Schukow vs. Bandera oder: Neue ukrainische Umbenennungsspielchen
Keinen Monat nach Selenskyjs Amtseinführung sah sich der neue Präsident mit Herausforderungen im Bereich der Symbolpolitik konfrontiert, die man je nach politischem Standpunkt unterschiedlich interpretieren kann. Andrii Portnov erläutert in seiner Analyse, was es mit diesen Umbennungsspielchen auf sich hat.
Anmerkung der Redaktion: dieser Artikel wurde von „Ukraine verstehen“ zuerst im Juni 2019 veröffentlicht.
Marschall Schukow Seit‘ an Seit‘ mit General Hryhorenko
Gegen Ende der 60er Jahre wurde im sowjetischen Charkiw die damals so genannte Stadion-Straße gebaut . 1983 wurde sie in Straße zum 60. Jahrestag des Bestehens der UdSSR umbenannt, 1990 zur Marschall Schukow-Allee. Am 17. Mai 2016 wurde die Allee nach General Petro Hryhorenko benannt, einem Kriegstheoretiker, einem sowjetischen Teilnehmer des Großen Vaterländischen Krieges„ später dann ukrainischen Menschenrechtsaktivisten und Gründungsmitglied der Ukrainischen Helsinki-Gruppe, der 1977 zur Ausreise aus der Sowjetunion gezwungen wurde.
Kurz vor dem 9. Mai diesen Jahres machte in Charkiw eine Petition für die Rückbenennung in Schukow-Allee die Runde. Dies geschah am Vorabend der Präsidentschaftswahlen, bei denen der Bürgermeister von Charkiw, Hennadiy Kernes, offen den amtierenden Präsidenten Petro Poroschenko unterstützte. Die Gunstbezeugung des – gelinde gesagt – umstrittenen Politikers sorgte bei proukrainischen Intellektuellen für Entrüstung.
Der bekannte ukrainische Schriftsteller und Charkiwer Bürger Serhij Zhadan brachte sein Befremden sogleich zum Ausdruck und bezeichnete Kernes als „destruktive Person, weit davon entfernt, im Interesse der Ukraine zu handeln.“
In jedem Fall hinderte die Unterstützung Poroschenkos durch Kernes Wolodymyr Selenskyj nicht daran, einen klaren Sieg nicht nur in Charkiw, sondern auch in sämtlichen anderen Regionen (mit Ausnahme der Lwiwer Oblast) einzufahren. Der Bürgermeister von Charkiw beschloss, die vorgezogenen Parlamentswahlen unter dem Banner der neuen Partei „Glaube an die Tat“ [„Доверяй делам“] zu bestreiten, deren Parteivorsitz er sich mit dem in patriotischen Kreisen (wegen seiner russischen Staatsbürgerschaft) nicht weniger verhassten Bürgermeister von Odesa, Hennadiy Truchanow, teilt.
Der Parteikongress fand am zweiten Juli in Charkiw statt. Am selben Tag rissen Vertreter des rechtsextremen „Nationalistischen Korps“ im Zuge einer Protestveranstaltung gegen das neue Politprojekt das Denkmal von Marschall Schukow von seinem Sockel. Damit ist der „Siegesmarschall“ vollends zum Aufhänger einer politischen Auseinandersetzung degradiert geworden. Die Situation wurde zusätzlich durch eine Initiative von Kernes befeuert, nämlich den (erfolglosen) Versuch, das 2014 von Freiwilligen im Zentrum der Stadt errichtete Militärzelt „Alles für den Sieg“ abzutragen.
Die Pressesprecherin des neugewählten Präsidenten kommentierte den „Fall Schukow“ folgendermaßen: „der Präsident ist der Ansicht, dass für die Lösung solcher Konflikte im gesetzlichen Rahmen ausschließlich die städtische Selbstverwaltung zuständig ist. Dies sieht die Durchführung öffentlicher Konsultationen und Anhörungen sowie die Umsetzung einer für alle beteiligten Seiten zufriedenstellenden Lösung vor.“
Angesichts der Tatsache, dass die Dekommunisierungsgesetze Ausnahmen für Angehörige des sowjetischen Widerstands und Verfolgte des Nazi-Regime vorsehen, gibt ein solcher Kommentar unmissverständlich zu verstehen, dass die neuen Machthaber in Kyjiw keine Einwände gegen die Wiederumbenennung haben.
