Advocacy-Reise nach Brüssel: schnelle EU-Beitritts-
verhandlungen, winterization und Beschlagnahmung eingefrorener russischer Vermögen
Mitglieder der Werchowna Rada und ukrainische Expertinnen reisten vom 9. bis 10. November nach Brüssel, um sich für diese Ziele einzusetzen und sich mit Mitgliedern des Europäischen Parlaments und Vertretungen anderer EU-Institutionen auszutauschen.
An der Reise nach Brüssel nahmen elf ukrainische Abgeordnete unterschiedlicher Fraktionen teil. Darunter waren die Vorsitzende des Ausschusses für die EU-Integration der Ukraine Ivanna Klympush-Tsinzadse (Fraktion „Europäische Solidarität“), die Vorsitzende der ukrainischen Delegation in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats Maria Mesentseva (Fraktion „Diener des Volkes“) sowie Halyna Yanchenko, die Stellvertretende Vorsitzende von „Diener des Volkes“ und Co-Vorsitzende der deutsch-ukrainischen Parlamentariergruppe ist. Auch Viktoria Lobun – Beraterin der Stellvertretender Premierministerin für europäische und euroatlantische Integration – und Expertinnen aus führenden ukrainischen Thinktanks nahmen teil.
Die Rada-Abgeordneten trafen am 9. November zunächst mit zehn Mitgliedern des Europäischen Parlaments aus Litauen, Polen, Deutschland, Lettland und Rumänien zusammen. Mit dabei war der frühere Premierminister von Litauen, Andrius Kubilius, jetzt Mitglied des Europäischen Parlaments und Vorsitzender der Delegation in der Parlamentarischen Versammlung EURO-NEST. Anschließend diskutierte die ukrainische Delegation mit Vertreterinnen und Vertretern der Europäischen Kommission: Katarína Mathernová (Stellvertretende Generaldirektorin der Generaldirektion Nachbarschafts- und Erweiterungsverhandlungen und Leiterin der Support Group for Ukraine), Nils Behrndt (Stellvertretender Generaldirektor der Generaldirektion für Justiz und Verbraucherschutz) und Peter Wagner (Leiter des Dienstes für Außenpolitische Instrumente der EU).
Bewertung des Reformprozesses und winterization so schnell wie möglich
Die ukrainische Delegation betonte bei den Gesprächen, dass die EU die Bewertung des Reformprozesses in der Ukraine zur Umsetzung der sieben Bedingungen, die die Europäische Kommission im Zusammenhang mit der Verleihung des Kandidatenstatus an die Ukraine gestellt hat, bereits im Frühjahr 2023 vorlegen sollte, und nicht wie ursprünglich geplant im Herbst 2022. So könne die Ukraine die Eröffnung der Beitrittsverhandlungen schnellstmöglich beantragen. Da die EU-Mitgliedschaft noch in weiter Ferne liege, sei es für die Ukraine wichtig, bereits in verschiedenen Bereichen des EU-Binnenmarktes integriert zu sein, während die Beitrittsverhandlungen laufen. So könnten die Menschen in der Ukraine bereits eine Annäherung an die EU spüren.
Was den Wiederaufbau der Ukraine nach dem Krieg betrifft, so ist die akute finanzielle und humanitäre Soforthilfe laut den ukrainischen Abgeordneten für die Ukraine von viel größerer Bedeutung – damit das Land den Winter übersteht. Es solle eher um den direkten Wiederaufbau der Ukraine vor dem Hintergrund des bevorstehenden Winters, der humanitären Lage und des Zustands der kritischen Infrastruktur gehen, um die sogenannte winterization. In diesem Zusammenhang blickt die ukrainische Seite mit großer Hoffnung auf das neue Finanzhilfepaket der Europäischen Kommission in Höhe von 18 Milliarden Euro, das im Laufe des Jahres 2023 ausgezahlt werden soll, und hofft, dass es gelingt, den Widerstand Ungarns zu überwinden.
Auch die mögliche Beschlagnahmung von mit Sanktionen belegten russischen Vermögen zur Unterstützung des Wiederaufbaus und der Modernisierung der Ukraine waren Thema. In Bezug darauf gibt es noch keine fertige Lösung, aber viele Expertinnen und Experten der EU und der Ukraine arbeiten an der Entwicklung einer Rechtsgrundlage, die eine Beschlagnahmung der eingefrorenen Vermögen ermöglichen würde.
Davon abgesehen sprachen die ukrainischen Teilnehmenden und die EU-Vertreterinnen und ‑Vertreter über das bevorstehende Gipfeltreffen zwischen der EU und der Ukraine, das für Mitte Dezember 2022 geplant ist. Es wird das erste bilaterale Gipfeltreffen sein, seit die Ukraine Beitrittskandidat geworden ist. Beide Seiten betonten, wie wichtig es sei, dass der Gipfel greifbare Ergebnisse bringe, die die EU-Integration der Ukraine beschleunigten. Auch die Zukunft der Östlichen Partnerschaft kam zur Sprache. Es scheint ein Konsens darüber zu bestehen, dass die Östliche Partnerschaft überdacht und umgestaltet werden muss, um einen Mehrwert für die bilateralen Beziehungen der EU zu den einzelnen Staaten, die sehr unterschiedlich sind, zu schaffen.
Treffen mit dem Europäischen Auswärtigen Dienst und mit vielen Ständigen Vertretungen
Bei der Advocacy-Reise standen auch viele Gespräche mit Vertreterinnen und Vertretern des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) – wie Petra Gombalová Kyslingerová, Leiterin der Ukraine-Abteilung des EAD, und Dirk Schuebel, neu ernannter EAD-Sondergesandter für die Östliche Partnerschaft – auf dem Programm. Auch den Botschafter/Ständigen Vertreter der Ukraine bei der Europäischen Union Wsewolod Tschenzow traf die ukrainische Delegation.
Bei zwei Runden Tischen diskutierte die ukrainische Delegation ebenfalls über EU-Beitritt, winterization und die Beschlagnahmung russischer Vermögen. Einer der beiden Runden Tische wurde in Zusammenarbeit mit der Heinrich-Böll-Stiftung EU organisiert. Die Abgeordneten sprachen dort mit Brüsseler Expertinnen und Experten von Thinktanks und EU-Institutionen. Den zweiten Runden Tisch richtete die Ständige Vertretung Polens bei der EU aus. Dabei tauschte sich die ukrainische Delegation mit den Ständigen Vertreterinnen und Vertretern Polens, Estlands, Lettlands, Litauens, Rumäniens, Tschechiens, Deutschlands, Österreichs und Maltas bei der Europäischen Union aus.
Starke Unterstützung durch EU
Insgesamt haben alle Gespräche gezeigt, dass die EU an der Seite der Ukraine steht und hart daran arbeitet, die Ukraine so gut wie möglich zu unterstützen, damit sie über den Winter kommt und den Krieg gewinnt. Alle EU-Akteure drückten ihre große Bewunderung dafür aus, dass die Ukraine bzw. alle staatlichen Institutionen trotz des Krieges und der Zerstörung funktionieren und in der Lage sind, Reformen durchzuführen.
LibMod organisierte die Advocacy-Reise nach Brüssel gemeinsam mit der East Europe Foundation (Kyjiw) im Rahmen des vom Auswärtigen Amt geförderten Projekts „Ukraine in Europa: parlamentarische Dimension“.
Verwandte Themen
Newsletter bestellen
Tragen Sie sich in unseren Newsletter ein und bleiben Sie auf dem Laufenden.