Deutsch-Ukrainischer Parlamentsdialog zum Unterstützungsbedarf der Ukraine 2025
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Am 29. Januar präsentierten LibMod und Berlin Economics im Rahmen des deutsch-ukrainischen Parlamentsdialog das Policy Paper „Support Needs for Ukraine 2025“. Gemeinsam mit Verterter:innen des Bundestags und der Werchowna Rada diskutierten wir den dringenden Finanzierungsbedarf für den Haushalt und die Militärausgaben der Ukraine sowie die Möglichkeiten, eine große Finanzierungslücke zu schließen und eine nachhaltige Finanzierung zu sichern.
Die wirtschaftliche Lage der Ukraine und der Finanzierungsbedarf
Seit Beginn des russischen Angriffskriegs steht die Ukraine vor einer schwierigen wirtschaftlichen und finanziellen Lage. Die Militärausgaben stiegen drastisch, während die Wirtschaft einbrach, wodurch der Bedarf an Finanzierung von außen stark wuchs.
In den ersten Kriegsmonaten musste die ukrainische Nationalbank Geld drucken, um das Haushaltsdefizit zu finanzieren. Gleichzeitig hatte die Ukraine seit Februar 2022 keinen Zugang zum internationalen Kapitalmarkt, was zu einer hohen Inflation führte. Mit der Zeit begannen die internationalen Partner, ihre Hilfe besser zu koordinieren. Sie schufen die Multi-Agency Donor Coordination Platform, und identifizierten Finanzierungsquellen neben den multilateralen Finanzinstitutionen. Ein Wendepunkt war die Schaffung des EU-Finanzierungsinstruments Ukraine Facility, welches eine regelmäßige Finanzierung ermöglichte. Ein weiterer Meilenstein war als die G7 2024 das ERA-Darlehen (Extraordinary Revenue Acceleration Loan) gewährte. Doch bleibt eine entscheidende Frage: Reichen diese Mittel aus, um den Finanzbedarf der Ukraine 2025 zu decken?
Wirtschaftsentwicklung und Haushaltslage
Nach einem Einbrechen des Bruttoinlandsproduktes um 28,8 % im Jahr 2022 konnte die ukrainische Wirtschaft 2023 ein Wachstum von 5,5 % verzeichnen. Für 2024 und 2025 erwarten Beobachter ein moderates Wachstum, aber bis 2027 wird die Wirtschaft nicht erholen.
Der Staatshaushalt bleibt kriegsbedingt unsicher. Die Einnahmenprognosen für 2025 liegen bei 49,8 Mrd. USD (5 % über dem Vorkriegsniveau), decken aber nicht die Ausgaben von 88,2 Mrd. USD. Das daraus resultierende Defizit von 38,4 Mrd. USD (20,4 % des BIP) erhofft Kyjiw durch internationale Hilfe, inländische Kredite und Steuerreformen zu decken. Die Schätzung des Defizits von 38,4 Mrd. USD entspricht der niedrigsten seit Kriegsbeginn und liegt im Rahmen der Prognosen des IWF und des Instituts für Wirtschaftsforschung (GET/IER).
Die Ukraine ist daher zunehmend auf internationale Finanzhilfen angewiesen. Die erwartete finanzielle Unterstützung und inländische Kreditaufnahme beläuft sich 2025 auf 21,6 Mrd. USD, wodurch eine Finanzierungslücke von 16,8 Mrd. USD verbleibt.
Der IWF geht in seinem Basisszenario davon aus, dass die Kämpfe im letzten Quartal 2025 nachlassen, räumt aber erhebliche Unsicherheiten ein. Im negativen Szenario, das vom Ende des Krieges erst 2026 ausgeht, könnte das Haushaltsdefizit 2025 auf 26 % des BIP steigen.
Ein rein budgetärer Ansatz greift jedoch zu kurz. Statt nur auf das Haushaltsdefizit zu fokussieren, wäre ein ganzheitlicher Ansatz sinnvoll, wie es in dem Beitrag von Berlin Economics präsentiert wird. Das Dokument analysiert neben dem Haushalt auch die militärischen Ausgaben, den Energiesektor und die humanitäre Hilfe als Teile eines Ganzen.
Militärische Ausgaben und die Finanzierung durch ERA
Die Ukraine finanziert ihre Armee aus eigenen Steuereinnahmen, während internationale Finanzhilfen vor allem für zivile Zwecke verwendet wurden. Mit der G7-Ankündigung eines ERA-Darlehens von 50 Mrd. USD wird erstmals eine Finanzierung explizit auch für militärische Zwecke ermöglicht.
Zwischen Januar 2022 und Oktober 2024 erhielt die Ukraine direkte Militärhilfe in Höhe von 130,4 Mrd. USD, im Durchschnitt pro Jahr 46 Mrd. Zählt man dies zu dem Budgetbedarf von 38,4 Mrd. USD hinzu, ergibt sich für 2025 ein Gesamtfinanzierungsbedarf von 84,4 Mrd. USD.
