Können Wahlen in der Ukraine den rus­sisch-ukrai­ni­schen Krieg beenden?

Schule in der Region Charkiw, zerstört durch russisches Militär
Foto: IMAGO /​ Depo­sit­pho­tos. Schule in der Region Charkiw, zer­stört durch rus­si­sches Militär.

Russ­lands For­de­rung nach Wahlen in der Ukraine ist kein demo­kra­ti­sches Anlie­gen, sondern Teil einer geziel­ten Desta­bi­li­sie­rung des Landes. Andreas Umland ana­ly­siert die Ursprünge, Funk­tio­nen und Gefah­ren dieses Pro­pa­gan­da­nar­ra­tivs im Kontext der rus­si­schen Invasion.

Am 30. März 2025 ver­öf­fent­lichte The Eco­no­mist einen Artikel mit dem Titel „Die Aus­sicht auf vor­ge­zo­gene Wahlen in der Ukraine ver­setzt alle in Aufruhr“ („The pro­s­pect of early elec­tions in Ukraine has ever­yone in a spin“). Darin wird spe­ku­liert, dass die respekt­lose Behand­lung von Wolo­dymyr Selen­skyj durch das Weiße Haus und der darauf fol­gende Anstieg der Unter­stüt­zung für Selen­skyj in ukrai­ni­schen Mei­nungs­um­fra­gen den ukrai­ni­schen Prä­si­den­ten dazu ver­an­las­sen könnten, sich für baldige Wahlen 2025 zu ent­schei­den. Selen­skyj könnte damit, so die Argu­men­ta­tion, die jüngste ver­stärkte inter­na­tio­nale – vor allem US-ame­ri­ka­ni­sche – Infra­ge­stel­lung der Legi­ti­mi­tät seiner Herr­schaft nach Ablauf seiner regu­lä­ren Amts­zeit 2024 neu­tra­li­sie­ren. Bis zum jüngs­ten Popu­la­ri­täts­zu­wachs Selen­skyjs war ein wich­ti­ges Motiv der For­de­rung nach Prä­si­dent­schafts- und Par­la­ments­wah­len in der Ukraine die Vor­stel­lung, dass ein daraus resul­tie­ren­der Wechsel im ukrai­ni­schen Prä­si­den­ten­amt und Regie­rungs­ap­pa­rat die rus­sisch-ukrai­ni­schen Frie­dens­ver­hand­lun­gen erleich­tern würde.

Die Ent­ste­hung einer selt­sa­men Erzählung

Schon vor dem Wahl­sieg Donald J. Trumps im Novem­ber 2024 war die These, dass ein Wechsel der natio­na­len Führung in der Ukraine eine Vor­aus­set­zung für die Been­di­gung des Krieges Russ­lands sei, Gegen­stand öffent­li­cher Debat­ten gewor­den. Vor zwei Jahren began­nen ver­schie­dene vom Kreml kon­trol­lierte oder ihm nahe­ste­hende Medien, die Idee zu ver­brei­ten, dass die Legis­la­tive und Exe­ku­tive der Ukraine 2023–2024 neu gewählt werden müssten, da sie sonst ihre poli­ti­sche Legi­ti­mi­tät ver­lie­ren würden. Seit 2023 haben ein­fluss­rei­che west­li­che Kom­men­ta­to­ren, vom ehe­ma­li­gen Fox-News-Mode­ra­tor Tucker Carlson bis zum Prä­si­den­ten der Par­la­men­ta­ri­schen Ver­samm­lung des Euro­pa­ra­tes (PACE), Tiny Kox, diese rus­si­sche Argu­men­ta­ti­ons­li­nie in unter­schied­li­chem Maße übernommen.

