„Schmier­gel­der als ‚Schlag­baum‘“

Foto: IMAGO /​ STEINSIEK.CH

Pres­se­schau 29. Oktober bis 11. Novem­ber 2025:
Kor­rup­tion: die Achil­les­ferse des Prä­si­den­ten +++ Düstere Lage in Pokrowsk +++ Das see­li­sche Leid der Kämpfenden

Kor­rup­tion: die Achil­les­ferse des Präsidenten

Es ist der größte innen­po­li­ti­sche Skandal des Jahres: Am Morgen des 10. Novem­ber durch­suchte das Natio­nale Anti­kor­rup­ti­ons­büro NABU das Haus von Timur Min­dit­sch, einem lang­jäh­ri­gen Geschäfts­part­ner und Ver­trau­ten von Prä­si­dent Selen­skyj, der sich noch am selben Tag ins Ausland absetzte.

Gleich­zei­tig ver­öf­fent­lichte NABU abge­hörte Nach­rich­ten, die Hin­weise auf Kor­rup­tion auf höchs­ter Ebene beim staat­li­chen Atom­kon­zern Ener­hoatom ent­hal­ten. Min­dit­sch soll an der Spitze eines Systems gestan­den haben, bei dem Gelder für den Bau von Schutz­an­la­gen für Umspann­werke und andere von Russ­land ins Visier genom­mene Objekte teil­weise unter­schla­gen wurden. Laut NABU wurden auf diesem Weg rund 100 Mil­lio­nen US-Dollar gewaschen.

Beobachter:innen ver­mu­ten, dass genau diese Ermitt­lun­gen Prä­si­dent Selen­skyj im Sommer zu harten Maß­nah­men gegen die Anti­kor­rup­ti­ons­be­hör­den ver­an­lasst haben könnten, die er nach öffent­li­chem Protest zurück­neh­men musste. Inzwi­schen betont Selen­skyj seine Unter­stüt­zung für die Ermitt­lun­gen und ordnete den Rück­tritt von Ener­gie­mi­nis­te­rin Swit­lana Hryn­tschuk und ihrem Amts­vor­gän­ger Herman Haluscht­schenko an.

„Schmier­gel­der als ‚Schlag­baum‘“

Liga ana­ly­siert die bisher ver­öf­fent­lich­ten Mitschnitte:

„Das Anti­kor­rup­ti­ons­büro berich­tet, die Haupt­tä­tig­keit der kri­mi­nel­len Orga­ni­sa­tion habe darin bestan­den, sys­te­ma­tisch unrecht­mä­ßige Vor­teile von Ver­trags­part­nern von Ener­hoatom in Höhe von 15 Prozent des Ver­trags­werts zu erschleichen.

Ver­trags­part­ner mussten [...] [antei­lige] ‚Schmier­gel­der‘ abfüh­ren, damit Zah­lun­gen für erbrachte Leis­tun­gen oder gelie­ferte Pro­dukte nicht blo­ckiert wurden oder sie ihren Lie­fe­ran­ten­sta­tus auf­recht­erhal­ten konnten. Inner­halb des Unter­neh­mens wurde diese Praxis als ‚Schlag­baum‘ bezeich­net, so [das Anti­kor­rup­ti­ons­büro] NABU.

Um diesen Plan umzu­set­zen, zog der Anfüh­rer der Gruppe [Quellen zufolge: Tymur Min­dit­sch] den ehe­ma­li­gen stell­ver­tre­ten­den Vor­sit­zen­den des Staats­ver­mö­gens­fonds [Ihor Myro­niuk], der später Berater des Ener­gie­mi­nis­ters wurde, sowie einen ehe­ma­li­gen Straf­ver­fol­gungs­be­am­ten [...] hinzu [Dmytro Basov, früher Mit­ar­bei­ter der Gene­ral­staats­an­walt­schaft, derzeit Leiter der Sicher­heits­ab­tei­lung von Ener­hoatom].

