Der Kampf um eine unabhängige ukrai­ni­sche Kirche

President.gov.ua (offi­zi­elle Webseite)

Die Frage einer unab­hän­gi­gen Kirche wird seit dem Euro­maj­dan heiß dis­ku­tiert. In den letzten Wochen kam die Ukraine einer Aner­ken­nung aus Kon­stan­ti­no­pel näher. Eine Analyse von Martin Buchholz.

Zeit für eine ukrai­ni­sche Autokephalie

Seit dem Euro­maj­dan wird in der Ukraine heftig über Reli­gion gestrit­ten. Mit dem rus­sisch-ukrai­ni­schen Kon­flikt wird nun auch die Frage der Reli­gion stark poli­ti­siert und die Ver­su­che, sich weiter von Russ­land abzu­gren­zen, erreich­ten auch die reli­giöse Ebene. Dies hängt unter anderem mit der kon­fes­sio­nel­len Land­schaft der Ukraine zusam­men, welche ebenso viel­fäl­tig wie ver­wir­rend ist. Denn die größte ortho­doxe Kirche der Ukraine gehört offi­zi­ell zur Rus­sisch-Ortho­do­xen Kirche, deren Ober­haupt der Mos­kauer Patri­arch Kyrill ist. Dass das Ober­haupt der größten ukrai­ni­schen Kirche in eben­je­nem Land resi­diert, welches seit der Anne­xion der Krim und dem Donbas-Krieg als Aggres­sor Staat bezeich­net wird, hatte bereits zu poli­ti­schen Dis­kus­sio­nen über den Status dieser Kirche geführt.

Nun hatte der ukrai­ni­sche Prä­si­dent Petro Poro­schenko im April den öku­me­ni­schen Patri­ar­chen Bar­tho­lo­mäus I, welcher den Ehren­vor­sitz im ortho­do­xen Chris­ten­tum hat, um die Auto­ke­pha­lie der ortho­do­xen Kirche in der Ukraine gebeten. Anfang Mai hatte sich dann das ukrai­ni­sche Par­la­ment mit großer Mehr­heit für eine auto­ke­phale Kirche in der Ukraine aus­ge­spro­chen. Damit haben sich poli­ti­sche Insti­tu­tio­nen ein­deu­tig in den reli­giö­sen Bereich eingemischt.

Portrait von Martin Buchholz

Martin-Paul Buch­holz pro­mo­viert am Arbeits­be­reich Ost­eu­ro­päi­sche Geschichte der Johan­nes Guten­berg-Uni­ver­si­tät Mainz zum Thema „Die ukrai­ni­schen Kirche vor der euro­päi­schen Frage“. Zur Zeit arbei­tet er als wis­sen­schaft­li­cher Mit­ar­bei­ter am Leibniz-Insti­tut für Euro­päi­sche Geschichte in Mainz im Projekt Religionsfrieden.

Auto­ke­phale Kirchen sind ortho­doxe Kirchen, die unab­hän­gig sind. Sie unter­ste­hen nicht einem Patri­ar­chen eines anderen Landes, sondern haben ihr eigenes Ober­haupt und sind offi­zi­ell von den anderen ortho­do­xen Kirchen als eigen­stän­dig aner­kannt. Die Poli­ti­sie­rung der Auto­ke­pha­lie-Bestre­bun­gen hängt mit dem ukrai­nisch-rus­si­schen Kon­flikt zusammen.

Poro­schenko ver­knüpfte die Frage nach der Auto­ke­pha­lie mit der Frage der ukrai­ni­schen Unab­hän­gig­keit. So betonte er immer wieder, wie wichtig eine unab­hän­gige ortho­doxe Kirche für den unab­hän­gi­gen Staat sei. Er bezeich­nete diese sogar als Säule sowohl der ukrai­ni­schen Nation als auch der ukrai­ni­schen natio­na­len Sicher­heit. Damit ist er jedoch nicht der erste Prä­si­dent. Bestre­bun­gen, die ukrai­ni­schen ortho­do­xen Kirchen zu ver­ei­nen, gab es seit den 1990er Jahren. Ein Jahr nach der Unab­hän­gig­keit der Ukraine im Jahre 1991 hatte der erste ukrai­ni­sche Prä­si­dent Leonid Krav­chuk die Bemü­hun­gen um eine unab­hän­gige ukrai­ni­sche Kirche unter­stützt, was damals aber ledig­lich zu einer wei­te­ren Kir­chen­spal­tung geführt hatte, da das Projekt nicht von allen unter­stützt worden war. Aus kirch­li­cher Per­spek­tive geht es bei der Auto­ke­pha­lie weniger um natio­nale Sicher­heit als viel­mehr eine Einheit der ortho­do­xen Gläu­bi­gen in der Ukraine und dies erscheint schwierig.

