Das habe ich schon mal gehört

Maksym Butkevych
Foto: Emile Ducke

Die Geschichte, dass die Ukraine den Krieg nicht hätte begin­nen sollen, habe ich schon gehört, bevor Donald Trump sie erzählt hat – von meinen rus­si­schen Gefäng­nis­wär­tern. Der Jour­na­list, Men­schen­recht­ler und ehe­ma­lige Kriegs­ge­fan­gene Maksym But­ke­vych ana­ly­siert in einem neuen Blog­ein­trag den Pakt zwi­schen Trump und Putin.

20. Februar 2025

Geschich­ten darüber, dass Wolo­dymyr Selen­skyj ein mit­tel­mä­ßi­ger Komiker ist – dass er in der Ukraine keine Unter­stüt­zung erfährt, dass die Zeit abläuft, dass die Ukraine nur noch dank ame­ri­ka­ni­scher Hilfen exis­tiert, und vor allem, dass die Ukraine den Krieg nicht hätte begin­nen sollen („Russ­land beginnt keine Kriege“, ein rus­si­sches Pro­pa­gan­da­nar­ra­tiv), dass sie von Anfang an hätte ver­han­deln und nicht kämpfen sollen, und darüber, dass die Ukraine „auf sich allein gestellt“ ist – all das hörte ich lange bevor Donald Trump diese Thesen äußerte.

Diese Dinge wurden uns von rus­si­schen Ermitt­lern und lokalen, mit den Besat­zern kol­la­bo­rie­ren­den Auf­se­hern gesagt, als ich in rus­si­scher Kriegs­ge­fan­gen­schaft war – ins­be­son­dere in der Unter­su­chungs­haft­an­stalt in Luhansk. In vollem Umfang wurden diese Aus­sa­gen von Offi­zie­ren des Inlands­ge­heim­diens­tes FSB oder der mili­tä­ri­schen Spio­na­ge­ab­wehr wie­der­ge­ge­ben (natür­lich haben sie sich bei den Ver­hö­ren nicht vor­ge­stellt). Sie spra­chen noch nicht von Selen­skyjs ver­meint­li­cher Ille­gi­ti­mi­tät oder der Not­wen­dig­keit von Wahlen – es war noch der heiße Sommer 2022, und es war zu früh für solche Thesen. Das rus­si­sche Fern­se­hen würde sie erst in andert­halb Jahren ver­brei­ten. Und diese rus­si­schen Inva­so­ren und ihre Kol­la­bo­ra­teure ver­tra­ten eine weitere These, die in Trumps Rede­fluss nicht vorkam: dass die Ukraine nichts weiter als eine Mario­nette der Ver­ei­nig­ten Staaten sei, dass Kyjiw alles tue, was Washing­ton wolle, weil es völlig von ihm abhän­gig sei. Es ist nicht ver­wun­der­lich, dass Trump diese These nicht geäu­ßert hat. Die jüngs­ten Ent­wick­lun­gen, ins­be­son­dere im Zusam­men­hang mit dem Abkom­men über ukrai­ni­sche Boden­schätze, haben selbst den­je­ni­gen, die diese These ver­tra­ten, gezeigt, dass sie weit von der Wahr­heit ent­fernt ist.