NABU ver­öf­fent­lichte einen Teil der mehr als 1.000 Stunden Audio­ma­te­rial umfas­sen­den ‚Min­dit­sch-Bänder‘, in denen drei Per­so­nen unter den Pseud­ony­men ‚Carlson‘, ‚Tenor‘ und ‚Rocket‘ auf­tre­ten. Unseren Quellen sowohl beim NABU als auch bei der [Son­der­staats­an­walt­schaft zur Kor­rup­ti­ons­be­kämp­fung] SAP zufolge ver­ber­gen sich hinter diesen Pseud­ony­men Min­dit­sch, Basov und Myroniuk.“

Foto: NABU

„Nicht möglich ohne seinen Freund Wolo­dymyr Selenskyj“

Die Ukra­jinska Prawda, die die Arbeit des NABU sys­te­ma­tisch unter­stützt, ver­öf­fent­lichte wenige Tage vor den Ent­hül­lun­gen vom 10. Novem­ber ein aus­führ­li­ches Porträt über Minditsch:

„Min­dit­sch ist ein Name, der seit mehr als einem Jahr häufig in poli­ti­schen Kreisen zu hören ist [im Zusam­men­hang mit dem für seine Regie­rungs­nähe kri­ti­sier­ten lan­des­wei­ten Nach­rich­ten­pro­gramm Tele­thon; mit dem ehe­ma­li­gen Vize­pre­mier Oleksij Tscher­ny­schow, der wegen Kor­rup­tion ange­klagt ist; mit Intrans­pa­renz bei der staat­li­chen Droh­nen­be­schaf­fung und der Rake­ten­pro­duk­tion sowie bei den Themen Energie, Kabi­nett und Banken].

[Das ist] ein Mann, der sich offen­sicht­lich vom jüngs­ten Partner und Ver­wal­ter der Medi­en­ver­mö­gen des Olig­ar­chen Ihor Kolo­mo­js­kyj zu einem der heim­li­chen Draht­zie­her im Land ent­wi­ckelt hat.

Das wäre natür­lich nicht möglich gewesen ohne seinen Freund Wolo­dymyr Selen­skyj, der 2019 das wich­tigste Amt des Landes […] über­nahm. Und auch [nicht] ohne die groß ange­legte Inva­sion Russ­lands, die demo­kra­ti­sche Mecha­nis­men in der Ukraine auf unbe­stimmte Zeit zum Erlie­gen brachte, dar­un­ter die Rechen­schafts- und Trans­pa­renz­pflicht der Regierung.“

„Wir haben groß­ar­tige Insti­tu­tio­nen aufgebaut“

Im Inter­view mit NV bewer­tet der Akti­vist Vitalii Shabu­nin, der sich dem Kampf gegen Schat­ten­wirt­schaft und Kor­rup­tion ver­schrie­ben hat, die Hand­lungs­fä­hig­keit der ukrai­ni­schen Anti­kor­rup­ti­ons­be­hör­den als posi­ti­ves Signal:

„Wir als Gesell­schaft können stolz sein. Wir haben starke Insti­tu­tio­nen auf­ge­baut. Ich möchte daran erin­nern, dass […] NABU und SAP erst wenig mehr als zehn Jahre alt sind. Sie haben während der Amts­zeit des frü­he­ren Prä­si­den­ten Petro Poro­schenko gegen dessen Team ermit­telt und ermit­teln jetzt gegen das Team des amtie­ren­den Prä­si­den­ten. Leute, wir haben groß­ar­tige Insti­tu­tio­nen auf­ge­baut. […] in den USA leisten [seit Langem bestehende] Insti­tu­tio­nen der amtie­ren­den Regie­rung viel weniger Wider­stand als unsere neuen Insti­tu­tio­nen. Das ist ein gutes Zeichen.”