Heute lautet die Kern­aus­sage der öffent­li­chen Kom­mu­ni­ka­tion des Kremls, dass eine Ablö­sung von Selen­skyj seit dem 21. Mai 2024 not­wen­dig sei, da er angeb­lich seine Legi­ti­mi­tät ver­lo­ren habe. Ein anderer Staats­chef würde laut Moskaus het­ze­ri­scher Rhe­to­rik die Ukraine weniger „faschis­tisch“ machen und Russ­land damit zu Kom­pro­mis­sen bewegen. Die neue US-Regie­rung hat Moskaus Beschrei­bun­gen von Selen­skyj zwar nicht wört­lich wie­der­holt, doch scheint Russ­lands Abnei­gung gegen ihn mit der aktu­el­len Stim­mung im Weißen Haus zu kor­re­lie­ren. Selen­skyj wurde während Trumps erster Amts­zeit als US-Prä­si­dent 2017–2021 zu einem Problem, als Trump wegen eines Tele­fo­nats mit dem damals gerade neu gewähl­ten ukrai­ni­schen Prä­si­den­ten den Versuch eines Amts­ent­he­bungs­ver­fah­ren durch­lau­fen musste.

Seit Trump im Januar 2025 zum zweiten Mal US-Prä­si­dent wurde, hat er ver­sucht, sein Wahl­ver­spre­chen ein­zu­lö­sen, den rus­sisch-ukrai­ni­schen Krieg schnell zu beenden. Der vor­ge­schla­gene, bedin­gungs­lose Waf­fen­still­stand wurde jedoch nur von Kyjiw akzep­tiert, während Moskau erklärte, einer Waf­fen­ruhe nur unter bestimm­ten Bedin­gun­gen zuzu­stim­men. Dazu gehör­ten rus­si­sche For­de­run­gen nach Ein­schrän­kun­gen der natio­na­len Sou­ve­rä­ni­tät, mili­tä­ri­schen Ver­tei­di­gungs­fä­hig­keit und ter­ri­to­ria­len Inte­gri­tät der Ukraine. Es ist nicht einmal klar, inwie­weit die Vor­schläge des Kremls zur Ein­schrän­kung der Unab­hän­gig­keit, Größe und Sta­bi­li­tät des ukrai­ni­schen Staates ein echtes Ver­hand­lungs­an­ge­bot oder reines Theater waren.

Dennoch übt Washing­ton Druck auf Kyjiw aus, weitere Zuge­ständ­nisse zu machen, denen Selen­skyj bisher mit breiter gesell­schaft­li­cher Unter­stüt­zung wider­stan­den hat. Damit dürfte er neu­er­lich für Unbe­ha­gen im Weißen Haus sorgen. Infol­ge­des­sen findet die rus­si­sche Idee, dass ein Füh­rungs­wech­sel in Kyjiw not­wen­dig sei, um den Krieg zu beenden, wei­ter­hin Anhän­ger in der Trump-Administration.

Wahlen, Krieg und der Rechtsstaat

Nach ukrai­ni­scher Rechts­lage hätten ohne die Groß­in­va­sion Russ­lands in der Ukraine regu­läre Par­la­ments- und Prä­si­dent­schafts­wah­len im Oktober 2023 bzw. März 2024 statt­fin­den müssen. Das ukrai­ni­sche Gesetz „Über die Rechts­ord­nung während des Kriegs­zu­stands“ aus dem Jahr 2000, das 2015 erneu­ert wurde, ver­bie­tet jedoch die Durch­füh­rung von Präsidentschafts‑, Par­la­ments- oder Kom­mu­nal­wah­len während des Aus­nah­me­zu­stands. Zur Ver­schie­bung der Par­la­ments­wah­len heißt es in Artikel 83 der ukrai­ni­schen Ver­fas­sung: „Endet die Amts­zeit der Wer­chowna Rada der Ukraine während der Geltung des Kriegs­rechts oder Aus­nah­me­zu­stands, wird ihre Amts­zeit bis zum Tag der ersten Sitzung der Wer­chowna Rada der Ukraine ver­län­gert, die nach Auf­he­bung des Kriegs­rechts oder Aus­nah­me­zu­stands gewählt wird.“

