Wie die Suche nach der eigenen Iden­ti­tät zum Auf­stieg der Mode­szene in der Ukraine bei­getra­gen hat

Die Ukraine steht im glo­ba­len Trend der Ent­wick­lung der Kul­tur­wirt­schaft, wobei ins­be­son­dere die lokale Mode­indus­trie zuneh­mend einen wich­ti­gen Platz ein­nimmt. Der Wert­ver­lust der ukrai­ni­schen Währung Hryvnia in den letzten Jahren, sowie die ver­stärkte Suche nach der eigenen Iden­ti­tät haben zu einer Aus­brei­tung des alten und „Geburt“ eines neuen ukrai­ni­schen Mode­de­signs geführt.

Portrait von Julia Skok

Julia Skok stu­dierte Deutsch­land- und Euro­pa­stu­dien in Jena und Kyjiw und arbei­tet seit Mai 2016 als wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­te­rin bei der Konrad-Ade­nauer-Stif­tung in Kyjiw. 

Eine 2018 ver­öf­fent­lichte Studie der GIZ zeigte, dass die Ukraine in Deutsch­land als Land im Umbruch durch die vier K (Krim, Krieg, Krise, Kor­rup­tion) gesehen wird.  Hätte man ein fünftes, jedoch „posi­ti­ves K“ hin­zu­ge­fügt, wäre es sicher die Kul­tur­wirt­schaft (crea­tive indus­tries) gewesen. Laut einer Aussage des ehe­ma­li­gen Minis­ter­prä­si­den­ten Hro­js­man machte die Kul­tur­wirt­schaft im Jahr 2018 4% des ukrai­ni­schen BIPs aus, was etwas weniger als die Ver­si­che­rung- und Finanz­tä­tig­kei­ten (5,11%) aber mehr als das Bau­we­sen (2,67%) war. Im Juni letzten Jahres wurde eine Geset­zes­än­de­rung mit der recht­li­chen Aner­ken­nung des Begriffs „Kul­tur­wirt­schaft“ ver­ab­schie­det, worauf die Aus­ar­bei­tung der ent­spre­chen­den Richt­li­nien in diesem Bereich folgen sollen. Darüber hinaus steht die Ukraine im Trend, weil die globale Kul­tur­wirt­schaft einer der am schnells­ten wach­sen­den Wirt­schafts­zweige ist. Inner­halb der ukrai­ni­schen Kul­tur­wirt­schaft nimmt die ukrai­ni­sche Mode­indus­trie einen wich­ti­gen Platz ein.

„Made in Ukraine“ ent­spricht der Kauf­kraft und der krea­ti­ven Ein­stel­lung vieler Ukrai­ner am besten

2018 wurde die erste H&M Filiale in Kyjiw eröff­net. Ein lang­erwar­te­tes Ereig­nis für das Land, in dem H&M mit guter Qua­li­tät und bezahl­ba­rem Preis asso­zi­iert wird. Und auch andere west­li­che Mode­mar­ken wie z. B. Zara, Mango, Massimo Dutti, Reser­ved, Bershka usw. sind seit Jahren in der Ukraine aktiv. Sie bekom­men in der letzten Zeit jedoch zuneh­mend Kon­kur­renz von ukrai­ni­schen Desi­gnern bzw. ein­hei­mi­schen Marken. Der Wert­ver­lust der ukrai­ni­schen Währung Hryvnia im Jahr 2014 und die ver­stärkte Suche nach der eigenen Iden­ti­tät in den letzten Jahren, haben die Nach­frage nach lokaler Klei­dung von hie­si­gen Desi­gnern befeuert.

Seit Sep­tem­ber 2016 gibt es auf der Pracht­meile Kyjiws, dem Khres­cha­tyk, das Geschäft „Vsi Svoji“, das heute auf drei Stock­wer­ken Klei­dung von fast 150 ukrai­ni­schen Marken ver­kauft. Das Waren­an­ge­bot ist breit und richtet sich vor allem an die urbane Mit­tel­schicht. Der Schwer­punkt vieler ukrai­ni­scher Desi­gner liegt jedoch auf krea­ti­ver Stra­ßen­klei­dung für Frauen. Als Antwort auf die Vor­liebe der vielen Ein­woh­ner, ver­bin­den die lokalen Desi­gner in ihrer Klei­dung oft die welt­wei­ten Mode­trends mit eth­ni­schen Bestand­tei­len wie z. B. dem ukrai­ni­schen wyschy­wanka-Muster oder Zuschnit­ten alter tra­di­tio­nel­ler Klei­dung aus den ver­schie­de­nen Lan­des­tei­len, was die Klei­dungs­stü­cke kreativ und ein­zig­ar­tig macht. Dieses Angebot spricht ver­schie­denste Käu­fer­grup­pen an, da die Preise zum Teil deut­lich nied­ri­ger sind als die der meisten eta­blier­ten west­li­chen Marken.

