Wassyl Maljuk: Geheim­dienst­chef mit Erfahrung

Wassyl Maljuk
Foto: Ssu.gov.ua

Zwei Jahr­zehnte lang wurde der ukrai­ni­sche Inlands­ge­heim­dienst SBU von rus­si­schen Agenten durch­setzt und arbei­tete nur mäßig effek­tiv. Doch nachdem der 41-jährige Wassyl Maljuk die Leitung der Sicher­heits­be­hörde über­nahm, änderte sich das: Der SBU machte mit spek­ta­ku­lä­ren Aktio­nen auf sich auf­merk­sam, und Maljuk ver­diente sich den Respekt der welt­wei­ten Geheimdienstszene.

Nachdem Wolo­dymyr Selen­skyj im Früh­jahr 2019 zum Prä­si­den­ten gewählt wurde, traf er einige Per­so­nal­ent­schei­dun­gen ähnlich wie der Geschichts­leh­rer, den er zuvor in der Sati­re­se­rie „Diener des Volkes“ gespielt hatte. Der Geschichts­leh­rer aus der Serie hatte nach seiner über­ra­schen­den Wahl zum Prä­si­den­ten hohe staat­li­che Ämter mit engen Ver­trau­ten besetzt – und damit Erfolg.

Der echte Selen­skyj machte unmit­tel­bar nach seinem Amts­an­tritt Iwan Bakanow zum stell­ver­tre­ten­den Chef des Inlands­ge­heim­diens­tes SBU, einen Freund aus Kind­heits­ta­gen und seinen Partner bei der TV-Pro­duk­ti­ons­firma Kwartal 95, die „Diener des Volkes“ pro­du­ziert hatte. Wenige Monate später über­nahm Bakanow die Leitung der Sicher­heits­be­hörde ganz. Anders als in der Serie war diese Per­so­nal­ent­schei­dung aller­dings nicht beson­ders erfolgreich.

Zwar nannte Selen­skyj seinen Freund Bakanow vor dem umfas­sen­den rus­si­schen Angriff am 24. Februar 2022 noch den „ehr­lichs­ten SBU-Chef aller Zeiten“, obwohl dessen man­gelnde Erfah­rung und Pro­fes­sio­na­li­tät schon damals kri­ti­siert wurden. Am 17. Juli 2022 wurde Bakanow jedoch gemäß eines Arti­kels im Dis­zi­pli­nars­ta­tut der ukrai­ni­schen Streit­kräfte ent­las­sen, der mehr als ein­deu­tig klingt: „Nicht­er­fül­lung (unsach­ge­mäße Erfül­lung) dienst­li­cher Pflich­ten, die zu mensch­li­chen Opfern oder anderen schwer­wie­gen­den Folgen geführt oder die Gefahr solcher Folgen her­auf­be­schwo­ren hat“. Dem SBU unter der Führung von Bakanow wurde unter anderem vor­ge­wor­fen, die schlechte Arbeit der Sicher­heits­be­hörde habe zur über­ra­schend schnel­len Ein­nahme der süd­ukrai­ni­schen Groß­stadt Cherson durch die rus­si­sche Armee geführt.

Maljuk wollte schon als Schüler zum Geheimdienst

Bak­a­nows Nach­fol­ger wurde, zunächst inte­rims­weise, Wassyl Maljuk. Mit dem Mann aus der Region Schy­to­myr west­lich von Kyjiw begann ein neues Kapitel in der Geschichte des Inlands­ge­heim­diens­tes, der auch nach Beginn des Krieges Russ­lands gegen die Ukraine im Jahr 2014 stark von rus­si­schen Agenten durch­setzt geblie­ben war.

Der 41-Jährige wollte, wie er selbst sagt, schon seit der 9. Klasse Geheim­dienst­ler werden und habe sich seitdem auf diese Aufgabe vor­be­rei­tet. Maljuk stu­dierte Jura an der Natio­na­len Aka­de­mie des SBU in Kyjiw, ver­brachte den Groß­teil seiner Kar­riere beim SBU und nahm aktiv am Donbas-Krieg teil.

Als Russ­land am 24. Februar 2022 den umfas­sen­den Angriff auf die Ukraine begann, hatte Maljuk jedoch seit rund einer Woche die Posi­tion des stell­ver­tre­ten­den Innen­mi­nis­ters inne. Im Juli 2021 war er aus dem Inlands­ge­heim­dienst ent­las­sen worden, wo er seit März 2020 die Abtei­lung für den Kampf gegen Kor­rup­tion und orga­ni­sier­tes Ver­bre­chen gelei­tet hatte – offen­bar mit eher durch­wach­se­nem Ergebnis.

Ver­tei­di­gung von Kyjiw in den ersten Kriegstagen

Doch während sich Selen­s­kiys Freund Bakanow Gerüch­ten zufolge kurz nach der umfas­sen­den Inva­sion Russ­lands im Februar 2022 gar nicht mehr in Kyjiw auf­hielt, schloss sich Maljuk sofort den bewaff­ne­ten Truppen an und kämpfte bei Hosto­mel für die Ver­tei­di­gung der Haupt­stadt. In den ersten Tagen nach dem Groß­an­griff sorgte er mit dafür, Männer aus dem Umfeld des tsche­tsche­ni­schen Prä­si­den­ten Ramsan Kadyrow auf­zu­hal­ten, die mit dem Auftrag nach Kyjiw gekom­men waren, den ukrai­ni­schen Prä­si­den­ten zu töten. Dies bestä­tigte Wolo­dymyr Selen­skyj erst kürz­lich auf einer Pressekonferenz.