Düstere Lage in Pokrowsk

Die Kämpfe um Pokrowsk ver­schär­fen sich: Trotz hef­ti­gen ukrai­ni­schen Wider­stands gewinnt Russ­land langsam die Ober­hand. Die Stadt steht zwar offi­zi­ell noch unter ukrai­ni­scher Kon­trolle. Doch ohne feste Front­li­nie und unter stän­di­ger Bedro­hung durch Drohnen und Artil­le­rie wird jede Bewe­gung zum Risiko. Ukrai­ni­sche Medien beschrei­ben die ver­än­derte rus­si­sche Taktik und spre­chen von einem neuen Kapitel des Krieges.

„Kaum eine Chance zu entkommen“

Auf Basis zahl­rei­cher anony­mer Gesprä­che mit Soldat:innen zeich­net Hro­madske-Front­kor­re­spon­den­tin Diana Butsko ein düs­te­res Bild der Lage in der Stadt:

„‚Um es kurz zu machen: Pokrowsk und [das benach­barte] Myr­n­oh­rad sind ver­lo­ren‘, sagt ein Pilot [...]. Er hat eigen­stän­dig seinen Posten in Pokrowsk ver­las­sen, wo er 13 Tage diente. Dreimal musste sich seine Einheit in dieser Zeit zurück­zie­hen, weil die Russen in der Stadt vor­rü­cken. Seine Drohnen-Einheit befand sich [nur] 900 Meter vom Feind entfernt [...].

Nicht nur Soldat:innen direkt vor Ort [...] äußern pes­si­mis­ti­sche Pro­gno­sen [...], sondern auch Offi­ziere. ‚[...] Die Russen kon­trol­lie­ren etwa 60 Prozent der Stadt. Der Feind steht auch in [den benach­bar­ten Städten] Rodynske und Myr­n­oh­rad. Die Lage ist beschis­sen‘, sagt ein hoch­ran­gi­ger Offizier. [...]

Pokrowsk stand kurz vor der voll­stän­di­gen Beset­zung, nachdem Hun­derte Russen in die Stadt ein­ge­drun­gen waren. Das ukrai­ni­sche Militär schaffte es nicht, die Lücken in der Ver­tei­di­gung zu schlie­ßen, durch die der Feind seit dem Sommer in die Stadt kommt. Dies führte dazu, dass sich die Russen in Pokrowsk sam­mel­ten und [...] nun die gesamte ukrai­ni­sche Gar­ni­son ein­zu­kes­seln drohen.

‚Wer in Pokrowsk an vor­ders­ter Front steht, ist prak­tisch umzin­gelt und hat kaum eine Chance zu ent­kom­men. Dort gibt es Häuser, Viertel und Straßen, durch die man kaum gehen kann, ohne erschos­sen zu werden‘, beschreibt besag­ter Pilot.”

„Die Russen tragen fast alle Zivil“

Der Mili­tär­ex­perte Olek­sandr Kova­lenko erklärt auf NV die ver­än­derte Taktik der rus­si­schen Armee:

„In der Stadt wendet die rus­si­sche Besat­zungs­ar­mee nun Tak­ti­ken an, bei denen sie keine voll­wer­ti­gen Ein­hei­ten von Zug‑, Kom­pa­nie- oder Batail­lons­größte ein­setzt, sondern kleine Sabo­tage- und Auf­klä­rungs­trupps von zwei bis vier Mann, manch­mal sogar nur ein­zelne Kämpfer. Dabei tragen sie in städ­ti­schen Gebie­ten fast alle Zivil­klei­dung, wodurch sie sich besser unter die Bevöl­ke­rung mischen können.

Natür­lich trugen die rus­si­schen Besat­zer auch in Bachmut, Awdi­jiwka und anderen Städten zivile Klei­dung, aber nicht in diesem Ausmaß. Derzeit sind in Pokrowsk etwa 60 bis 70 Prozent der Besat­zer in Zivil geklei­det. Das erschwert es, gegen sie vor­zu­ge­hen, denn da sind ja auch noch [echte] Zivi­lis­ten anwesend.

