Maksym Lytwyn: Spitzenreiter im globalen IT-Business
Der 44-jährige Maksym Lytwyn, Mitbegründer des Softwareunternehmens Grammarly, gehört zu den erfolgreichsten Unternehmern der Ukraine. 2022 war Lytwyn laut Forbes hinter Rinat Achmetow sogar der zweitreichste Mann des Landes. Das Schicksal der Ukraine liegt dem gebürtigen Kyjiwer in seiner Wahlheimat Kanada besonders am Herzen.
Im ukrainischen Forbes-Rating der „100 reichsten Ukrainer“, das Ende 2022 veröffentlicht wurde, belegten Maksym Lytwyn und Oleksij Schewtschenko, beide Mitbegründer des Softwareunternehmens Grammarly, den zweiten und dritten Platz: Ihre Vermögen werden jeweils auf 2,3 Milliarden US-Dollar beziffert. Zwar bleibt Oligarch Rinat Achmetow allen Schätzungen zufolge der reichste Mann der Ukraine, und auch andere Akteure aus dem Bereich der Schwerindustrie wie Wiktor Pintschuk oder Kostjantyn Schewaho sind weiter auf den oberen Rängen zu finden. Doch Vertreter der IT-Branche und der Agrarindustrie machen den Akteuren der schon seit 2014 vom Krieg betroffenen Schwerindustrie Konkurrenz.
Laut einem Rating des unabhängigen Mediums NV, das sich auf das Jahr 2023 bezieht, verfügten Lytwyn und Schewtschenko „nur“ noch über ein Vermögen von knapp 900 Millionen US-Dollar; doch auch damit belegten sie den sechsten und siebten Platz in der Auflistung.
Kind der Neunziger und Programmierer-Autodidakt
Der heute 44-jährige Maksym Lytwyn, der gemeinsam mit Schewtschenko und Dmytro Lider, einem weiteren Ukrainer, Grammarly gründete, stammt aus einer einfachen Kyjiwer Familie. Seine Eltern waren ausgebildete Telekommunikationsingenieure – damals ein nicht besonders gut bezahlter Beruf. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion verlor Lytwyns Mutter ihren Job, und sein Vater erlitt einen schweren Herzinfarkt. „Meiner Mutter und mir blieb nichts anderes übrig, als Sachen auf Flohmärkten zu verkaufen. Wir übernahmen diverse Arbeiten in Teilzeit, etwa Übersetzungen oder Programmierungsaufträge“, erzählt Lytwyn gegenüber Forbes Ukraine. Das Programmieren lernte er nach eigenen Angaben aus Büchern, noch bevor er einen Computer besaß.
1997 begann Lytwyn zusammen mit seinem Kumpel Schewtschenko das Studium an der Internationalen Christlichen Universität (ICU) in Kyjiw – eine der ersten privaten Universitäten der Ukraine, die aus den USA finanziert und in der auf Englisch unterrichtet wurde. Die ICU existiert heute nicht mehr. Lytwyns Ausbildung an jener Universität, die sich auf eine Mischung aus Wirtschafts- und Religionswissenschaften konzentrierte und eine beträchtliche Studiengebühr forderte, war damals für seine Familie eine richtige Investition: So kostete ein Studienjahr regulär 1.000 US-Dollar, wobei herausstechende Studierende nur 20 Prozent davon zahlen mussten. Zu diesen Talenten gehörte auch Maksym Lytwyn, der von seinen Kommilitonen folgendermaßen beschrieben wurde: „Ernst, wortkarg, freundlich, aber kein Party-Fan.“
MyDropBox: die erste innovative Plagiatsprüfung
Zu den Vorteilen eines Studiums an der ICU gehörte die Möglichkeit für Studierende, ein Jahr in den USA zu verbringen, was aus damaliger Sicht ebenfalls eine Riesenchance war. So kam es, dass Lytwyn Anfang der Nullerjahre Betriebswirtschaft sowohl an der Vanderbilt University in Tennessee als auch an der Universität von Toronto studierte und außergewöhnlich gut Englisch spricht.