Ich denke, gerade die Tat­sa­che, dass diese These der Besat­zer nicht bestä­tigt wurde, muss den neu gewähl­ten US-Prä­si­den­ten so irri­tiert haben. Offen­sicht­lich glaubte er nicht an den Willen, die Initia­tive, die Fähig­keit zu selb­stän­di­gem Handeln und die Hand­lungs­fä­hig­keit der Ukrai­ne­rin­nen und Ukrai­ner (wie auch jedes anderen Volkes) und wurde plötz­lich mit der Tat­sa­che kon­fron­tiert, dass diese gehor­sa­men ukrai­ni­schen Unter­ge­be­nen in fernen, wilden Gegen­den weder gehor­sam noch Unter­ge­bene sind und aus irgend­ei­nem Grund die auf dem Spiel­platz erfun­de­nen und durch Erpres­sung auf­er­leg­ten Spiel­re­geln nicht akzep­tie­ren wollen – weil sie offen­sicht­lich unver­hoh­len unfair sind. Das ver­bin­det Trump und Putin: Letz­te­rer glaubt auch nicht an die Hand­lungs­fä­hig­keit von Völkern und Kol­lek­ti­ven und betrach­tet sie nur als träge Masse, die mani­pu­liert und kon­trol­liert werden muss – weil sie angeb­lich von pri­mi­ti­ven Instink­ten ange­trie­ben werden, wobei stets die Gefahr besteht, dass jemand anderes die Kon­trolle über sie über­nimmt. So ist die Ukraine für Putin ein Instru­ment, das eigent­lich von den Klauen des zwei­köp­fi­gen rus­si­schen Wap­pen­vo­gels gehal­ten werden soll, aber statt­des­sen ergriff es der Westen; und eines der Ziele des gegen­wär­ti­gen Krieges sei es, es zurückzuerobern.

Die Tat­sa­che, dass dieses „Instru­ment“ plötz­lich einen eigenen Willen, eigene Wünsche und Bestre­bun­gen und sogar die Fähig­keit zum Wider­stand zeigt, macht den Kreml extrem wütend, weil es nicht in das Welt­bild der „rus­si­schen Welt“ passt. Die Auf­se­her und vor allem die Russen waren über­rascht und bis­wei­len wütend über die Tat­sa­che, dass es in der Ukraine 2013/​2014 einen Maidan gab, und die meisten ukrai­ni­schen Kriegs­ge­fan­ge­nen wollten ihn nicht als Fehler oder Ver­sa­gen aner­ken­nen, sondern ver­tei­dig­ten ihn als einen Akt der freien Ent­schei­dung, der Wil­lens­be­kun­dung und der Ver­tei­di­gung der Würde.

Am elften Jah­res­tag der Ermor­dung der meisten „Helden der Himm­li­schen Hun­dert­schaft“ (ukrai­ni­sche Maidan-Demons­trie­rende, die für die Frei­heit der Ukrai­ne­rin­nen und Ukrai­ner mit ihrem Leben bezahl­ten) haben diese beiden Auto­kra­ten mit ihrer Ver­ach­tung für den Willen und die Bestre­bun­gen von Völkern und Ein­zel­per­so­nen (sofern es sich nicht um sie selbst handelt) der Welt offen gezeigt, wie viel sie gemein­sam haben. Der Prä­si­dent der Ver­ei­nig­ten Staaten, der rang­höchste Beamte des Landes, das gestern der größte Ver­bün­dete der Ukraine in ihrem Ver­tei­di­gungs- und Befrei­ungs­krieg gegen die rus­si­schen Inva­so­ren war, beschul­digte öffent­lich die­je­ni­gen, die ange­grif­fen wurden, der Aggres­sion; ver­ur­teilte die­je­ni­gen, die sich gegen die rus­si­sche Gewalt wehrten, dafür, dass sie ver­sucht hatten, sich zu ver­tei­di­gen; und über­ließ die gesamte Initia­tive bei den Frie­dens­ge­sprä­chen seinem Amts­kol­le­gen mit einer ganz ähn­li­chen Welt­an­schau­ung – einem Kriegs­ver­bre­cher, dem Ober­haupt des rus­si­schen Imperiums.

