Oksana Markarowa: Finanzexpertin und Spitzendiplomatin
Eigentlich ist Oksana Markarowa vor allem für ihre Kompetenz im Bereich Finanzen bekannt – kaum jemand in der ukrainischen Wirtschaft, der sie nicht kennt. Als sie jedoch vor dreieinhalb Jahren zur Botschafterin in den USA ernannt wurde, erwies sich dies als eine der besten Entscheidungen der Kyjiwer Diplomatie. Jüngst trug Makarowa entscheidend mit dazu bei, eine monatelange Blockade im US-Kongress zu überwinden. Dadurch konnten im April endlich weitere Finanzhilfen der USA für die Ukraine verabschiedet werden.
Oksana Markarowa stammt aus dem westukrainischen Riwne und hatte ursprünglich wenig mit Diplomatie zu tun: Sie studierte zunächst Ökologie an der Kyjiwer-Mohyla-Akademie, danach internationale öffentliche Finanzen an der Indiana University im US-amerikanischen Bloomington. Von 2018 bis 2020 war sie Finanzministerin der Ukraine. Als Finanzexpertin mit reichlich internationaler Erfahrung fand sie schnell Anerkennung auch über die Grenzen des Landes hinaus.
Prominente diplomatische Vertreterin der Ukraine
Inzwischen ist die 47-Jährige vor allem in ihrer neuen diplomatischen Rolle prominent – und zwar derart, dass sie als eine der stärksten Botschafterinnen der Ukraine gilt. Abgezeichnet hatte sich dies gleich zu Beginn ihrer Amtszeit: Üblicherweise sprechen hochrangige Staatsvertreter nicht offen über Kandidaten für Botschafterposten, bevor das Gastgeberland nicht selbst sein Einverständnis für die entsprechende Personalie gegeben hat. Im Falle von Markarowa aber war das anders: Außenminister Dmytro Kuleba informierte die Öffentlichkeit bereits im Voraus über Markarowas zukünftigen Posten in Washington – und erhielt dafür binnen kürzester Zeit das Einverständnis aus den USA. „Dass Washington so schnell [unserem Vorschlag für den] Botschafterposten zugestimmt hat, ist beispiellos“, kommentierte Kuleba Ende 2020. Es war ein klares diplomatisches Signal der US-Regierung, die die zukünftige Botschafterin von Anfang an guthieß.
Beziehungen zu den USA von zentraler Bedeutung
Seit Februar 2021 hat Markarowa nun einen der wichtigsten diplomatischen Posten für die Ukraine inne. Denn die Beziehungen zu den USA sind für ihr Land nicht erst seit der umfassenden russischen Invasion vom 24. Februar 2022 überlebenswichtig: Die US-Amerikaner sind der mit Abstand größte Unterstützer Kyjiws, ihre Hilfen könnten kaum ersetzt werden, etwa durch Bemühungen der EU. Ein gutes Verhältnis zu Washington war bereits vor dem Großangriff diplomatische Priorität Nummer eins für die Ukraine – und zwar unabhängig davon, ob im Weißen Haus Demokraten oder Republikaner regierten. In der Vergangenheit waren der Ukraine in dieser Hinsicht einige Fehler unterlaufen: Dass sich die Beziehung zu Donald Trump als schwierig erwies, hat schließlich nicht nur mit dessen besonderer Persönlichkeit oder mit dem Skandal um Joe Bidens Sohn Hunter zu tun. Entscheidend trug dazu auch bei, dass sich zahlreiche prominente ukrainische Politiker vor der Präsidentschaftswahl 2016 offen auf die Seite von Hillary Clinton stellten.
Diplomatie statt Einseitigkeit
Solche Einseitigkeit möchte Markarowa vermeiden und stimmt sich dafür eng mit dem einflussreichen Chef des Präsidentenbüros, Andrij Jermak, ab. Er ist ebenfalls ein guter Kenner der ukrainischen Beziehungen zu den USA. Markarowa betont in so gut wie jedem Interview, wie wichtig die Unterstützung beider Parteien im US-Kongress für die Ukraine sei. Ein Mitarbeiter der Botschaft beschrieb sie im Gespräch mit der Washington Post als „Frau, die niemals schläft“. Während der jüngsten Krise im US-Kongress, als Hilfen für Kyjiw länger als sechs Monate ausgesetzt wurden, ist Markarowas Rolle tatsächlich kaum zu überschätzen: „Sie hat unermüdlich und sehr zielorientiert gearbeitet und sichtbare Erfolge erzielt – und so wieder einmal bewiesen, dass sie am richtigen Platz ist und einen sehr guten Job macht“, erklärt der Politologe Wolodymyr Fessenko, der gelegentlich die Regierung berät, im Gespräch. So hatte die ukrainische Botschaft in Washington ein Treffen des Sprechers des US-Repräsentantenhauses mit Vertretern der religiösen Gemeinde der Ukraine erwirkt. Der Trump-nahe Republikaner Mike Johnson, hatte den Ukraine-Hilfen zunächst skeptisch gegenüber gestanden. Von dieser Begegnung aber war der tiefgläubige Johnson stark beeindruckt – und möglicherweise zum Umdenken gebracht worden: Ergebnis konkreter diplomatischer Arbeit, mit der Oksana Markarowa für ihr Land viel bewirkt.
Mit Blick auf die richtungsweisende Präsidentschaftswahl im November sagte Markarowa, die in ihrer Zeit im Finanzministerium fast ausschließlich mit der Trump-Administration zusammengearbeitet hat: „Die Amerikaner werden ihren Präsidenten wählen [...]. Unsere Aufgabe ist es, unabhängig von demokratischen Wahlzyklen [...] mit allen zusammenzuarbeiten, damit die Ukraine im Fokus der Aufmerksamkeit bleibt und ein Thema, dass beide Parteien eint.“
Bevor sie Finanzministerin und später Botschafterin wurde, war Markarowa, die mit dem Bankier Danylo Wolynez verheiratet ist, unter anderem Vorstandsvorsitzende einer großen Investitionsfirma sowie Aufsichtsratschefin mehrerer ukrainischer Banken. In Zukunft könnten sich für sie noch ganz andere Welten eröffnen, denn seit einigen Monaten wird über einen möglichen Rücktritt von Premierminister Denys Schmyhal spekuliert. Schmyhal führt die Regierungsgeschäfte bereits seit viereinhalb Jahren und ist damit der am längsten amtierende Premierminister in der Geschichte der Ukraine. Sollte er seinen Posten räumen, käme als Nachfolgerin zwar zunächst die erste Vizepremierministerin Julija Swyrydenko in Frage. Der Erfolg Markarowas sowohl als Finanzministerin als auch als Botschafterin in den USA sorgt jedoch dafür, dass auch sie als Kandidatin im Gespräch ist. Aktuell ist ein solcher Wechsel angesichts der bevorstehenden US-Wahl kaum vorstellbar. Doch sollte sich die innenpolitische Lage in den USA in Zukunft entspannen, könnte Markarowa durchaus in die Kyjiwer Regierung zurückkehren.
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