­men­tar­film über dessen Prä­si­dent­schaft, der eben­falls von einem Kolo­mo­js­kyj-Kanal aus­ge­strahlt wurde.

Während der Kam­pa­gne hatten Jour­na­lis­ten von den Kanälen Kolo­mo­js­kyjs Zugang zu Selen­skyj, den andere Jour­na­lis­ten nicht hatten, und dabei haben sie ständig positiv über ihn berich­tet. Dies war ein Gegen­ge­wicht zu den Kanälen von Poro­schenko, die das gleiche für Poro­schenko gemacht haben.

Nachdem Selen­skyj die Wahl gewon­nen hatte, war die genaue Bezie­hung zwi­schen den beiden Männern nicht ganz klar. Das  Prä­si­di­al­amt hat Fotos von Kolo­mo­js­kyjs ersten Besuch ver­öf­fent­licht, was in den ukrai­ni­schen Medien aus­führ­lich kom­men­tiert wurde. Der erste Leiter der Prä­si­di­al­ver­wal­tung Selen­skyjs war Andrij Bohdan, der früher per­sön­li­cher Anwalt Kolo­mo­js­kyjs war. Aber Bohdan wurde im Februar 2020 ent­las­sen und durch einen engen Ver­bün­de­ten Selen­skyjs ersetzt. Am Anfang glaub­ten viele Beob­ach­ter, dass Selen­skyj die Pri­vat­bank an Kolo­mo­js­kyj zurück­ge­ben wird oder Ent­schä­di­gun­gen an ihn zahlt, aber das ist nicht passiert.

Mit Joe Bidens Hilfe könnte Selen­skyj endlich ernst­haft gegen die Olig­ar­chi­sie­rung kämpfen

In den letzten Wochen hat Selen­skyj eine stär­kere Bereit­schaft gezeigt, gegen Olig­ar­chen vor­zu­ge­hen. Am 2. Februar hat er drei pro-­rus­­si­­sche Fern­seh­sen­der blo­ckieren lassen, die dem Olig­ar­chen Wiktor Med­wedt­schuk gehören. Schon vor der Bekannt­gabe der Sank­tio­nen gegen Kolo­mo­js­kyj hat Selen­skyjs Pres­se­spre­che­rin Iuliia Mendel einen Artikel auf der Web­seite des US-ame­ri­ka­ni­schen Thinktank The Atlan­tic Council ver­öf­fent­licht mit der Über­schrift, “Selen­skyj will die Olig­ar­chen-Ära der Ukraine beenden”. In einem Inter­view sagte sie, dass die US-ame­ri­ka­ni­schen Sank­tio­nen gegen Kolo­mo­js­kyj kein Ende sind, sondern ein Anfang.

US-Sank­tio­nen wurden bereits einmal genutzt, um einen Kolo­mo­js­kyj-Anhän­ger los­zu­wer­den. Dies war der Fall bei Olex­an­der Dubin­skyj, der früher als Fern­seh­mo­de­ra­tor bei einem Fern­seh­ka­nal Kolo­mo­js­kyjs arbei­tete. 2019 war er Abge­ord­ne­ter von Selen­skyjs Partei „Diener des Volkes“ im ukrai­ni­schen Par­la­ment gewor­den. Im Januar wurde er wegen mög­li­cher Wahl­be­ein­flus­sung in den USA auf die US-Sank­ti­ons­liste gesetzt. Er war ver­bun­den mit den Bemü­hun­gen der Unter­stüt­zer des dama­li­gen Prä­si­den­ten Donald Trump, Joe Biden und dessen Sohn Hunter zu beschmut­zen. In März 2020 wurde er aus der Selen­skyj-Partei aus­ge­schlos­sen, mit aus­drück­li­cher Zustim­mung Selenskyjs.

Die Biden-Admi­nis­tra­tion hat ihren Wunsch gezeigt, die USA auf der Welt­bühne wieder zu eta­blie­ren. Weitere Sank­tio­nen gegen Kolo­mo­js­kyj werden wahr­schein­lich folgen. Diese Sank­tio­nen bieten Selen­skyj poli­ti­sche Rücken­de­ckung gegen Kolo­mo­js­kyj und andere ukrai­ni­sche Olig­ar­chen. Doch das Medi­en­im­pe­rium, von dem er zuvor pro­fi­tiert hatte, wird sich dann aller Wahr­schein­lich­keit nach gegen ihn wenden. Die Abge­ord­ne­ten der Frak­tion „Dieners des Volkes“, die Kolo­mo­js­kyj gegen­über loyal sind, werden noch mehr als bisher gegen Selen­skyj arbei­ten und die Partei weiter spalten. Aber Selen­skyj könnte zeigen, dass er sein eigener Herr ist und die Durch­füh­rung von Refor­men ernst nimmt.

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Portrait von Ian Bateson

Ian Bateson ist freier Jour­na­list und war Fellow beim Kennan Institute.

 

 

 

 

 

 

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