Sie wollen außer­dem gar nicht unbe­dingt in direkte Kon­fron­ta­tio­nen mit unseren [Streit­kräf­ten] gehen. Im Gegen­teil: Sie ver­su­chen, Feu­er­kon­takt zu ver­mei­den. Sie haben die Aufgabe, so weit wie möglich in die Stadt vorzudringen. [...]

Darüber hinaus setzen die rus­si­schen Besat­zungs­trup­pen in Pokrowsk [mit Kameras aus­ge­stat­tete] FPV-Drohnen mit mini­ma­ler Spreng­kraft, aber maxi­ma­ler Bat­te­rie­leis­tung ein, die Gassen und Stadt­vier­tel aus­kund­schaf­ten und die Stel­lun­gen der ukrai­ni­schen Ver­tei­di­gungs­kräfte aus­fin­dig machen. So können sie diese Stel­lun­gen nicht nur [leich­ter] angrei­fen, sondern die Sabo­tage- und Auf­klä­rungs­trupps, die in die Stadt ein­ge­drun­gen sind, können sie auch gezielt umgehen.”

„Der Verlust wäre schmerz­haft, aber nicht fatal“

Weil Pokrowsk teil­weise bereits ein­ge­kes­selt ist und nach wie vor heftig ange­grif­fen wird, nutzt die ukrai­ni­sche Armee die Stadt nicht mehr als zen­tra­len Logis­tik­kno­ten­punkt. Wie sich die Lage ent­wi­ckeln könnte, skiz­ziert der Mili­tär­ex­perte Viktor Kevliuk vom Ukrai­ni­schen Zentrum für Ver­tei­di­gungs­stra­te­gien auf LB:

„Vom ‚Fall von Pokrowsk‘ zu spre­chen, ist ver­früht. Mit Waf­fen­lie­fe­run­gen und einer sta­bi­li­sier­ten Logis­tik kann [die Stadt] weiter ver­tei­digt werden und der Feind ist gezwun­gen, erheb­li­che Ver­luste zu erlei­den (Hun­derte pro Tag). Die weitere Ver­tei­di­gung von Pokrowsk ist eine Inves­ti­tion in Zeit und Raum für Manöver, die nicht nur die Stadt, sondern die gesamte Ost­front schützt. Der Verlust der Stadt wäre ein schmerz­haf­ter, wenn auch nicht fataler Schlag. Ihre Ver­tei­di­gung stärkt hin­ge­gen die Posi­tion der Ukraine für künf­tige Gegenoperationen.“

Das see­li­sche Leid der Kämpfenden

Ukrai­ni­sche Soldat:innen kämpfen nicht nur phy­sisch im Krieg, sondern leiden auch psy­chisch. Viele von ihnen berich­ten, wie schwer es ist, nach Monaten an der Front vom Rest der Gesell­schaft ver­stan­den zu werden. Ukrai­ni­sche Medien beleuch­ten regel­mä­ßig, mit welchen Belas­tun­gen die Kämp­fen­den leben, welche Unter­stüt­zung sie erhal­ten und was helfen könnte, die weniger sicht­ba­ren Wunden des Krieges zu heilen.

„Ich spüre ständig diesen natio­na­len Schmerz“

Die ukrai­ni­sche Kampfsa­ni­tä­te­rin Alaska und ihre Kame­ra­din Kuba wurden durch einen Doku­men­tar­film lan­des­weit bekannt. Auf Babel erzählt Alaska, wie es ihr nach all dem erleb­ten Schmerz geht:

