Sky Shield: Eine euro­päi­sche Initia­tive zum Schutz ukrai­ni­scher Städte

22.06.2025: F-16-Kampfflugzeug bei einer Flugvorführung während der Paris Air Show 2025
Foto: IMAGO /​ Nur­Photo

Rus­si­sche Luft­an­griffe auf Infra­struk­tur in der Ukraine nehmen immer weiter zu. Die Sky Shield Initia­tive schlägt eine rea­lis­ti­sche Lösung vor, die ukrai­ni­sche Zivi­lis­ten besser vor Drohnen und Raketen schüt­zen soll.

Seit den ersten Tagen der rus­si­schen Voll­in­va­sion hat Kyjiw dazu auf­ge­ru­fen, den ukrai­ni­schen Luft­raum zu schlie­ßen, um die Zivil­be­völ­ke­rung vor den mas­si­ven rus­si­schen Luft­an­grif­fen zu schüt­zen. Doch die US-Regie­rung unter Prä­si­dent Joe Biden befürch­tete eine Eska­la­tion des Kon­flikts. Die Ukraine muss sich deshalb seit über drei Jahren vom Boden aus gegen die Luft­an­griffe ver­tei­di­gen und kann nur sehr ein­ge­schränkt weit­rei­chende Waffen auf rus­si­schem Gebiet einsetzen.

Ein fle­xi­bles Koalitionsmodell

Doch ohne Luft­ho­heit kann die Ukraine die Sicher­heit ihrer Bür­ge­rin­nen und Bürger nicht gewähr­leis­ten. Des­we­gen fordert die „Sky Shield“ Initia­tive eine von Europa geführte inte­grierte Luft­schutz­zone (IAPZ), die durch Kampf­flug­zeuge über weit von der Front­li­nie ent­fern­ten Gebie­ten der Ukraine umge­setzt werden soll. Die Haupt­auf­gabe von „Sky Shield“ wäre der Schutz des west­ukrai­ni­schen Luft­raums – von Häfen und wich­ti­ger Ener­gie­infra­struk­tur. Dazu zählen unter anderem die drei wei­ter­hin in Betrieb ver­blei­ben­den Atom­kraft­werke. Die ein­ge­setz­ten Kampf­flug­zeuge würden von euro­päi­schen Luft­waf­fen­stütz­punk­ten aus starten und eng mit der ukrai­ni­schen Luft­waffe zusammenarbeiten.

„Sky Shield” ist ein Koali­ti­ons­mo­dell – fle­xi­bel, ska­lier­bar und an die aktu­elle ope­ra­tive Lage anpass­bar. Es erfor­dert keine Ver­pflich­tun­gen der USA oder anderer NATO-Staaten im Rahmen von Artikel 5, was das Modell sowohl poli­tisch rea­lis­tisch als auch völ­ker­recht­lich ver­tret­bar macht.

Der poli­ti­sche Wille, mit „Sky Shield” eine Sicher­heits­ga­ran­tie für die Ukraine zu schaf­fen, würde unter pro-ukrai­ni­schen Akteu­ren für mehr Zuver­sicht sorgen. Die Initia­tive würde zeigen, dass die Partner der Ukraine samt ihrer Kom­man­do­struk­tu­ren, Piloten und Logis­tik für alle mög­li­chen Her­aus­for­de­run­gen vor­be­rei­tet sind – und Europa so ins­ge­samt zu einem siche­re­ren Ort machen.

„Sky Shield” ist keine Flugverbotszone

In Dis­kus­sio­nen zum Schutz des ukrai­ni­schen Luft­raums werden häufig zwei ähn­li­che, aber grund­le­gend ver­schie­dene Kon­zepte mit­ein­an­der ver­wech­selt – die Flug­ver­bots­zone („No-Fly-Zone“) und die Initia­tive „Sky Shield”.

Die Ein­rich­tung einer Flug­ver­bots­zone bedeu­tet ein Verbot für jeg­li­che Flug­ge­räte in einem fest­ge­leg­ten Luft­raum. Ihre Umset­zung würde die stän­dige Präsenz west­li­cher Kampf­flug­zeuge in und über der Ukraine erfor­dern. Diese müssten bereit sein, rus­si­sche Flug­zeuge und Raketen abzu­schie­ßen. Des Wei­te­ren müssten sie auch rus­si­sche Luft­ver­tei­di­gungs­sys­teme angrei­fen, um die eigenen Luft­streit­kräfte zu schützen.