Am 19. Juli 2019 stimmte der Charkiwer Stadtrat für die Rückbenennung der Hryhorenko-Allee in Marschall Schukow-Allee. Kernes segnete den Beschluss ab und erklärte die vorangegangene Umbenennung durch die Regionalverwaltung für unrechtmäßig. Ferner wies er darauf hin, dass für die Rückkehr zu Schukow mehr als 50.000 Unterschriften gesammelt worden seien – kurzum: der Bürgermeister berief sich auf „Volkes Stimme“, ohne auch nur im Entferntesten auf die Frage der historischen Bedeutung der beiden sowjetischen Militärs einzugehen, frei nach dem Motto: „die Charkiwer wollen Schukow, sie kriegen Schukow.“
Daraufhin gab der Leiter des Instituts für Nationales Gedenken, Wolodymyr Wjatrowitsch bekannt, dass sein Institut eine Klage beim Generalstaatsanwalt eingereicht habe, um Kernes strafrechtlich zu belangen. Bezeichnenderweise kandidierte Wjatrowitsch selbst, wenn auch erfolglos, auf der Liste der Partei Poroschenkos „Europäische Solidarität“. Jene Partei, wie auch der Ex-Präsident, räumten im Wahlkampf solchen und ähnlichen Fragen einen hohen Stellenwert ein. Einen ähnlichen Ansatz verfolgten Poroschenkos ideologische Gegenspieler von der „Oppositionsplattform – für das Leben“, die unablässig darauf hinwiesen, dass sie ja „den Tag des Sieges begehen“ und dass die Ukraine „nach wie vor zwischen Ost und West geteilt sei“. Die Selenskyj-Partei hingegen hoffte, an den Erfolg ihres Präsidenten anknüpfen zu können, und vermied nach Kräften eindeutige Aussagen zu erinnerungs‑, sprach- und kirchenpolitischen Fragen – sogar in einer Situation, in der eine ausbleibende Parteinahme für Petro Hryhorenko offensichtlich unangebracht ist, handelt es sich hierbei doch um einen Verfechter von Menschenrechten, darunter insbesondere der Rechte der Krimtataren, die deportiert und denen das Recht auf Rückkehr in ihre historische Heimat durch die UdSSR vorenthalten wurde.
Gleichwohl wurde ausgerechnet General Hryhorenko das erste Opfer der De-Dekommunisierung.
Er erlitt eine symbolische Niederlage gegen Marschall Schukow, dessen „beispiellose Grausamkeit“ und stümperhafte Führung im Kampf er mit spitzer Feder in seinen Erinnerungen beschreibt. Den lokalen Machthabern schien Schukow (beziehungsweise der Mythos des „Siegesmarschalls“) als passender Name für ihre Umbenennungsspielchen im Wahlkampf ins Konzept zu passen. Was steht dabei auf dem Spiel? Und welche Ausmaße nimmt das Phänomen landesweit an?
Bandera- und Schuchewitsch-Allee unter Vorbehalt
Am 25. Juli 2019, kaum eine Woche nach dem Beschluss des Charkiwer Stadtrats, nahm das Bezirksverwaltungsgericht in Kyjiw die Umbenennungen der Moskau-Allee in Bandera-Allee und der Watunin-Allee in Schuchewitsch-Alle zurück. Damit gab das Gericht einer Klage der kaum bekannten „Jüdischen Menschenrechtsgruppe“ und der „Antifaschistischen Menschenrechtsliga“ gegen den Kyjiwer Stadtrat statt und begründete seine Entscheidung mit Verstößen gegen das Umbenennungsverfahren, mit fehlender ordnungsgemäßer Begründung und einer unzureichenden öffentlichen Auseinandersetzung.
Der Kyjiwer Bürgermeister Witalij Klitschko versprach umgehend, sich der Sache anzunehmen, und die Alleen – sofern nötig – erneut umzubenennen. Das Umfeld von Selenskyj ließ erneut die Absicht durchklingen, die Stadtbewohner entscheiden zu lassen. Der Leiter des Präsidialbüros, Andrij Bohdan, schlug vor, die Frage der Umbenennung durch ein Referendum oder mittels einer Meinungsumfrage zu entscheiden.