„Ich emp­finde kein Glück, aber solange ich kein Unglück emp­finde, ist das schon in Ordnung. Denn wenn ich kein Glück emp­fin­den kann, dafür aber auch keinen Schmerz, dann ent­scheide ich mich dafür, niemals Glück zu emp­fin­den. Ich spüre ständig diese all­ge­meine natio­nale Kata­stro­phe, diesen all­ge­mei­nen natio­na­len Schmerz. Ich sehe die Städte, in denen wir waren, und jetzt sind sie besetzt. Ich erin­nere mich daran, dass es dort ein Café gab, in dem man Kaffee mit Kokos­milch bekam. Früher pflanz­ten die Men­schen dort Blumen in den Hin­ter­hö­fen. Nichts davon gibt es mehr: Städte sterben, Men­schen sterben. Ich habe noch nicht her­aus­ge­fun­den, wie ich das über­le­ben und akzep­tie­ren kann. Ich sehe es mir an und möchte einfach nur heulen.“

„Was weg ist, ist weg“

Liga por­trä­tiert den ukrai­ni­schen Vete­ra­nen Yev­he­nii Kho­lod­nyts­kyi, der beide Arme und ein Auge verlor. Auf Tiktok zeigt er, wie er mit seinen neuen Pro­the­sen und Ein­schrän­kun­gen lebt – und sie nicht mehr als Grenzen begreift:

„Ich bin ein ein­fa­cher Mensch, ich habe es so genom­men: ‚Na schön, ver­dammt, jetzt habe ich eben keine Glied­ma­ßen mehr‘, sagt Kho­lod­nyts­kyi. ‚Laufen kann ich noch, mein Ver­stand ist mir geblie­ben und ich kann noch sehen. Ein Mann muss das gelas­sen hin­neh­men, darf nicht her­um­jam­mern, nicht weinen. Was weg ist, ist weg – es wächst ja nicht nach. Warum also leiden? Grob zusam­men­ge­fasst, habe ich die Fähig­keit ver­lo­ren, meine Schnür­sen­kel zu binden und Kreuz­stich zu sticken. Alles andere mache ich ganz normal. Und gut, dann binde ich eben keine Schnür­sen­kel mehr – ich kaufe mir einfach Schuhe mit Gummizug.“

„In der Familie über den Krieg zu spre­chen ist kein Tabu“

LB hat die Psy­cho­lo­gin Ivanna Kovalchuk gefragt, wie Fami­lien ange­hö­ri­gen Veteran:innen nahe­kom­men und die Ver­bin­dung zu ihnen halten können:

„Mit einem Vete­ra­nen oder einer Vete­ra­nin in der Familie über Krieg und Kampf­hand­lun­gen zu spre­chen, ist normal und kein Tabu, da Krieg ein großer und wich­ti­ger Teil im Leben eines Sol­da­ten oder einer Sol­da­tin ist.

Aber es gibt Nuancen. Ivanna Kovalchuk sagt, […] wenn ein nahe­ste­hen­der Mensch, der aus dem Krieg zurück­ge­kehrt ist, Details darüber mit der Familie teilen möchte, sollte man dem Raum geben. Aber es sei wichtig, wirk­lich dazu bereit zu sein. Wenn das nicht der Fall ist, sollte man das lieber offen ansprechen:

‚Wenn es Ihnen während so eines Gesprächs schlech­ter geht und Sie zum Bei­spiel anfan­gen zu weinen, könnte es auf die aus dem Krieg zurück­ge­kehrte Person wirken, als tue sie mit ihren Hand­lun­gen oder Gesprä­chen einem nahe­ste­hen­den Men­schen weh. Dann kann es sein, dass sie sich ver­schließt und mit nie­man­dem mehr über das Erlebte spre­chen will […]. Deshalb ist es so wichtig zu ver­ste­hen, ob man selbst solche Schil­de­run­gen ertra­gen kann.‘

Es gibt Fälle, in denen Veteran:innen nicht über den Krieg spre­chen. Das ist auch normal und bedeu­tet nicht, dass dadurch eine Kluft in der Familie ent­steht oder das Ver­trauen zuein­an­der schwin­det. Es kann eine Form des psy­cho­lo­gi­schen Selbst­schut­zes sein, wenn eine Person nicht bereit ist, sich an trau­ma­ti­sche Ereig­nisse zu erin­nern. Oder der Versuch, die Familie vor trau­ma­ti­schen Infor­ma­tio­nen zu schützen.“

Anton Semyz­henko ist Redak­teur der eng­lisch­spra­chi­gen Ausgabe von babel.ua in Kyjiw mit über 15 Jahren Berufs­er­fah­rung als Jour­na­list im ukrai­ni­schen Medienbetrieb.