Dass der ukrai­ni­sche Prä­si­dent die­je­ni­gen sehr schätzt, die mit ihm zusam­men die ersten Tage nach dem Groß­an­griff durch­ge­stan­den haben, ist in Kyjiwer Kreisen bestens bekannt. Damit lässt sich auch manch umstrit­tene Per­so­nal­ent­schei­dung erklä­ren: Dass etwa der von der Zivil­ge­sell­schaft stark kri­ti­sierte stell­ver­tre­tende Chef der Prä­si­di­al­ver­wal­tung, Oleh Tatarow, weiter im Amt bleibt, hat mit großer Wahr­schein­lich­keit damit zu tun, dass dieser eben­falls an der Aktion gegen die tsche­tsche­ni­sche Truppe betei­ligt war.

Dass Selen­skyj Wassyl Maljuk schon am 28. Februar 2022 zum stell­ver­tre­ten­den Chef des SBU machte, war deshalb keine Über­ra­schung. Anders als im Falle von Tatarow, dessen Tätig­keit im ukrai­ni­schen Sicher­heits­ap­pa­rat unter Wiktor Janu­ko­witsch während der Maidan-Revo­lu­tion 2013/​2014 Fragen auf­wirft und gegen den Kor­rup­ti­ons­vor­würfe erhoben werden, wurde Maljuks Ernen­nung auf­grund von dessen Erfah­rung und effek­ti­ver Arbeits­weise kaum in Frage gestellt – ebenso wenig wie die Ent­schei­dung, ihn im Februar 2023 end­gül­tig zum SBU-Chef zu machen.

„Eine pro­fes­sio­nelle Ernen­nung, keine politische“

„Das ist eine pro­fes­sio­nelle Ernen­nung, keine poli­ti­sche“, betonte damals etwa der ehe­ma­lige stell­ver­tre­tende SBU-Leiter Olek­sandr Ski­palskyj. „Wassyl Maljuk hat [...] in seiner kurzen Zeit als amtie­ren­der Leiter des SBU genü­gend ent­schei­dende Schritte für die Sicher­heit der Ukraine unter­nom­men. Er weiß, dass man gegen Feinde ent­schlos­sen vor­ge­hen muss.“

Zu den Ope­ra­tio­nen, die Maljuk per­sön­lich zuge­schrie­ben werden, zählt etwa die Fest­nahme des pro­rus­si­schen Oppo­si­ti­ons­po­li­ti­kers und Olig­ar­chen Wiktor Med­wedt­schuk. Med­wedt­schuk, einem per­sön­li­chen Freund Wla­di­mir Putins, war nach dem rus­si­schen Angriff im Februar 2022 die Flucht aus dem Haus­ar­rest gelun­gen. Im April wurde er beim Versuch, die Ukraine zu ver­las­sen, vom Geheim­dienst fest­ge­nom­men und im Sep­tem­ber 2022 gegen etwa 200 gefan­gene ukrai­ni­sche Sol­da­ten ausgetauscht.

Spek­ta­ku­läre Aktio­nen des SBU unter Maljuk

Unter Maljuks Feder­füh­rung war der SBU im Oktober 2022 außer­dem an einem Anschlag auf die illegal gebaute Kertsch-Brücke betei­ligt, die vom rus­si­schen Fest­land zu der seit 2014 besetz­ten Halb­in­sel Krim führt und die dabei schwer beschä­digt wurde. Eben­falls auf Initia­tive des SBU wurde das Droh­nen­boot Sea Baby ent­wi­ckelt, mit dessen Hilfe seither mehr­fach Schiffe der rus­si­schen Schwarz­meer­flotte in der Bucht von Sewas­to­pol ange­grif­fen wurden. Der Ukraine ver­schaffte das die Mög­lich­keit, auch ohne Getrei­de­ab­kom­men erfolg­reich Getreide über den Seeweg zu expor­tie­ren, was für Kyjiw wirt­schaft­lich Gold wert ist.

Hol­ly­wood­filme sähen alt aus „ver­gli­chen mit dem, was bei uns pas­siert“, kom­men­tierte Wassyl Maljuk in einem Inter­view die Erfah­run­gen, die er und sein Geheim­dienst während des Krieges gemacht hätten. „Füh­rende west­li­che Geheim­dienste schät­zen unsere Arbeit. Nach einigen unserer Aktio­nen sagten mir ihre Leiter – und das sind in der Geheim­dienst­szene welt­weit bekannte Namen: ‚Wir lernen von euch.‘“

Portrait von Denis Trubetskoy

Denis Tru­bets­koy ist in Sewas­to­pol auf der Krim geboren und berich­tet als freier Jour­na­list aus Kyjiw.

 

 

 

 

 

 

 

 

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