Nach einiger Zeit ging auch Lytwyns enger Freund Schewtschenko nach Toronto, wo die beiden ihr erstes großes gemeinsames Projekt verwirklichten: die Gründung des Dienstleisters MyDropBox, der studentische Arbeiten auf Plagiate überprüfen sollte. Für den damaligen Technologiestand eine Innovation – bisher existierten keine vergleichbaren Anwendungen für die Qualitätsprüfung. Das Startup TurnItIn aus Kalifornien, ein ähnlicher Anbieter, kam erst nach der Gründung von MyDropBox auf den Markt.
Erfolgreich in Kanada
Der Erfolg war groß: Bis 2007 entschieden sich 800 Universitäten für den Kauf des Produkts von Lytwyn und Schewtschenko. Schließlich verkauften sie MyDropBox an das US-amerikanische Bildungstechnologieunternehmen BlackBoard, bei dem Lytwyn einer Vereinbarung zufolge noch zwei weitere Jahre arbeitete. Als Lytwyn noch formell bei BlackBoard war, registrierten Schewtschenko und Lider Ende 2008 bereits das Unternehmen Applied Lingustics, aus dem am Ende Grammarly wurde: Die Idee war, einen de facto KI-basierten Algorithmus zu erstellen, der Schreibfehler in Texten findet, was sich in der Praxis als ein komplexes, aber machbares Unterfangen erwies. Lytwyn stieß schnell zum Führungsteam dazu.
Zunächst einmal konzentrieren sich die drei auf eine sehr ähnliche Zielgruppe wie zuvor bei MyDropBox: auf Universitäten und das Verlagswesen. Das änderte sich jedoch. „Wir haben verstanden, dass wir ein Instrument schaffen können, das für jeden Menschen hilfreich ist, der im Netz auf Englisch schreibt – und wir entschieden uns dafür, uns in Richtung Massenmarkt zu bewegen“, erzählt Dmytro Lider.
Grammarly: rasant wachsende User-Zahlen
Der große Durchbruch gelang den IT-Unternehmern mit Grammarly ab 2015, als sie anfingen, nach dem sogenannten Freemium-Prinzip zu arbeiten, das dem Nutzer einen Teil der Funktionen kostenlos zur Verfügung stellt. Das funktionierte perfekt: Während die Zahl der aktiven User 2015 bei einer Million lag, betrug dieser Wert 2020 bereits 30 Millionen. Die Nutzerzahl hatte sich jedes Jahr um fast 100 Prozent erhöht – und ab 2017 kam es zu ersten umfassenden Investitionen.
Grammarly hat sich zu einem effizienten Produkt entwickelt, das Benutzern tatsächlich hilft, fachkundige und gut verständliche Texte zu verfassen. Auch stilistische Fehler erkennt der Dienst in Echtzeit und erklärt darüber hinaus, wie man deren Wiederholung vermeiden kann.
Geschäftsphilosophie: Kommunikationsprozesse effizienter gestalten
Vor Konkurrenten hat Maksym Lytwyn keine Angst. „Es handelt sich um einen derart neuen Bereich, dass der größte Teil des Marktes noch gar nicht erschlossen ist“, erklärt er. Seine Philosophie ist klar: „Die Menschen verbringen einen erheblichen Teil ihres Lebens damit, zu kommunizieren und Wissen zu produzieren. Wenn Sie den Kommunikationsprozess auch nur um ein Prozent effizienter gestalten, werden die Auswirkungen in die Billionen gehen“, unterstreicht der 44-Jährige. „Und ein Prozent ist ein durchaus erreichbares Ziel.“
Über sich selbst oder über seine Wohltätigkeitsprojekte spricht Lytwyn dagegen weiterhin ungern. Obwohl er in Kanada lebt, bleibt für ihn die Lage in der Ukraine aktuell das wichtigste Thema. So besteht sein Account auf der Plattform X fast nur aus Reposts über die Realitäten des russischen Angriffskrieges.
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