Chris­tian-Zsolt Varga ist freier Aus­lands­kor­re­spon­dent mit Schwer­punkt Ukraine, Ungarn und Europas Osten und berich­tet für ver­schie­dene euro­päi­sche Medien aus Kyjiw.

Ukrai­ni­sche Medien

Die Online-Zeitung Ukra­jinska Prawda ver­öf­fent­licht als regie­rungs­kri­ti­sches Medium inves­ti­ga­tive Artikel und deckte auch Kor­rup­ti­ons­fälle inner­halb der ukrai­ni­schen Regie­rung auf. Sie zählt zu den meist­ge­nutz­ten Nach­rich­ten­por­ta­len der Ukraine.

Die Ukra­jinska Prawda wurde im Jahr 2000 vom ukrai­nisch-geor­gi­schen Jour­na­lis­ten Heorhij Gon­gadse gegrün­det, der im dar­auf­fol­gen­den Jahr – angeb­lich auf Ver­an­las­sung des dama­li­gen Prä­si­den­ten Leonid Kut­schma – ermor­det wurde. Die heutige Chef­re­dak­teu­rin ist die bekannte ukrai­nisch-krim­ta­ta­ri­sche Jour­na­lis­tin Sevgil Mus­aieva.

Im Mai 2021 ver­kaufte die dama­lige Eigen­tü­me­rin Olena Prytula 100 Prozent der Anteile an Dragon Capital, eine ukrai­ni­sche Invest­ment-Manage­ment-Gesell­schaft, die vom tsche­chi­schen Unter­neh­mer Tomáš Fiala gelei­tet wird.

Aufrufe der Website im Mai 2023: 69,6 Millionen

Das Online-Nach­rich­ten­por­tal und ‑Fern­se­hen Hro­madske finan­ziert sich über Crowd­fun­ding bei seinen Lese­rin­nen und Lesern, Spenden, Werbung und über für andere Medien auf­ge­nom­mene Videos.

Hro­madske wurde als NGO mit dazu­ge­hö­ri­gen Online-Medien im Novem­ber 2013 mit Beginn des Euro­mai­dan gegrün­det. Die jetzige Chef­re­dak­teu­rin ist die ukrai­ni­sche Jour­na­lis­tin Jewhe­nija Motorewska, die sich zuvor mit dem Thema Kor­rup­tion in ukrai­ni­schen Straf­ver­fol­gungs­be­hör­den befasst hat.

Die Wei­ter­ent­wick­lung von Hro­madske wird von einem Vor­stand vor­an­ge­trie­ben, der aus sieben pro­mi­nen­ten ukrai­ni­schen Per­sön­lich­kei­ten besteht, dar­un­ter Nobel­preis­trä­ge­rin Olek­san­dra Matwijtschuk.

Aufrufe der Website im Mai 2023: 2,8 Millionen

Der ukrai­ni­sche Fern­seh­sen­der mit Online-Nach­rich­ten­por­tal, dessen Chef­re­dak­teu­rin die ukrai­ni­sche Jour­na­lis­tin Chry­styna Hawryl­juk ist, wird finan­zi­ell von der ukrai­ni­schen Regie­rung unter­stützt. In diesem Zusam­men­hang hat sich die Website einer aus­ge­wo­ge­nen Bericht­erstat­tung verpflichtet.

Das renom­mierte Insti­tute of Mass Infor­ma­tion führte Suspilne.Novyny im Sep­tem­ber 2021 auf der soge­nann­ten „weißen Liste“ ukrai­ni­scher Medien, die ein sehr hohes Niveau an zuver­läs­si­gen Infor­ma­tio­nen bieten.

