Olena Kondratjuk: Kämpferin für Frauenrechte
Die stellvertretende Parlamentsvorsitzende Olena Kondratjuk gilt als langjährige Vertraute und Wahlkampfmanagerin der ehemaligen Premierministerin Julija Tymoschenko. Die 52-Jährige ist aber viel mehr als nur das: Sie ist eine prominente Kämpferin für Frauenrechte und eine wichtige internationale Stimme der Werchowna Rada.
Kondratjuk hat an der Nationalen Iwan-Franko-Universität in Lwiw studiert, an der ihr Vater unterrichtet, der bekannte Historiker Kostjantyn Kondratjuk. Angesichts der Familiengeschichte war es keine große Überraschung, dass sie sich ebenfalls dem Studium der ukrainischen Geschichte widmete. Sie interessierte sich besonders für die Geschichte der gesellschaftlichen Bewegungen in der Ukraine.
Vor dem Einstieg in die Politik leitete sie eine großen PR-Agentur
Beruflich beschäftigte sie sich vor ihrem Einstieg in die Politik vor allem mit Kommunikation. Sie war Leiterin einer großen PR-Agentur, bevor ihr der Vorschlag gemacht wurde, für die Partei Gesamtukrainische Vereinigung Vaterland zu kandidieren, die unter anderem von Julija Tymoschenko gegründet wurde und jahrzehntelang die ukrainische Politik prägte. Kondratjuk gehörte während der Präsidentschaftskampagne 2019 zu den wichtigsten Gesichtern im Wahlkampfstab von Tymoschenko, die dort antrat. Auch heute noch ist Kondratjuk Abgeordnete der Vaterlandspartei, die sich jetzt in der Opposition befindet.
Kämpferin für Frauenrechte
Kondratjuk zählt in der Werchowna Rada stets zu den wichtigsten Stimmen bei der Verteidigung der Pressefreiheit und der Förderung der ukrainischen Sprache. Zwischen 2012 und 2014 war sie außerdem Stellvertretendes Mitglied der ukrainischen Delegation der Parlamentarischen Versammlung des Europarates. Vor allem aber gehört Kondratjuk zu den ersten Politikerinnen und Politikern der Ukraine, die sich aktiv für die Gleichstellung der Geschlechter und für die Weiterentwicklung der Frauenbewegung einsetzte. Ende 2011 zählte sie zu den Gründern der interfraktionellen Vereinigung „Gleiche Möglichkeiten“.
„Frauen müssen heute sehr wichtige und schwierige Entscheidungen treffen“, sagte Kondratjuk ein knappes Jahr nach Beginn der umfassenden russischen Invasion, „und wir sehen, wie stark die Verantwortung der Frauen zum Ausdruck kommt. Frauen sind jetzt überall: an der Front, aber auch in der Krankenversorgung, sie unterrichten, engagieren sich in den Gemeinden, als Freiwillige, in der Politik.“ Sie alle seien bewusste Bürgerinnen, die Einfluss auf staatliche Entscheidungen nehmen sollten: „Und die Frauen haben diesen Einfluss bereits. Wir wollen aber mehr von ihnen in den Führungsgremien sehen.“
Aktive Rolle bei der Maidan-Revolution
Während der Maidan-Revolution 2013/2014 war Kondratjuk von Beginn an sehr aktiv an den Protesten im Zentrum Kyjiws beteiligt. Sie organisierte materielle Hilfe und koordinierte die Arbeit der Presse- und Informationszentren. Angesichts all ihrer Aktivitäten und Erfolge ist es nicht überraschend, dass sie es mehrmals auf die Liste der 100 einflussreichsten Frauen der Ukraine schaffte.
„Nach Kriegsbeginn haben wir die Leistungsfähigkeit der Rada unter Beweis gestellt“
Seit Beginn des umfassenden russischen Angriffskrieges konzentriert sich Olena Kondratjuk fast ausschließlich auf die Parlamentsarbeit, auch im internationalen Kontext. „Am 24. Februar 2022 war ich schon eine halbe Stunde, nachdem ich durch die Explosionen aufgewacht war, in der Werchowna Rada“, erzählt sie. „Für die Russen war es wichtig, die Regierung und alle Ukrainer in einen Zustand der Verzweiflung und Verwirrung zu stürzen. Für uns Parlamentarier war es wichtig, die institutionelle Leistungsfähigkeit der Rada unter Beweis zu stellen. Und wir haben die wichtigsten Aufgaben des Tages prompt erledigt: Wir sind schnell zusammengekommen und haben für den Präsidialerlass zur Verhängung des Kriegsrechts gestimmt. […] Ich bin sehr froh, dass wir in dieser Situation zu der gemeinsamen Schlussfolgerung gekommen sind, dass es in der Ukraine keine Grenze zwischen Opposition und Regierung gibt. Es gab nur eine Partei namens Ukraine.“
„Wir reden nicht mit Verbrechern“
Ende 2022 leitete Kondratjuk die ukrainische Parlamentsdelegation beim G‑20-Gipfel der Parlamentspräsidenten in Indonesien, an dem auch Russland teilnahm. Die Chefin des russischen Föderationsrates Walentina Matwijenko schlug dort vor, sich am Rande des Gipfels an den Verhandlungstisch zu setzen. Kondratjuks Reaktion war hart, unter anderem forderte sie den Ausschluss Russlands aus der G‑20. „Wir reden nicht mit Verbrechern“, sagte sie auf dem Gipfel.
„Es waren rund 100 Russen mit Sicherheitsleuten und Fernsehkameras anwesend. Wir waren nur zu fünft“, so Kondratjuk später. Es habe viele Provokationen gegeben: „Sie kamen mit fünf Kameras und Mikrophone auf uns zu und schrien ‚Wer hat Ihre Reise bezahlt?‘, ‚Stimmt es, dass Sie und die Amerikaner Agenten von soundso sind?‘ und so weiter.“ Die ukrainische Parlamentsdelegation sei ständig vom russischen Geheimdienst beobachtet worden: „Wir haben deshalb versucht, nichts zu essen und nichts zu trinken, es war eine sehr angespannte Situation.“ Trotzdem ist es Kondratjuk gelungen, die ukrainische Position deutlich zum Ausdruck zu bringen – eine Qualität, für die sie seit Jahren nicht nur von ihren innenpolitischen Verbündeten besonders geschätzt wird.
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