Sky Shield: Eine europäische Initiative zum Schutz ukrainischer Städte

Russische Luftangriffe auf Infrastruktur in der Ukraine nehmen immer weiter zu. Die Sky Shield Initiative schlägt eine realistische Lösung vor, die ukrainische Zivilisten besser vor Drohnen und Raketen schützen soll.
Seit den ersten Tagen der russischen Vollinvasion hat Kyjiw dazu aufgerufen, den ukrainischen Luftraum zu schließen, um die Zivilbevölkerung vor den massiven russischen Luftangriffen zu schützen. Doch die US-Regierung unter Präsident Joe Biden befürchtete eine Eskalation des Konflikts. Die Ukraine muss sich deshalb seit über drei Jahren vom Boden aus gegen die Luftangriffe verteidigen und kann nur sehr eingeschränkt weitreichende Waffen auf russischem Gebiet einsetzen.
Ein flexibles Koalitionsmodell
Doch ohne Lufthoheit kann die Ukraine die Sicherheit ihrer Bürgerinnen und Bürger nicht gewährleisten. Deswegen fordert die „Sky Shield“ Initiative eine von Europa geführte integrierte Luftschutzzone (IAPZ), die durch Kampfflugzeuge über weit von der Frontlinie entfernten Gebieten der Ukraine umgesetzt werden soll. Die Hauptaufgabe von „Sky Shield“ wäre der Schutz des westukrainischen Luftraums – von Häfen und wichtiger Energieinfrastruktur. Dazu zählen unter anderem die drei weiterhin in Betrieb verbleibenden Atomkraftwerke. Die eingesetzten Kampfflugzeuge würden von europäischen Luftwaffenstützpunkten aus starten und eng mit der ukrainischen Luftwaffe zusammenarbeiten.
„Sky Shield” ist ein Koalitionsmodell – flexibel, skalierbar und an die aktuelle operative Lage anpassbar. Es erfordert keine Verpflichtungen der USA oder anderer NATO-Staaten im Rahmen von Artikel 5, was das Modell sowohl politisch realistisch als auch völkerrechtlich vertretbar macht.
Der politische Wille, mit „Sky Shield” eine Sicherheitsgarantie für die Ukraine zu schaffen, würde unter pro-ukrainischen Akteuren für mehr Zuversicht sorgen. Die Initiative würde zeigen, dass die Partner der Ukraine samt ihrer Kommandostrukturen, Piloten und Logistik für alle möglichen Herausforderungen vorbereitet sind – und Europa so insgesamt zu einem sichereren Ort machen.
„Sky Shield” ist keine Flugverbotszone
In Diskussionen zum Schutz des ukrainischen Luftraums werden häufig zwei ähnliche, aber grundlegend verschiedene Konzepte miteinander verwechselt – die Flugverbotszone („No-Fly-Zone“) und die Initiative „Sky Shield”.
Die Einrichtung einer Flugverbotszone bedeutet ein Verbot für jegliche Fluggeräte in einem festgelegten Luftraum. Ihre Umsetzung würde die ständige Präsenz westlicher Kampfflugzeuge in und über der Ukraine erfordern. Diese müssten bereit sein, russische Flugzeuge und Raketen abzuschießen. Des Weiteren müssten sie auch russische Luftverteidigungssysteme angreifen, um die eigenen Luftstreitkräfte zu schützen.
Dies würde die Gefahr eines direkten Konflikts mit Russland und damit das Risiko für eine unkontrollierte Eskalation erhöhen. Aus diesem Grund lehnten das Kabinett von Biden und andere Partner diesen Plan im Jahr 2022 ab.
„Sky Shield” hingegen operiert rein defensiv:
- Westliche Flugzeuge patrouillieren den Luftraum im Westen und Südwesten der Ukraine, starten jedoch nicht von ukrainischem Gebiet aus.
- Sie können während des Fluges betankt werden, so dass sie nicht in der Ukraine landen müssen.
- Ihre Aufgabe ist es, russische Raketen und Drohnen abzufangen, die eine Bedrohung für die zivile und kritische Infrastruktur darstellen.
- Diese Flugzeuge greifen weder russische Bodenziele noch russische Flugzeuge an.
Dieser Ansatz ist keine rein theoretische Überlegung, sondern wurde bereits von den USA, Großbritannien und Frankreich angewendet, um Israel vor iranischen Luftangriffen zu schützen. Es handelt sich um ein wirksames Verteidigungsmodell, das den Schutz der Zivilbevölkerung und der Infrastruktur ermöglicht, ohne direkt in Kampfhandlungen einzugreifen.