Suspilne.Novyny wurde im Dezem­ber 2019 gegrün­det und gehört zur Natio­na­len öffent­li­chen Rund­funk­ge­sell­schaft der Ukraine. Im Januar 2015 war die zuvor staat­li­che Rund­funk­an­stalt ent­spre­chend euro­päi­schen Stan­dards in eine öffent­li­che Rund­funk­ge­sell­schaft umge­wan­delt worden.

Aufrufe der Website im Mai 2023: 7,4 Millionen

NV ist eine Print- und Online-Zeit­schrift, deren Schwer­punkt auf Nach­rich­ten aus dem Ausland und der ukrai­ni­schen Politik liegt. Zu den Haupt­the­men zählen die inter­na­tio­nale Unter­stüt­zung der Ukraine, Kor­rup­tion sowie die künf­tige Ent­wick­lung des Landes. Die Online-Ausgabe ver­öf­fent­lich oft Artikel renom­mier­ter aus­län­di­scher Medien wie The Eco­no­mist, The New York Times, BBC und Deut­sche Welle. Die Zeit­schrift erscheint frei­tags als Druck­aus­gabe auf Ukrai­nisch, die Website ist auf Ukrai­nisch, Rus­sisch und Eng­lisch ver­füg­bar. NV gilt als eine der zuver­läs­sigs­ten Nach­rich­ten­quel­len in der Ukraine.

NV wurde im Jahr 2014 – ursprüng­lich unter dem Namen Nowjoe Wremja („Die neue Zeit“) – vom ukrai­ni­schen Jour­na­lis­ten Witalij Sytsch gegrün­det, der die Chef­re­dak­tion über­nahm. Zuvor arbei­tete Sytsch bei dem eben­falls popu­lä­ren Magazin Kor­re­spon­dent. Er verließ Kor­re­spon­dent, nachdem es an Serhij Kur­tschenko – einen Janu­ko­wytsch nahe­ste­hen­den Olig­ar­chen aus Charkiw – ver­kauft worden war. NV gehört zum Ver­lags­haus Media-DK, dessen Eigen­tü­mer der tsche­chi­sche Unter­neh­mer Tomáš Fiala ist.

Aufrufe der Website im Mai 2023: 27,1 Millionen

Dser­kalo Tyschnja liefert Hin­ter­grund­be­richte und Ana­ly­sen; das The­men­spek­trum umfasst poli­ti­sche, wirt­schaft­li­che, soziale und kul­tu­relle Themen. Die Zeitung betrach­tet die ukrai­ni­sche Politik und deren Akteure in einem inter­na­tio­na­len Zusam­men­hang. Dser­kalo Tyschnja steht auf der „weißen Liste“ ukrai­ni­scher Medien, die zuver­läs­sige Infor­ma­tio­nen liefern.

Dser­kalo Tyschnja ist eine der ältes­ten ukrai­ni­schen Zei­tun­gen und erschien zuerst 1994. Seit 2020 ist die Zeitung nur noch online ver­füg­bar: auf Ukrai­nisch, Rus­sisch und Eng­lisch. Chef­re­dak­teu­rin ist die bekannte ukrai­ni­sche Jour­na­lis­tin Julija Mostowa, Ehefrau des ehe­ma­li­gen ukrai­ni­schen Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ters Ana­to­lij Hrysenko.

Aufrufe der Website im Mai 2023: 4,7 Millionen

Das ukrai­ni­sche Online-Magazin Babel wurde im Sep­tem­ber 2018 gegrün­det. Das The­men­spek­trum umfasst soziale und poli­ti­sche Themen; beson­de­res Augen­merk gilt aber auch Nach­rich­ten aus der Wis­sen­schaft und über neue Technologien.