Dies würde die Gefahr eines direk­ten Kon­flikts mit Russ­land und damit das Risiko für eine unkon­trol­lierte Eska­la­tion erhöhen. Aus diesem Grund lehnten das Kabi­nett von Biden und andere Partner diesen Plan im Jahr 2022 ab.

„Sky Shield” hin­ge­gen ope­riert rein defensiv:

  • West­li­che Flug­zeuge patrouil­lie­ren den Luft­raum im Westen und Süd­wes­ten der Ukraine, starten jedoch nicht von ukrai­ni­schem Gebiet aus.
  • Sie können während des Fluges betankt werden, so dass sie nicht in der Ukraine landen müssen.
  • Ihre Aufgabe ist es, rus­si­sche Raketen und Drohnen abzu­fan­gen, die eine Bedro­hung für die zivile und kri­ti­sche Infra­struk­tur darstellen.
  • Diese Flug­zeuge greifen weder rus­si­sche Boden­ziele noch rus­si­sche Flug­zeuge an.

Dieser Ansatz ist keine rein theo­re­ti­sche Über­le­gung, sondern wurde bereits von den USA, Groß­bri­tan­nien und Frank­reich ange­wen­det, um Israel vor ira­ni­schen Luft­an­grif­fen zu schüt­zen. Es handelt sich um ein wirk­sa­mes Ver­tei­di­gungs­mo­dell, das den Schutz der Zivil­be­völ­ke­rung und der Infra­struk­tur ermög­licht, ohne direkt in Kampf­hand­lun­gen einzugreifen.

Das ist der grund­le­gende Unter­schied zwi­schen einer Flug­ver­bots­zone und „Sky Shield”: Die Schlie­ßung des Luft­raums ist ein offen­si­ves Konzept, das ein aggres­si­ves Ein­grei­fen erfor­dert, während „Sky Shield” rein defen­siv ope­riert und nur anflie­gende Bedro­hun­gen in der Luft unschäd­lich macht. „Sky Shield” kann rus­si­sche Luft­an­griffe abweh­ren, das Leben von Mil­lio­nen Men­schen siche­rer machen und dabei helfen, die Lage in der Ukraine zu sta­bi­li­sie­ren, ohne die Ver­bün­de­ten in einen umfas­sen­den Krieg hineinzuziehen.

Risiken der Imple­men­tie­rung und die Gefahr des Nicht-Handelns

Trotz inten­si­ver diplo­ma­ti­scher Bemü­hun­gen zeigt sich Russ­land nicht bereit für ernst­hafte Ver­hand­lun­gen. Die Angriffe auf die ukrai­ni­sche Zivil­be­völ­ke­rung und Infra­struk­tur dauern an. In diesem Kontext erscheint die Initia­tive „Sky Shield” als eine rea­lis­ti­sche Option für das Sze­na­rio eines langen Abnut­zungs­kamp­fes, bei dem Frie­dens­ver­hand­lun­gen noch in ferner Zukunft liegen.

Die Ein­füh­rung von „Sky Shield“ darf nicht von einem tem­po­rä­ren Waf­fen­still­stand oder dem Ende der Kampf­hand­lun­gen abhän­gig gemacht werden. Es ist eine Frage des poli­ti­schen Willens – nicht der tech­ni­schen oder mili­tä­ri­schen Fähig­kei­ten. Die euro­päi­schen Partner müssen jetzt Füh­rungs­stärke und Soli­da­ri­tät zeigen, indem sie „Sky Shield” umset­zen, ohne auf einen Waf­fen­still­stand zu warten und ohne Rück­sicht auf mög­li­che poli­ti­sche Ver­än­de­run­gen in der Zukunft. Sie müssen ver­ste­hen, dass die Sicher­heit der Ukraine auch Sicher­heit für ganz Europa bedeutet.