Für einen Men­schen mit meiner Erfah­rung als ehe­ma­li­ger Kriegs­ge­fan­ge­ner tat er dies im Stil eines mit­tel­mä­ßig aus­ge­bil­de­ten Ermitt­lers rus­si­scher Nach­rich­ten­dienste wie des FSB, des Ermitt­lungs­aus­schus­ses oder des Föde­ra­len Diens­tes für den Straf­voll­zug. Wahr­schein­lich wurden die For­mu­lie­run­gen der rus­si­schen Sicher­heits­kräfte noch nie zuvor von einem so hohen Podium aus ver­le­sen und in der ganzen Welt ver­brei­tet. Wenn Sie das Glück haben, (noch) nicht in rus­si­scher Gefan­gen­schaft gewesen zu sein, aber Pech mit der Infor­ma­ti­ons­hy­giene haben, und sofern Sie mit dem rus­si­schen Fern­se­hen ver­traut sind, werden Sie wahr­schein­lich auf eine andere Ana­lo­gie kommen. Trumps Text über­nimmt buch­stäb­lich die Nar­ra­tive der rus­si­schen Pro­pa­ganda: Aus dem Mund des Chefs des Weißen Hauses, Donald Trump, spricht die rus­si­sche Pro­pa­gan­dis­tin Olga Ska­be­jewa – oder einer ihrer Kol­le­gen. Das Publi­kum dieser Son­der­aus­gabe von „60 Minuten“ (einer Pro­pa­gan­da­sen­dung mit Ska­be­jewa) war jedoch die ganze Welt. Ich bezweifle, dass der Kreml, der seine Pro­pa­gan­dis­ten groß­zü­gig ent­lohnt, um Russ­lands geno­zi­da­len Krieg gegen das ukrai­ni­sche Volk zu befeu­ern und aus­zu­wei­ten, das Budget für sein neues ame­ri­ka­ni­sches Sprach­rohr auf­brin­gen kann. Es ist schwer zu glauben, dass Trump, der am liebs­ten über Geld spricht, ehren­amt­lich für Mar­ga­rita Simon­jan (Anmer­kung der Redak­tion: Chef­re­dak­teu­rin von RT) arbei­tet. Wahr­schein­lich werden wir später mehr Klar­heit über sein Inter­esse bekommen.

Ich weiß nicht, wie es für die ame­ri­ka­ni­schen Wähler aus­sieht – aber nicht nur sie, sondern wir alle müssen uns an den Gedan­ken gewöh­nen, dass sie eine Person an die Spitze der größten Macht der Welt gesetzt haben, die wahl­weise wie ein rus­si­scher Sicher­heits­be­am­ter oder ein rus­si­scher Pro­pa­gan­dist spricht. Es gibt einen gewis­sen Abstand zwi­schen Worten und Taten, der sich aber immer mehr ver­klei­nert. Wenn der Chef des Weißen Hauses anfängt, nicht nur zu reden, sondern auch ent­spre­chend zu handeln, werden wir fest­stel­len, dass auf der gegen­über­lie­gen­den Seite der Maidan-Bar­ri­ka­den neben dem rus­si­schen Moloch auch ein ame­ri­ka­ni­scher Baal steht. Hof­fent­lich wird das nicht ein­tre­ten, wobei der Prozess bereits begon­nen hat: Auf Trumps Anre­gung hin dis­ku­tie­ren die Welt­me­dien bereits darüber, wer den Krieg Russ­lands gegen die Ukraine tat­säch­lich begon­nen hat, ob die Ukraine gleich zu Beginn des Krieges hätte Frieden schlie­ßen können und ob der demo­kra­tisch gewählte Prä­si­dent der Ukraine ein Dik­ta­tor ist. Das Werk des Teufels (denn wir erin­nern uns, wer der Vater der Lügen ist, vor allem der so krassen und groß ange­leg­ten; Anmer­kung der Redak­tion: Verweis auf die Bibel­stelle Johan­nes 8:44) ist in vollem Gange. Wir müssen uns daran erin­nern, wer wir sind, wofür wir kämpfen – wir müssen an unsere Werte, an unsere Bedeu­tung und an die­je­ni­gen glauben, die uns die Kraft geben, diesen Kampf fort­zu­set­zen (Men­schen und/​oder Gott, je nachdem, wer was bevor­zugt). Wir müssen auf sie hoffen und sie und ein­an­der lieben und diese Liebe und das, was wichtig ist, ver­tei­di­gen. Wir haben keine bessere Option, und es kann auch keine geben.

 

Ori­gi­nal: Десь я це вже чув

Über­set­zung: Olena Slobodian

Redak­tion: Yeli­za­veta Landenberger

Maksym But­ke­vych

Maksym But­ke­vych ist Ukrai­ni­scher Men­schen­rechts­ak­ti­vist, Jour­na­list und Mit­glied der ukrai­ni­schen Armee.

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