Nach dem 24. Februar 2022 wurde die zuvor eben­falls ange­bo­tene rus­si­sche Version der Website geschlos­sen. Statt­des­sen wird nun eine eng­li­sche Version ange­bo­ten. Babel finan­ziert sich über Spenden. Die Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter von Babel enga­gie­ren sich in zahl­rei­chen Pro­jek­ten, die darauf abzie­len, die ukrai­ni­schen Streit­kräfte während des Krieges zu unterstützen.

Die Eigen­tü­mer des Online-Maga­zins sind der erste Chef­re­dak­teur Hlib Husjew, Kateryna Kober­nyk und das slo­wa­ki­sche Unter­neh­men IG GmbH.

Heute ist die ukrai­ni­sche Jour­na­listin Kateryna Kober­nyk Chef­re­dak­teurin von Babel.

Aufrufe der Website im Mai 2023: 1,1 Millionen

Das Online-Magazin LB gehört zum Hor­schenin-Insti­tut, einer ukrai­ni­schen Denk­fa­brik, die sich mit poli­ti­schen und gesell­schaft­li­chen Pro­zes­sen in der Ukraine und der Welt beschäf­tigt. LB hat sich auf Inter­views spe­zia­li­siert; häufige Themen sind die ukrai­ni­sche Innen- und inter­na­tio­nale Politik sowie soziale Fragen in der Ukraine.

LB wurde im Juni 2009 unter dem Namen Liwyj Bereh gegrün­det, Chef­re­dak­teu­rin Sonja Kosch­kina hat seit 2018 einen eigenen Youtube-Kanal „Kish­kiNA“, auf dem sie Inter­views mit ver­schie­de­nen Per­so­nen veröffentlicht.

Aufrufe der Website im Mai 2023: 2 Millionen

Im Fokus des ukrai­ni­schen im Jahr 2000 gegrün­de­ten Online-Nach­rich­ten­por­tals LIGA stehen wirt­schaft­li­che, poli­ti­sche und soziale Themen. Seit 2020 steht LIGA auf der „weißen Liste“ ukrai­ni­scher Medien, die stets präzise Infor­ma­tio­nen und zuver­läs­sige Nach­rich­ten anbieten.

Chef­re­dak­teu­rin ist die ukrai­ni­sche Jour­na­lis­tin Julija Bankowa, die davor eine lei­tende Posi­tion bei dem Online-Magazin Hro­madske hatte.

Der Eigen­tü­mer des Nach­rich­ten­por­tals ist die ukrai­ni­sche unab­hän­gige Media­hol­ding Liga­me­dia, deren Geschäfts­füh­rer Dmytro Bon­da­renko ist.

Aufrufe der Website im Mai 2023: 8,5 Millionen

Censor prä­sen­tiert sich als Website mit „emo­tio­na­len Nach­rich­ten“. Der Fokus liegt vor allem auf innen­po­li­ti­schen Ent­wick­lun­gen. Seit dem rus­si­schen Über­fall auf die Ukraine sind viele Bei­träge den Ereig­nis­sen an der Front und den ukrai­ni­schen Streit­kräf­ten gewid­met. Censor ist auf drei Spra­chen ver­füg­bar: Ukrai­nisch, Rus­sisch und Englisch.

Das Nach­rich­ten­por­tal Censor wurde 2004 vom bekann­ten ukrai­ni­schen Jour­na­lis­ten Jurij Butusow gegrün­det und zählt zu den popu­lärs­ten Nach­rich­ten­sei­ten des Landes. Butusow gilt als schar­fer Kri­ti­ker von Prä­si­dent Selen­skyj. Er erhebt schwere Vor­würfe in Bezug auf Kor­rup­tion inner­halb der ukrai­ni­schen Regie­rung, schlechte Vor­be­rei­tung auf den Krieg gegen Russ­land und unbe­frie­di­gende Ver­wal­tung der Armee. Butusow wird von über 400.000 Men­schen auf Face­book gelesen. Seine Posts auf dem sozia­len Netz­werk haben enormen Ein­fluss und lösen hitzige Dis­kus­sio­nen aus.

Aufrufe der Website im Mai 2023: 59 Millionen

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