Kri­ti­ker von „Sky Shield“ weisen vor allem auf das Risiko eines direk­ten rus­si­schen Angriffs auf NATO-Flug­zeuge und deren Abflug­orte hin. Die Befür­wor­ter des Kon­zepts leugnen dieses Risiko nicht, schät­zen es jedoch als minimal ein. Die Koali­tion der an der „Sky Shield“ Initia­tive betei­lig­ten Länder benö­tigt klare Ein­satz­re­geln. Sie sollten aber dennoch darauf vor­be­rei­tet sein, ein rus­si­sches Kampf­flug­zeug in der Ukraine abzu­fan­gen, solange die Kämpfe andau­ern. Das eska­lie­rende Poten­zial, das eine solche Situa­tion mit sich bringt, wird durch das weitaus höhere Eska­la­ti­ons­po­ten­zial auf­ge­wo­gen, das ein Aus­blei­ben der Unter­stüt­zung für die Ukraine bedeutet.

Ein wei­te­rer Kri­tik­punkt an „Sky Shield“ ist, dass mit seiner Umset­zung das Risiko für den Beschuss eigener Truppen steigt. Für mili­tä­ri­sche Fach­kräfte stellt ins­be­son­dere die koor­di­nierte Kon­flikt­ver­mei­dung zwi­schen Luft­waffe, boden­ge­stütz­ten Rake­ten­ab­wehr­sys­te­men und wei­te­ren Ein­hei­ten eine erheb­li­che Her­aus­for­de­rung dar. Man­gelnde Vor­be­rei­tung und Des­or­ga­ni­sa­tion der euro­päi­schen NATO-Staaten könnten Russ­land zusätz­lich dazu moti­vie­ren, Pro­vo­ka­tio­nen im Luft­raum der Allianz zu initi­ie­ren. Die Pla­nun­gen für „Sky Shield“ schlie­ßen daher auch die Prä­ven­tion solcher Sze­na­rien ein.

Wenn die euro­päi­schen Partner wei­ter­hin zögern, ent­schlos­sen zu handeln, könnte das Russ­land im Gegen­teil ermu­ti­gen, seine Angriffe auf die Ukraine fort­zu­set­zen und schließ­lich auch NATO-Staaten anzugreifen.

Ein deut­li­ches Signal an Russland

Die Betei­li­gung am stra­te­gi­schen Plan „Sky Shield” ermög­licht den euro­päi­schen Staaten und anderen Ver­bün­de­ten, eine neue Sicher­heits­ar­chi­tek­tur zu kon­so­li­die­ren – unab­hän­gig von den USA, aber inter­ope­ra­bel mit bestehen­den NATO-Struk­tu­ren. So würde Russ­land nicht erneut die Chance erhal­ten, ein künf­ti­ges Waf­fen­still­stands­ab­kom­men für einen besser vor­be­rei­te­ten wei­te­ren Angriff aus­zu­nut­zen, wie es mit den Minsker Ver­hand­lun­gen geschah. „Sky Shield“ würde Russ­land zu ver­ste­hen geben, dass es seine Kriegs­ziele nicht errei­chen kann.

Die „Sky Shield” Initia­tive wird den Krieg in der Ukraine nicht beenden, aber sie kann den Druck auf die ukrai­ni­schen Luft­ver­tei­di­gungs­sys­teme ver­rin­gern und damit Kapa­zi­tä­ten zum Schutz von Städten im Süden und Osten bereit­stel­len. Sie würde Sicher­heit für die Wirt­schaft, ins­be­son­dere auch für die Rüs­tungs­in­dus­trie schaf­fen und die nukleare Sicher­heit erhöhen. Unter diesen Bedin­gun­gen würde sich die ukrai­ni­sche Armee auf die Ver­tei­di­gung der Front­li­nie fokus­sie­ren und ein wei­te­res Vor­rü­cken der rus­si­schen Armee ver­hin­dern. Das ist der beste Weg für die Partner, der Ukraine zu helfen, ohne sich direkt an Kampf­hand­lun­gen zu beteiligen.

Portrait von Lesia Orobets

Lesia Orobets ist ehe­ma­lige Abge­ord­nete des ukrai­ni­schen Par­la­ments und zivil­ge­sell­schaft­li­che Aktivistin.

Ver­wandte Themen

News­let­ter bestellen

Tragen Sie sich in unseren News­let­ter ein und bleiben Sie auf dem Laufenden.

Mit unseren Daten­schutz­be­stim­mun­gen erklä­ren Sie sich einverstanden.