Ortho­do­xer Plu­ra­lis­mus in der Ukraine

In der Ukraine exis­tie­ren alleine drei ortho­doxe ukrai­ni­sche Kirchen. Die größte dieser Kirchen ist die Ukrai­nisch Ortho­doxe Kirche des Mos­kauer Patri­ar­chats. Sie ver­wal­tet bei­spiels­weise das Kiewer Höh­len­klos­ter, das zu den wich­tigs­ten Pilgerorten/​Heiligtümern der Rus­sisch-Ortho­do­xen Kirche gehört. Zwar gehört sie offi­zi­ell zum Mos­kauer Patri­ar­chat, aber sie ist in ihrer Ver­wal­tung selbst­stän­dig und auch ihr Ober­haupt wird in der Ukraine von den dor­ti­gen Bischö­fen gewählt. Dennoch wird sie gerade im Kontext des rus­sisch ukrai­ni­schen Kon­flik­tes kri­tisch beob­ach­tet. Kri­ti­ker unter­stel­len ihr, das Sprach­rohr Moskaus in der Ukraine zu sein. Die feh­lende Kritik des Mos­kauer Patri­ar­cha­tes an der Politik Russ­lands macht diese zusätz­lich unbe­liebt. Da half es nicht, dass die Kirche in Kiew betonte proukrai­nisch zu sein und die Rück­gabe der Krim an die Ukraine ein­for­derte. Viele Ukrai­ner und sogar ganze Gemein­den wandten sich von der Kirche ab und dem Kiewer Patri­ar­chat zu.

Die ukrai­nisch ortho­doxe Kirche des Kiewer Patri­ar­chats ist die zweite große ortho­doxe Kirche. Sie ist der bereits erwähnte Versuch eine unab­hän­gige ukrai­ni­sche Kirche zu schaf­fen. 1992 ging sie aus einer Abspal­tung von der Rus­sisch-Ortho­do­xen Kirche hervor und der dama­lige ukrai­ni­sche Prä­si­dent unter­stützte das Vor­ha­ben mit dem Argu­ment, dass ein unab­hän­gi­ger Staat auch eine unab­hän­gige Kirche brauche. Ein Argu­ment das in der heu­ti­gen Debatte immer häu­fi­ger vehe­ment vor­ge­tra­gen wird.

Die dritte ortho­doxe Kirche ist die Ukrai­ni­sche auto­ke­phale Kirche, die bereits nach der rus­si­schen Revo­lu­tion ent­stand. Die letzten zwei werden von der Welt­or­tho­do­xie nicht aner­kannt, da sie sich von der Rus­sisch-Ortho­do­xen Kirche abge­spal­ten haben, was diese nie aner­kannt hat.

Zwi­schen den Anhän­gern der ein­zel­nen Kirchen kam es seit den 1990er Jahren immer wieder zu gewalt­tä­ti­gen Aus­ein­an­der­set­zun­gen um Kir­chen­be­sitz oder den Wechsel von Gemein­den von einer ortho­do­xen Kirche zur nächs­ten. Diese Aus­ein­an­der­set­zun­gen würden mit einer Ver­ei­ni­gung der ortho­do­xen Kirchen wegfallen.

Wer ver­wal­tet das Kiewer Höh­len­klos­ter künftig? © Norbert Aepli

Wie es zur Auto­ke­pha­lie kommt ist noch unklar

Am 31. August kam es zu einem Treffen des öku­me­ni­schen Patri­ar­chen mit dem Rus­si­schen Patri­ar­chen, welches aber keine Ergeb­nisse in der Auto­ke­pha­lie Frage brachte. Die Frage, wer berech­tigt ist die Auto­ke­pha­lie für eine ukrai­ni­sche ortho­doxe Kirche zu ver­lei­hen, ist noch immer strit­tig. Sowohl der Patri­arch von Kon­stan­ti­no­pel als auch der Mos­kauer Patri­arch nehmen dieses recht für sich in Anspruch. Ers­te­rer hat inzwi­schen zwei Kir­chen­hier­ar­chen mit der Aus­ar­bei­tung eines Tomos (kirch­li­cher Erlass) beauf­tragt, welcher die Auto­ke­pha­lie dann gewäh­ren soll. Ebenso offen ist die Frage, was mit dem Kir­chen­be­sitz pas­siert, wenn das Mos­kauer Patri­ar­chat die zu ihm gehö­rende ortho­doxe Kirche ver­lie­ren sollte.

Während das Kiewer Patri­ar­chat die Auto­ke­pha­lie Bestre­bun­gen unter­stützt, lehnt sie die Rus­sisch-Ortho­doxe Kirche ent­schie­den ab, welche dadurch die ukrai­nisch-ortho­doxe Kirche, die zum Mos­kauer Patri­ar­chat gehört, ver­lie­ren würde. Diese wie­derum ist gespal­ten was die Frage nach der Auto­ke­pha­lie betrifft. Im Kon­flikt drohte der Spre­cher der Rus­sisch-Ortho­do­xen Kirche jüngst damit alle Bezie­hun­gen mit Kon­stan­ti­no­pel abzu­bre­chen. Heute ist die ortho­doxe Kirche in der Ukraine der Auto­ke­pha­lie so nah wie noch nie. Trotz­dem muss allen Betei­lig­ten klar sein, dass die Abspal­tung bzw. Aner­ken­nung der Kirche immenses Kon­flikt­po­ten­tial birgt.

 

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