Zur Erinnerung: die Bandera-Allee existiert seit 7. Juli 2016, die Schuchewitsch-Allee seit dem ersten Juni 2017. Beide Umbenennungen sind im Kontext der Legitimierung nationalistischer Symbolik durch den Maidan und den Krieg im Donbas zu verstehen.
Serhij Ekeltschyk notiert dazu: „Man kann sagen, dass das Bandera-Bild während des Euromaidan zu einem Symbol des Widerstandes gegen das korrupte und prorussische Regime umgedeutet wurde und so den Bezug zum historischen Bandera – einem überzeugten Verfechter eines exklusiven ethnischen Nationalismus – verlor“.
Erst der Maidan und der Krieg machten es überhaupt möglich, dass das toponymische Gedenken an Bandera die historischen Grenzen Ostgaliziens (die Oblasten Lwiw, Iwano-Frankiwsk und Ternopil) überschreiten konnte. Die Schlüsselrolle spielte dabei der semantische Aspekt des „Antimoskauertums“. In der Logik des Kyjiwer Stadtrates drängte dieser Aspekt im Zuge der militärischen Auseinandersetzung mit Russland die Frage nach dem Wesen des Nationalismus des Bandera-Flügels, der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) und ihrer historischen Verantwortung für antipolnische, antijüdische und antiukrainische (im Falle politischer Gegner der Nationalisten) Aktionen in den Hintergrund.
Der Wechsel von General Nikolaj Watunin (tödlich verwundet im Kampf gegen eine Einheit der Ukrainischen Aufständischen Armee im Februar 1944) zu UPA-Oberbefehlshaber Roman Schuchewitsch (gefallen am 5. März 1950 im Kampf mit einer Spezialeinheit des Ministeriums für Staatssicherheit) sollte dem nationalistischen Untergrund offensichtlich zumindest auf toponymischer Ebene einen Sieg ermöglichen.
Die Umbenennungen in Kyjiw sind zur Blaupause für Nachahmungen in den Regionen geworden.
So wurde etwa die Babuschkin-Straße in einem ehemaligen Arbeiterviertel in Dnipro (ehemals Dnipropetrowsk) in Schuchewitsch-Allee umgetauft. Der Berater Lenins, Babuschkin, blieb von der Dekommunisierung nicht verschont, obwohl er 1906, mehr als 10 Jahre vor der Machterlangung der Bolschewiki, umgebracht wurde. Übrigens wurde bis zum heutigen Tag kein Schild mit dem neuen Namen angebracht.
Ein außenstehender Beobachter, mit den Stereotypen über Bandera in Polen, Tschechien oder Deutschland vertraut, könnte verständlicherweise geneigt sein, die Entscheidung des Kyjiwer Gerichts als Schritt in Richtung „echter Europäisierung“ und als Absage an einen ethnischen Nationalismus zu deuten. Doch eine solche Interpretation zeugt von Naivität oder Zynismus. Die Entscheidung des Kyjiwer Gerichts ist kaum weniger politisch als eine Reihe von anderen gerichtlichen Entscheidungen vor und nach den Wahlen, etwa zur Rechtmäßigkeit der Verstaatlichung der Privatbank oder über die Registrierung von Kandidaturen ehemaliger wohlbekannter Apparatschiki des Janukowytsch-Regimes für die Wahlen. Auch in diesem Fall dienen die historischen Figuren lediglich als Austragungsstätte von Interessenskonflikten, die naturgemäß weit von einer verantwortungsbewussten Auseinandersetzung über die Vergangenheit entfernt sind.
Warum Bandera?