Die­je­ni­gen, für die der Preis nicht der Haupt­grund des Kaufes ist, ver­su­chen durch den Kauf von „made in Ukraine“ ihre Zuge­hö­rig­keit und Unter­stüt­zung der lokalen Pro­du­zen­ten zu zeigen. Men­schen drücken sich mit Hilfe von Klei­dung aus. Was die Men­schen tragen, zeigt oft, was die Men­schen fühlen und wer sie sind. In unserem Fall werden Klei­dungs­stü­cke ukrai­ni­scher Desi­gner oft von der Krea­tiv­klasse und Men­schen aus­ge­wählt, die ihre Zuge­hö­rig­keit zur Ukraine als sym­bo­li­sche Geste zeigen wollen.

Die Mischung der Klei­dung aus den west­li­chen Märkten und Mode­la­bels und „made in Ukraine“ ist in den letzten Jahren zu einer eigenen Mode gewor­den, was oft zu der Debatte über die Exis­tenz eines soge­nann­ten „Kyiv Style“ führt. „Vsi Svoi“ ist jeden­falls ein „must visit place“ für die aus­län­di­schen Tou­ris­ten in Kyjiw. Viele der aus­län­di­schen Tou­ris­ten finden vor allem die Preise für die hand­ge­mach­ten Schmuck und Leder­wa­ren sehr attraktiv.

Soft power der ukrai­ni­schen Modeindustrie

Natür­lich exis­tierte die ukrai­ni­sche Mode­indus­trie auch schon vor 2014. Seit 1997 wird zwei Mal im Jahr die Ukrai­nian Fashion Week, die erste Mode­wo­che in ganz Ost­eu­ropa, die dem Welt­stan­dard prêt-à-porter ent­spricht, durch­ge­führt. Die Mode­wo­che zeigt ca. 40 Klei­dungs­kol­lek­tio­nen von schon bekann­ten, jedoch auch von noch jungen ukrai­ni­schen Desi­gnern und lädt Gäste aus der ganzen Mode­welt hinzu. Zu den bekann­tes­ten ukrai­ni­schen Desi­gnern heute gehören vor allem Liliya Pous­to­vit, Liliya Lit­kovs­kaya, Vik­to­ria Gres, Andre Tan und Vita Kin. Auch die ehe­ma­lige First Lady Maryna Poro­schenko trug gerne Klei­dungs­stü­cke der oben genann­ten und anderen ukrai­ni­schen Desi­gnern bei offi­zi­el­len Auf­trit­ten im Inland und Ausland. Und sogar Hol­ly­wood­stars wie bei­spiels­weise Rihanna trugen bereits Klei­dungs­stü­cke ukrai­ni­scher Designer. 

Schaut man sich die Kol­lek­tio­nen der ukrai­ni­schen Desi­gner genauer an, stellt man fest, dass die Euro­päi­sie­rungs­pro­zesse der letzten Jahre auch die lokale Mode stark beein­flusst haben. Zusam­men mit West­eu­ropa bewegt sich auch die ukrai­ni­sche Mode in Rich­tung der Bequem­lich­keit und Zweck­mä­ßig­keit. Mit einer solchen Ein­stel­lung und mit dem Stil­ge­fühl der Ukrai­ner ist es manchen ukrai­ni­schen Desi­gner wie z. B. Vovk und Must­Have gelun­gen, von einem kleinen Show Room zu Laden­ket­ten im ganzen Land zu expandieren.

Es ist sicher nur der Anfang der Ent­wick­lung der lokalen Mode­indus­trie und wer weiß, viel­leicht ent­wi­ckelt sich Kyjiw in Zukunft in das ost­eu­ro­päi­sche Milan oder Paris. Die Ambi­tio­nen dazu sind jeden­falls schon spürbar.

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