Der IWF erwartet unter dem ERA-Darlehen 2025 eine Auszahlung von 19 Mrd. USD, der Rest soll in den Folgejahren dazukommen. Selbst wenn der gesamte Betrag von 50 Mrd. USD sofort 2025 bereitgestellt würde, bliebe eine Finanzierungslücke von 12,8 Mrd. USD.
Ein Teil dieses Defizits könnte durch bilaterale Abkommen gedeckt werden. Doch die Beiträge der wichtigsten Geberländer – insbesondere der USA und Deutschlands – stehen unter einem großen Fragezeichen.
Effizienzsteigerung durch lokale Rüstungsproduktion
Ein möglicher Ansatz zur Senkung der Militärausgaben wäre die Förderung der ukrainischen Rüstungsindustrie nach dem sogenannten „dänischen Modell“. Der Kauf von in der Ukraine hergestellter Munition und Ausrüstung könnte die Kosten bis um das Dreifache reduzieren. Die Stärkung der ukrainischen Rüstungsindustrie würde nicht nur Kosten senken, sondern auch die Versorgungssicherheit erhöhen.
Auswirkungen des Stopps von USAID-Programmen
Ein großes Problem stellt die Einstellung der USAID-Programme für die Ukraine dar. Diese Programme unterstützten die Regierung bei Reformen, im Gesundheitssektor und bei der humanitären Versorgung, fördern Medien und zivilgesellschaftliche Initiativen. Ein permanenter Wegfall der USAID Hilfe hätte schwerwiegende Folgen für die ukrainische Gesellschaft.
Besonders betroffen ist der Energiebereich: Dem von den USA mitfinanzierten „Energy Support Fund“ könnte das Geld ausgehen. Dies gefährdet den Wiederaufbau der ukrainischen Energieinfrastruktur, die weiterhin russischen Luftangriffen ausgesetzt ist.
Russische Vermögenswerte als Finanzierungsquelle
Eingefrorene russische Staatsvermögen belaufen sich auf etwa 300 Mrd. USD. Diese Summe wäre weit effektiver für die Finanzierung der Ukraine als das ERA-Darlehen von 50 Mrd. USD, da sie die langfristige Unterstützung sichern könnte.
Die Teilnehmer:innen der Diskussion rieten deshalb dazu, eine vollständige Nutzung dieser Gelder anzustreben, anstatt europäische Steuerzahler weiter zu belasten. Vorrangig sollten diese Mittel für militärische Unterstützung genutzt werden, erst danach für Wiederaufbau und Entlastung der Wirtschaft.
Kriegssteuer auf russische LNG-Importe
Ein weiterer Vorschlag der Diskussionsteilnehmenden ist die Einführung einer „War Tax“ auf russisches Flüssiggas, das weiterhin in großen Mengen in die EU-Mitgliedsstaaten gelangt. Die daraus resultierenden Einnahmen könnten zur Finanzierung der Ukraine beitragen.
EU-Integration und Marktöffnung
Die Beschleunigung der EU-Beitrittsverhandlungen und eine vollständige Öffnung des EU-Marktes für ukrainische Produkte könnten die ukrainische Wirtschaft zusätzlich stabilisieren. Der Abbau von Zöllen und Handelshindernissen würde das Wachstumspotenzial erheblich steigern.
Fazit
Die finanzielle Lage der Ukraine bleibt sehr angespannt. Trotz internationaler Hilfen und neuer Finanzierungsmechanismen bestehen weiterhin erhebliche Defizite. Rechnet man noch Ausrüstung zur Reparatur durch russische Angriffe beschädigter Energieinfrastruktur oder andere humanitäre Unterstützung dazu, entstehen schätzungsweise zusätzliche Bedarfe 6,7 Mrd. USD pro Jahr. Zusammengerechnet mit dem Haushalts- und Militärbedarf von insgesamt 84,4 Mrd. USD würden somit die jährlichen Gesamtbedarfe der Ukraine im Jahr 2025 auf 91,1 Mrd. USD steigen, was eine vollständige Deckung noch unwahrscheinlicher macht.
Während des Online-Dialogs diskutierten die Teilnehmenden solche Maßnahmen wie die bilaterale Unterstützung, die verstärkte Nutzung eingefrorener russischer Vermögenswerte, die Förderung der heimischen Rüstungsindustrie sowie wirtschaftliche Maßnahmen wie eine schnellere EU-Integration und eine Besteuerung russischer Energieexporte.
Ob die bestehenden Finanzierungsmaßnahmen ausreichen, bleibt fraglich. Klar ist jedoch: langfristige und verlässliche Unterstützung hat für die Ukraine eine existenzielle Bedeutung, ohne diese kann sie sich gegen russische Aggression nicht dauerhaft wehren.
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