Es stellt sich die Frage, weshalb ausgerechnet Bandera zur maßgeblichen Reizfigur ukrainischer Erinnerungspolitik und einer verkürzten Rezeption der ukrainischen Geschichte des 20. Jahrhunderts werden konnte. Und inwieweit der Mythos um diesen Namen in Einklang steht mit den Taten der realen historischen Person Stepan Bandera – des Führers des radikalen Flügels der OUN, der im Polen der Zwischenkriegszeit für die Organisation mehrerer Terrorakte (insbesondere die Ermordung des sowjetischen Konsuls in Lwiw und des polnischen Innenministers) zum Tode verurteilt wurde, und der fast den gesamten Zweiten Weltkrieg im deutschen KZ Sachsenhausen inhaftiert war für den Versuch, im von deutschen Truppen besetzten Lwiw einen „Akt der Wiederherstellung eines unabhängigen ukrainischen Staates“ (am 30. Juni 1941) auszurufen und aufzubauen.
Am 15. Oktober 1959 wurde Bandera in München durch einen sowjetischen Geheimagenten getötet. Jenes Ereignis spielte nachgerade eine Schlüsselrolle bei der Mythologisierung des OUN-Führers – weniger der Mord an sich, um genau zu sein, als das weitere Verhalten des Mörders, der in der Nacht vom 12. auf den 13. August 1961 (in derselben Nacht, als mit der Errichtung der Berliner Mauer begonnen wurde) mit seiner ostdeutschen Frau nach Westberlin floh und sich den Behörden ergab. Der Gerichtsprozess gegen den Mörder Banderas, der 1962 in Karlsruhe stattfand, zog große Aufmerksamkeit auf sich, blieb nicht ohne Einfluss auf die internationale Politik und führte dazu, dass sich die Sowjetunion von der Ermordung politischer Gegner im Ausland lossagte. Darüber hinaus trug der Wirbel rund um den Prozess maßgeblich dazu bei, Bandera zum Symbol des „unversöhnlichen Kampfes für die Ukraine“ zu machen.
„Anstatt die Emigranten-Community zu spalten und einen internen Konflikt zwischen den Führern der militantesten ukrainischen Organisationen zu provozieren, hatte der Mord an Bandera zur Folge, dass ein Führer liquidiert wurde, der zu diesem Zeitpunkt keineswegs sonderlich populär war und keine reale Bedrohung darstellte. Seine Ermordung machte ihn zum Märtyrer und gab seinen Anhängern auf diese Weise ein Instrument zur Mobilisierung in die Hand, an dem es ihnen bis dato gemangelt hatte“, so Serhij Plokhij.
Die intensive sowjetische „Anti-Bandera“-Propaganda trug dazu bei, dass aus dem sowjetischen Antihelden die zentrale Figur nicht nur der nationalistischen, sondern auch der nationalen Erzählung wurde. Der Name Bandera wurde zum Kampfbegriff, und mit dem Begriff „Banderowtsy“ wurden fortan alle ukrainische Nationalisten bezeichnet, bisweilen auch alle Bewohner der Westukraine, oder diejenigen, die Ukrainisch sprechen. Dabei konnte und kann die Bezeichnung „Banderowets“ nicht neutral sein; es ist unvermeidlich, dass sie ideologisch vorbelastet ist, sei es extrem positiv oder negativ.
Die Abstoßung des „sowjetischen Anderen“ bei gleichzeitig verstärkter Bezugnahme auf dieses Andere ist ein Paradox, das sich im Kontext der Revolution oft beobachten ließ. Neben Vertretern rechtsradikaler Parteien, die bewusst ein positives Bandera-Bild beförderten, begann ein nicht unwesentlicher Teil der Anhänger der „Revolution der Würde“ damit, sich selbst Banderowets zu nennen. Oftmals stand dahinter die Absicht, auf diese Weise ihre Ablehnung der russischen Staatspropaganda mit ihrem Versuch, den Maidan als „faschistischen Putsch“ zu framen, zum Ausdruck zu bringen.
Durch die Appropriation der propagandistischen Labels zur positiven Selbstzuschreibung tappten diese Menschen jedoch in eine ideologische Falle, da sie sehr wenig oder nichts wussten über die autoritären Ansichten und militanten Methoden Banderas, die nichts gemein hatten mit den grundlegenden Forderungen und Hoffnungen des Maidan.
Und täglich grüßt das Murmeltier?
