Wie die Suche nach der eigenen Identität zum Aufstieg der Modeszene in der Ukraine beigetragen hat
Die Ukraine steht im globalen Trend der Entwicklung der Kulturwirtschaft, wobei insbesondere die lokale Modeindustrie zunehmend einen wichtigen Platz einnimmt. Der Wertverlust der ukrainischen Währung Hryvnia in den letzten Jahren, sowie die verstärkte Suche nach der eigenen Identität haben zu einer Ausbreitung des alten und „Geburt“ eines neuen ukrainischen Modedesigns geführt.
Eine 2018 veröffentlichte Studie der GIZ zeigte, dass die Ukraine in Deutschland als Land im Umbruch durch die vier K (Krim, Krieg, Krise, Korruption) gesehen wird. Hätte man ein fünftes, jedoch „positives K“ hinzugefügt, wäre es sicher die Kulturwirtschaft (creative industries) gewesen. Laut einer Aussage des ehemaligen Ministerpräsidenten Hrojsman machte die Kulturwirtschaft im Jahr 2018 4% des ukrainischen BIPs aus, was etwas weniger als die Versicherung- und Finanztätigkeiten (5,11%) aber mehr als das Bauwesen (2,67%) war. Im Juni letzten Jahres wurde eine Gesetzesänderung mit der rechtlichen Anerkennung des Begriffs „Kulturwirtschaft“ verabschiedet, worauf die Ausarbeitung der entsprechenden Richtlinien in diesem Bereich folgen sollen. Darüber hinaus steht die Ukraine im Trend, weil die globale Kulturwirtschaft einer der am schnellsten wachsenden Wirtschaftszweige ist. Innerhalb der ukrainischen Kulturwirtschaft nimmt die ukrainische Modeindustrie einen wichtigen Platz ein.
„Made in Ukraine“ entspricht der Kaufkraft und der kreativen Einstellung vieler Ukrainer am besten
2018 wurde die erste H&M Filiale in Kyjiw eröffnet. Ein langerwartetes Ereignis für das Land, in dem H&M mit guter Qualität und bezahlbarem Preis assoziiert wird. Und auch andere westliche Modemarken wie z. B. Zara, Mango, Massimo Dutti, Reserved, Bershka usw. sind seit Jahren in der Ukraine aktiv. Sie bekommen in der letzten Zeit jedoch zunehmend Konkurrenz von ukrainischen Designern bzw. einheimischen Marken. Der Wertverlust der ukrainischen Währung Hryvnia im Jahr 2014 und die verstärkte Suche nach der eigenen Identität in den letzten Jahren, haben die Nachfrage nach lokaler Kleidung von hiesigen Designern befeuert.
Seit September 2016 gibt es auf der Prachtmeile Kyjiws, dem Khreschatyk, das Geschäft „Vsi Svoji“, das heute auf drei Stockwerken Kleidung von fast 150 ukrainischen Marken verkauft. Das Warenangebot ist breit und richtet sich vor allem an die urbane Mittelschicht. Der Schwerpunkt vieler ukrainischer Designer liegt jedoch auf kreativer Straßenkleidung für Frauen. Als Antwort auf die Vorliebe der vielen Einwohner, verbinden die lokalen Designer in ihrer Kleidung oft die weltweiten Modetrends mit ethnischen Bestandteilen wie z. B. dem ukrainischen wyschywanka-Muster oder Zuschnitten alter traditioneller Kleidung aus den verschiedenen Landesteilen, was die Kleidungsstücke kreativ und einzigartig macht. Dieses Angebot spricht verschiedenste Käufergruppen an, da die Preise zum Teil deutlich niedriger sind als die der meisten etablierten westlichen Marken.
Diejenigen, für die der Preis nicht der Hauptgrund des Kaufes ist, versuchen durch den Kauf von „made in Ukraine“ ihre Zugehörigkeit und Unterstützung der lokalen Produzenten zu zeigen. Menschen drücken sich mit Hilfe von Kleidung aus. Was die Menschen tragen, zeigt oft, was die Menschen fühlen und wer sie sind. In unserem Fall werden Kleidungsstücke ukrainischer Designer oft von der Kreativklasse und Menschen ausgewählt, die ihre Zugehörigkeit zur Ukraine als symbolische Geste zeigen wollen.
Die Mischung der Kleidung aus den westlichen Märkten und Modelabels und „made in Ukraine“ ist in den letzten Jahren zu einer eigenen Mode geworden, was oft zu der Debatte über die Existenz eines sogenannten „Kyiv Style“ führt. „Vsi Svoi“ ist jedenfalls ein „must visit place“ für die ausländischen Touristen in Kyjiw. Viele der ausländischen Touristen finden vor allem die Preise für die handgemachten Schmuck und Lederwaren sehr attraktiv.
Soft power der ukrainischen Modeindustrie
Natürlich existierte die ukrainische Modeindustrie auch schon vor 2014. Seit 1997 wird zwei Mal im Jahr die Ukrainian Fashion Week, die erste Modewoche in ganz Osteuropa, die dem Weltstandard prêt-à-porter entspricht, durchgeführt. Die Modewoche zeigt ca. 40 Kleidungskollektionen von schon bekannten, jedoch auch von noch jungen ukrainischen Designern und lädt Gäste aus der ganzen Modewelt hinzu. Zu den bekanntesten ukrainischen Designern heute gehören vor allem Liliya Poustovit, Liliya Litkovskaya, Viktoria Gres, Andre Tan und Vita Kin. Auch die ehemalige First Lady Maryna Poroschenko trug gerne Kleidungsstücke der oben genannten und anderen ukrainischen Designern bei offiziellen Auftritten im Inland und Ausland. Und sogar Hollywoodstars wie beispielsweise Rihanna trugen bereits Kleidungsstücke ukrainischer Designer.
Schaut man sich die Kollektionen der ukrainischen Designer genauer an, stellt man fest, dass die Europäisierungsprozesse der letzten Jahre auch die lokale Mode stark beeinflusst haben. Zusammen mit Westeuropa bewegt sich auch die ukrainische Mode in Richtung der Bequemlichkeit und Zweckmäßigkeit. Mit einer solchen Einstellung und mit dem Stilgefühl der Ukrainer ist es manchen ukrainischen Designer wie z. B. Vovk und MustHave gelungen, von einem kleinen Show Room zu Ladenketten im ganzen Land zu expandieren.
Es ist sicher nur der Anfang der Entwicklung der lokalen Modeindustrie und wer weiß, vielleicht entwickelt sich Kyjiw in Zukunft in das osteuropäische Milan oder Paris. Die Ambitionen dazu sind jedenfalls schon spürbar.
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