Oksana Sabuschko: Schriftstellerin und Ikone des ukrainischen Feminismus
Mit ihren Romanen „Feldstudien über ukrainischen Sex“ und „Museum der vergessenen Geheimnisse“ begeistert die aus der Westukraine stammende Autorin Oksana Sabuschko auch das internationale Publikum. In der Ukraine revolutionierte sie nicht nur den Buchmarkt – sie ist auch eine Ikone des Feminismus.
Kaum eine ukrainische Autorin wurde so oft in fremde Sprachen, unter anderem ins Deutsche, übersetzt wie die heute 63-jährige Oksana Sabuschko. Ihr 1996 erschienener Roman „Feldstudien über ukrainischen Sex“ gilt als erster Bestseller der unabhängigen Ukraine und als das meistübersetzte ukrainische Prosawerk überhaupt, und verlieh dem lokalen Buchmarkt damals einen großen Schub. Es handelte sich um einen für die damalige Zeit einzigartigen Roman, der gleichzeitig die Komplexität der ukrainischen Identität verhandelt, der Subjektivität ukrainischer Frauen besonders Raum verleiht – und freizügige Erotikszenen beinhaltet.
Feministischer Tabubruch und historische Familiensaga
Der teils autobiografische Roman – als Tabubruch erntete er natürlich auch viel Kritik – hat eine ganze Generation junger ukrainischer Frauen inspiriert, die kurz nach dem Zerfall der Sowjetunion und unter dem weiterhin großen russischen Einfluss nach Identifikationsfiguren suchten. „Wichtiger als diese Bombe ist nur die Atombombe“, schrieb damals die einflussreiche Zeitung Den („Der Tag“).
Auch Sabuschkos anderer international bekannter Roman „Museum der vergessenen Geheimnisse“ (2009) zeigt, wofür Sabuschko als Schriftstellerin und als öffentliche Person steht: Die Familiensaga aus Sicht einer Journalistin, die sich mit der Geschichte einer ukrainischen Partisanin beschäftigt, beleuchtet sowohl die Ukraine im Zweiten Weltkrieg als auch die unterdrückte ukrainische Nationalbewegung in der Sowjetunion in den 1970er Jahren als auch die schließlich erkämpfte Unabhängigkeit des Landes.
Repressionserfahrung von Sabuschkos Familie
Wenn die aus dem westukrainischen Luzk stammende Kulturwissenschaftlerin und Philosophin über die Unterdrückung der ukrainischen Identität in der Sowjetzeit schreibt, verhandelt sie Themen, die ihre nächsten Angehörigen teils am eigenen Leibe erfahren mussten. Ihr Vater Stefan Sabuschko, ein bekannter Literaturkritiker, Lehrer und Übersetzer, war in der Stalin-Ära Repressionen ausgesetzt und sechs Jahre lang am anderen Ende der Sowjetunion in der Region Transbaikalien in Lagerhaft. Auch nach seiner Rückkehr in die Westukraine blieb das Leben der Sabuschko-Familie kompliziert.
Als im September 1965 in Luzk eine neue Repressionswelle gegen ukrainische Intellektuelle begann, musste Sabuschkos Vater nach Kyjiw fliehen. Doch auch dort geriet er mit der Zeit ins Visier des KGB, wurde aus der Universität, an der er lehrte, entlassen, konnte keine Arbeit finden und wurde überall abgelehnt. Schließlich wurde er als Wachmann in einer Fabrik zwangseingestellt. „Mein Vater […] durchlief alle neun Danteschen Höllenkreise eines typischen ukrainischen Intellektuellen […] seiner Zeit“, sagt Sabuschko dazu.
Erschwerter Aufstieg und literarischer Erfolg
Als Tochter eines Repressierten hatte auch Oksana Sabuschko es nicht leicht. So wurde ihr der Zugang zum Studium an der Kyjiwer Taras-Schewtschenko-Universität erschwert – und als sie dann grünes Licht für das Studium erhalten hatte, wurde sie an der Uni vermutlich über Jahre hinweg vom KGB beobachtet. Bereits einige Jahre vor ihrem Studienabschluss 1982 war ihr druckfertiger erster Gedichtband aus der Produktion genommen worden. So wurde Sabuschkos erstes Buch erst 1985 veröffentlicht. 1987 schließlich wurde sie in den Schriftstellerverband der Sowjetunion aufgenommen und schloss sie ihre Promotion ab. Bis 1996 lehrte Sabuschko überwiegend an verschiedenen Einrichtungen, zeitweise auch in den USA, bis sie schließlich ihren Debütroman „Feldstudien über ukrainischen Sex“ veröffentlichte und sich endgültig überwiegend dem Schreiben widmete.
Immer wieder äußerte sich Sabuschko zu politischen Themen – und unterstützte sowohl die Orange Revolution 2004 als auch die Maidan-Revolution 2013/2014. Trotz zahlreicher Angebote lehnte sie jedoch den direkten Einstieg in die Politik ab. So reagierte sie trotz ihrer Unterstützung der Orangen Revolution nicht mit Begeisterung auf den Vorschlag, 2006 für die Partei des Präsidenten Wiktor Juschtschenko zu kandidieren.
International gefragt: Verfechterin der ukrainischen Position
Seit Beginn der russischen Großoffensive am 24. Februar 2022 ist Sabuschko, die es in der Kategorie „Kultur und Bildung“ im Jahr 2023 auf die BBC-Liste „100 Frauen“ schaffte, noch häufiger als früher im Ausland unterwegs. Dabei ist ihr viel daran gelegen, die ukrainische Position menschlich und überzeugend darzustellen.
„Ein Krieg für die ukrainische Unabhängigkeit – […] 2014 wurde das noch als eine Art Metapher wahrgenommen, aber seit dem 24. Februar 2022 ist es für alle offensichtlich“, sagte sie gegenüber Radio Swoboda im Interview zum letztjährigen ukrainischen Unabhängigkeitstag. „Der Menschheit steht ein Jahrzehnt wichtiger Neuformatierungen, großer geopolitischer Veränderungen und Umwälzungen bevor. Das ist nicht nur ein ukrainischer Krieg.“
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