In der postsowjetischen Ukraine steigt das Interesse für Denkmäler, Straßennamen und ähnliche erinnerungspolitische Erscheinungsformen traditionsgemäß am Vorabend der Wahlen und nimmt anschließend wieder ab. Oft genug hat sich die Position zu den Symbolen der Vergangenheit als geeigneter Indikator zur ideologischen Unterscheidung erwiesen – zumal die klassische Aufteilung in „Linke“ und „Rechte“ in diesem politischen System nicht verfängt.
In der gegenwärtigen Ukraine verbinden viele die Dekommunisierung mit der Präsidentschaft Poroschenkos, wobei die Hauptvorwürfe ihm gegenüber in der Regel nicht die Symbolpolitik als vielmehr Fragen der wirtschaftlichen Entwicklung, der Korruption und des Krieges betreffen.
Die Ablehnung der Umbenennung erweist sich dabei als einfacher Weg, um sich vom politischen Erbe Poroschenkos zu distanzieren – umgekehrt stellt ihre Verteidigung ein probates Mittel zur Mobilisierung gegen die „Revanche“ dar.
Gleichzeitig kann von einer gesellschaftlich signifikanten Mobilisierung im Rahmen der Rücknahme der Schukow-Allee in Charkiw nicht die Rede sein. Etwas anderes ist der bereits erwähnte Versuch, das Militärzelt „Alles für den Sieg“ im Zentrum von Charkiw zu entfernen. In diesem Fall hat das Landesverwaltungsgericht Charkiw nach einer Protestaktion mit mehr als 500 Teilnehmern eine Klage der örtlichen Behörden abgewiesen, die sich bemüht hatten, das Zelt als „mögliche Gefährdung der Sicherheit der Bewohner“ darzustellen.
Die Episode legt den Schluss nahe, dass die symbolischen Initiativen vorläufigen Charakter haben – und selbst mächtige lokale Machthaber ihr Vorhaben bei spürbarem gesellschaftlichen Protest zurücknehmen müssen.
Dabei kann von einer systematischen Haltung sowohl der lokalen als auch der zentralen Behörden im Bereich der Erinnerungspolitik nicht die Rede sein. Ein gutes Bespiel hierfür ist die Aussage der Leiterin der Charkiwer Regionalverwaltung, Yulija Swetlitschna (von Poroschenko ernannt) zu ihrer persönlichen Haltung zur Umbenennung der Grigorenko-Allee: „Ich kenne Schukow nicht, daher kann ich weder für, noch gegen ihn sein.“ Das ist kein Bürokraten-Kauderwelsch, das ist Unwissenheit – und ein Hinweis darauf, dass beliebige historische Figuren in der Ukraine für die Erinnerungspolitik nicht mehr sind als entleerte Marker für gegenwärtige politische Orientierungen.
In diesem Kontext ist es wichtig zu verstehen, dass weder die Anhänger noch die Gegner der Glorifizierung Banderas (oder Schukows) homogene Gruppen darstellen.
Die Verherrlichung sowohl des einen als auch es anderen lässt sich etwa aus einer pro-putinistischen, radikal xenophoben oder demokratischen Warte aus kritisieren. Eine Kritik an Bandera (oder Schukow) macht einen Menschen also nicht automatisch zu einem Unterstützer demokratischer Werte (respektive des sowjetischen Narratives). Jede Aussage muss sowohl den gesellschaftlichen Überdruss in Hinsicht auf die Erinnerungspolitik als auch die Lücken insbesondere im historischen Wissen sowie herrschende Vorstellungen berücksichtigen.
Eine politische Instrumentalisierung, die dem individuellen Schicksal vergangener Epochen gegenüber gleichgültig ist, macht eine ernsthafte, nicht populistisch-erratische Auseinandersetzung mit schwierigen Fragen der Vergangenheit im öffentlichen Raum faktisch unmöglich, und Unklarheit darüber, was wahr ist, führt zu Unsicherheit über die Vergangenheit. Dann nämlich wird der symbolische Sieg von Marschall Schukow über General Hrihorenko zu einem wirklich schlechten Zeichen.
P.S.: Am Morgen des 11. Juli 2019 teilte der Bürgermeister von Charkiw, Hennadij Kernes, auf Facebook mit, dass er „wie versprochen“ die Büste von Marschall Schukow an seinen alten Platz gesetzt habe – und veröffentlichte ein Foto des instandgesetzten Denkmals.
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