Konsequent gegen Wirtschaftskriminalität

Das Büro für wirtschaftliche Sicherheit, die zentrale Behörde im Kampf gegen Wirtschaftskriminalität in der Ukraine, hat einen neuen Chef – endlich. Dass die Regierung seine Ernennung verschleppte, ging angesichts der jüngsten Proteste gegen mögliche Rückschritte bei der Korruptionsbekämpfung fast unter.
In den vergangenen Wochen dominierte die ukrainische Innenpolitik vor allem ein Thema: der Versuch, die Unabhängigkeit des Nationalen Antikorruptionsbüros (NABU) und der Sonderstaatsanwaltschaft zur Korruptionsbekämpfung (SAP) einzuschränken, der die ersten größeren Straßenproteste seit dem russischen Großangriff im Februar 2022 nach sich zog – und schnell zurückgenommen wurde. Doch im Hintergrund ging es bei diesen Protesten noch um eine andere Behörde: das 2021 geschaffene Büro für wirtschaftliche Sicherheit (BEB).
Regierung verzögert Ernennung eines Korruptionsbekämpfers
Das BEB vereinte den Kampf gegen Wirtschaftskriminalität seinerzeit erstmals in einer einzigen Institution und ersetzte so mehrere umstrittene Behörden wie etwa die Steuerpolizei. Als das Büro im Juni – abermals – einen neuen Direktor suchte, fiel die Wahl auf den 42-jährigen Oleksandr Tsyvinskyi. Er stammt aus dem westukrainischen Lwiw und hatte zuvor als Chefermittler beim NABU mehrere prominente Ermittlungsverfahren geleitet, zum Beispiel gegen Korruption in der Kyjiwer Stadtverwaltung. Bei der Bewerbung um die Stelle erhielt keiner der Kandidaten von der Auswahlkommission die erforderlichen vier Stimmen; für Tsyvinskyi stimmten schließlich die drei internationalen Mitglieder der Kommission, die drei ukrainischen Vertreter befürworteten seine Wahl nicht.
Nach diesem Votum hätte die Regierung Tsyvinskyi eigentlich innerhalb von zehn Tagen im Amt bestätigen müssen – sie verweigerte dies jedoch wochenlang. Als formeller Grund galt eine Überprüfung durch den Inlandsgeheimdienst SBU, der als potenzielle Sicherheitsbedrohung ausgemacht hatte, dass Tsyvinskyis Vater in Russland lebt. Das allerdings ist längst bekannt: Oleksandr Tsyvinskyi hat mehrfach öffentlich erklärt, er stehe mit seinem Vater schon seit Jahren nicht mehr in Kontakt. Dass sich die Ernennung des neuen BEB-Chefs derart in die Länge zog, sahen manche deshalb als Versuch an, eine unabhängige Persönlichkeit an der Spitze der Behörde zu verhindern. Schließlich hatte Tsyvinskyis beim NABU, einer Art FBI im Bereich Korruption, exzellente Arbeit geleistet.
Druck von der Straße und aus dem Westen
Am 6. August hat die neue Premierministerin der Ukraine, Julija Swyrydenko, Tsyvinskyi jedoch endlich als neuen BEB-Chef bestätigt. „Nach der Entscheidung der Auswahlkommission, entsprechenden Kontrollen und einem Test mit dem Lügendetektor gibt es keine Bedenken mehr gegen seine Kandidatur“, erklärte Swyrydenko auf Facebook. Vermutlich war es nicht unerheblich, dass die Demonstrierenden bei den jüngsten Protesten auch die Probleme rund ums BEB thematisiert hatten.
Und auch der wachsende Druck aus dem Westen dürfte eine Rolle gespielt haben. So machte der Internationale Währungsfonds (IWF) die Ernennung des neuen BEB-Chefs bis zum 31. Juli zur Bedingung für einen neuen Kredit – eine Frist, die die Regierung um fast eine Woche überzog. Das Büro für wirtschaftliche Sicherheit zu reformieren, gehört überdies zu den Verpflichtungen der Ukraine bei der Integration in europäische Strukturen und auf dem Weg in die EU, den die Regierung beschritten hat.
Kampf gegen Wirtschaftskriminalität gebündelt
Die Reform des BEB kann nun richtig beginnen. Die Gründung des Büros für wirtschaftliche Sicherheit war 2021 ein erster wichtiger Schritt, denn Korruption lässt sich in einem dafür so anfälligen Bereich wie der Wirtschaft weitaus besser bekämpfen, wenn eine einzige, moderne Behörde die Ermittlungen bündelt, als wenn mehrere Stellen gleichzeitig und zum Teil parallel arbeiten. Soweit zumindest die Theorie.
In der Praxis war es wie immer komplizierter und das BEB wurde schnell selbst anfällig für Korruption. Schon die erste Ausschreibung für den Posten des BEB-Chefs 2021 verlief skandalös. Einige als unabhängig geltende Kandidaten wurden nicht zugelassen, während der schließlich ernannte Behördenchef insbesondere westlichen Expertinnen und Experten als nicht unabhängig genug galt. Und so befasste sich auch das BEB – ähnlich wie zuvor die Steuerpolizei oder die Wirtschaftsabteilung des Geheimdienstes SBU – oft intensiver mit Erpressung in mittleren und größeren Wirtschaftsbetrieben statt mit seinen eigentlichen Aufgaben.
Die Wahl von Oleksandr Tsyvinskyi ist der erste praktische Schritt bei der Reform des BEB. Nun müsse es vor allem darum gehen, das Personal der Behörde zu erneuern, sagt Yaroslav Zhelesniak, Abgeordneter der oppositionellen Parlamentsfraktion Stimme und einer derjenigen, die den Reformprozess initiiert haben. „Wir haben dem BEB-Direktor per Gesetz viel Entscheidungsfreiheit eingeräumt, auch in Bezug auf seine Stellvertreter und die allgemeine Struktur“, erklärt Zhelesniak.
Unbestechliches Personal gesucht
Innerhalb der nächsten eineinhalb Jahre müsse BEB-Chef Tsyvinskyi nun zwei Kommissionen bilden: eine, um neues Personal einzustellen und eine zweite, um die derzeit in der Behörde arbeitenden Menschen zu überprüfen. Jede dieser Kommissionen soll aus zwölf Personen bestehen. Sechs davon ernennt der Behördenchef, sechs weitere sind Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft, die von ausländischen Botschaften und internationalen Organisationen empfohlen werden. Die Überprüfung derjenigen, die bereits im BEB arbeiten, soll in zwei Schritten erfolgen: Zuerst werde das Personal des Büros in Kyjiw und in den regionalen Hauptteilungen überprüft, dann alle weiteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
„Die Beteiligung des progressiven Teils der Zivilgesellschaft ist wichtig, um das BEB von korruptem Personal zu säubern und neue Leute einzustellen“, so Zhelesniak, einer der aktivsten Abgeordneten in der Werchowna Rada. „Die Zeit, in der das BEB Land und Wirtschaft ausrauben konnte, ist vorbei.“ Die Erfahrung anderer Behörden in der Ukraine, auch im Bereich Korruptionsbekämpfung jedoch zeigt: Es dauert oft Jahre, bis neue Strukturen etabliert sind und erfolgreich arbeiten.
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