Das ist der grundlegende Unterschied zwischen einer Flugverbotszone und „Sky Shield”: Die Schließung des Luftraums ist ein offensives Konzept, das ein aggressives Eingreifen erfordert, während „Sky Shield” rein defensiv operiert und nur anfliegende Bedrohungen in der Luft unschädlich macht. „Sky Shield” kann russische Luftangriffe abwehren, das Leben von Millionen Menschen sicherer machen und dabei helfen, die Lage in der Ukraine zu stabilisieren, ohne die Verbündeten in einen umfassenden Krieg hineinzuziehen.
Risiken der Implementierung und die Gefahr des Nicht-Handelns
Trotz intensiver diplomatischer Bemühungen zeigt sich Russland nicht bereit für ernsthafte Verhandlungen. Die Angriffe auf die ukrainische Zivilbevölkerung und Infrastruktur dauern an. In diesem Kontext erscheint die Initiative „Sky Shield” als eine realistische Option für das Szenario eines langen Abnutzungskampfes, bei dem Friedensverhandlungen noch in ferner Zukunft liegen.
Die Einführung von „Sky Shield“ darf nicht von einem temporären Waffenstillstand oder dem Ende der Kampfhandlungen abhängig gemacht werden. Es ist eine Frage des politischen Willens – nicht der technischen oder militärischen Fähigkeiten. Die europäischen Partner müssen jetzt Führungsstärke und Solidarität zeigen, indem sie „Sky Shield” umsetzen, ohne auf einen Waffenstillstand zu warten und ohne Rücksicht auf mögliche politische Veränderungen in der Zukunft. Sie müssen verstehen, dass die Sicherheit der Ukraine auch Sicherheit für ganz Europa bedeutet.
Kritiker von „Sky Shield“ weisen vor allem auf das Risiko eines direkten russischen Angriffs auf NATO-Flugzeuge und deren Abflugorte hin. Die Befürworter des Konzepts leugnen dieses Risiko nicht, schätzen es jedoch als minimal ein. Die Koalition der an der „Sky Shield“ Initiative beteiligten Länder benötigt klare Einsatzregeln. Sie sollten aber dennoch darauf vorbereitet sein, ein russisches Kampfflugzeug in der Ukraine abzufangen, solange die Kämpfe andauern. Das eskalierende Potenzial, das eine solche Situation mit sich bringt, wird durch das weitaus höhere Eskalationspotenzial aufgewogen, das ein Ausbleiben der Unterstützung für die Ukraine bedeutet.
Ein weiterer Kritikpunkt an „Sky Shield“ ist, dass mit seiner Umsetzung das Risiko für den Beschuss eigener Truppen steigt. Für militärische Fachkräfte stellt insbesondere die koordinierte Konfliktvermeidung zwischen Luftwaffe, bodengestützten Raketenabwehrsystemen und weiteren Einheiten eine erhebliche Herausforderung dar. Mangelnde Vorbereitung und Desorganisation der europäischen NATO-Staaten könnten Russland zusätzlich dazu motivieren, Provokationen im Luftraum der Allianz zu initiieren. Die Planungen für „Sky Shield“ schließen daher auch die Prävention solcher Szenarien ein.
Wenn die europäischen Partner weiterhin zögern, entschlossen zu handeln, könnte das Russland im Gegenteil ermutigen, seine Angriffe auf die Ukraine fortzusetzen und schließlich auch NATO-Staaten anzugreifen.
Ein deutliches Signal an Russland
Die Beteiligung am strategischen Plan „Sky Shield” ermöglicht den europäischen Staaten und anderen Verbündeten, eine neue Sicherheitsarchitektur zu konsolidieren – unabhängig von den USA, aber interoperabel mit bestehenden NATO-Strukturen. So würde Russland nicht erneut die Chance erhalten, ein künftiges Waffenstillstandsabkommen für einen besser vorbereiteten weiteren Angriff auszunutzen, wie es mit den Minsker Verhandlungen geschah. „Sky Shield“ würde Russland zu verstehen geben, dass es seine Kriegsziele nicht erreichen kann.
Die „Sky Shield” Initiative wird den Krieg in der Ukraine nicht beenden, aber sie kann den Druck auf die ukrainischen Luftverteidigungssysteme verringern und damit Kapazitäten zum Schutz von Städten im Süden und Osten bereitstellen. Sie würde Sicherheit für die Wirtschaft, insbesondere auch für die Rüstungsindustrie schaffen und die nukleare Sicherheit erhöhen. Unter diesen Bedingungen würde sich die ukrainische Armee auf die Verteidigung der Frontlinie fokussieren und ein weiteres Vorrücken der russischen Armee verhindern. Das ist der beste Weg für die Partner, der Ukraine zu helfen, ohne sich direkt an Kampfhandlungen zu beteiligen.
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