Dem­entspre­chend wurden die natio­na­len Wahlen 2023–2024 bis nach Ende der Kampf­hand­lun­gen und Auf­he­bung des 2022 ver­häng­ten Kriegs­rechts ver­scho­ben. Eine solche Aus­set­zung nor­ma­ler demo­kra­ti­scher Pro­zesse während groß ange­leg­ter Kriegs­hand­lun­gen war in der Geschichte etli­cher Demo­kra­tien gängige Praxis, dar­un­ter unter anderem im Ver­ei­nig­ten König­reich während des Ersten und Zweiten Welt­kriegs. Sie ist heute in den Rechts­vor­schrif­ten ver­schie­de­ner Länder welt­weit ver­an­kert, wie bei­spiels­weise in Artikel 115 des Grund­ge­set­zes der Bun­des­re­pu­blik Deutschland.

Darüber hinaus können unmit­tel­bar nach dem Ende des von Russ­land ver­such­ten Ver­nich­tungs­krie­ges keine sinn­vol­len Wahlen statt­fin­den. Nach gel­ten­den Vor­schrif­ten müssen Par­la­ments­wah­len 60 Tage und Prä­si­dent­schafts­wah­len 90 Tage nach Auf­he­bung des Aus­nah­me­zu­stan­des statt­fin­den. Ange­sichts der schwer­wie­gen­den Aus­wir­kun­gen des Krieges auf die ukrai­ni­sche Gesell­schaft im All­ge­mei­nen und ihre Wahl­in­fra­struk­tur im Beson­de­ren würde ein schlüs­si­ger, legi­ti­mer und demo­kra­ti­scher Wahl­kampf und ent­spre­chen­des Wahl­pro­ze­dere jedoch eine ange­mes­sene Vor­be­rei­tung unter fried­li­chen Bedin­gun­gen erfordern.

Ein Bericht der renom­mier­ten ukrai­ni­schen Wahl­be­ob­ach­tungs­gruppe Opora (Basis) vom Januar 2025 kommt zu dem Schluss, dass natio­nale Wahlen frü­hes­tens sechs Monate nach Been­di­gung des Aus­nah­me­zu­stands möglich wären. Tat­säch­lich könnten sie sogar erst ca. ein Jahr nach Been­di­gung der Kämpfe statt­fin­den. Bereits 2023 waren die Frak­ti­ons­chefs der Wer­chowna Rada zu dem Schluss gekom­men, dass ein neues Wahl­ge­setz ver­ab­schie­det werden müsse, um allen fol­gen­rei­chen Ver­än­de­run­gen Rech­nung zu tragen, die die Ukraine seit Beginn des Krieges im Jahr 2022 erlebt hat und bis zu dessen Ende noch erleben könnte.

Jüngste For­de­run­gen nach einer raschen poli­ti­schen Erneue­rung an der Spitze der Ukraine sind daher bes­ten­falls ver­früht und naiv, schlimms­ten­falls mani­pu­la­tiv und sub­ver­siv. Die groß ange­legte Inva­sion Russ­lands mit anhal­ten­den schwe­ren Kämpfen im Osten und Luft­an­grif­fen im ganzen Land hat die Abhal­tung ord­nungs­ge­mä­ßer Wahlen unmög­lich gemacht, solange der Krieg andau­ert. In einer öffent­li­chen Erklä­rung ukrai­ni­scher Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tio­nen, die von Opora orga­ni­siert wurde, heißt es am 20. Februar 2025: „Die insta­bile Sicher­heits­lage, die Gefahr von Beschuss, Ter­ror­an­schlä­gen und Sabo­tage sowie die groß­flä­chige Ver­mi­nung von Gebie­ten stellen erheb­li­che Hin­der­nisse in allen Phasen des Wahl­pro­zes­ses dar.“

Die Aggres­sion Russ­lands seit 2022 hat Mil­lio­nen ukrai­ni­scher Bürger inner­halb und außer­halb der Ukraine zu Flücht­lin­gen gemacht. Die neue demo­gra­fi­sche Situa­tion würde neue Formen der Stimm­ab­gabe, eine Aktua­li­sie­rung des ukrai­ni­schen Wäh­ler­ver­zeich­nis­ses und die Ein­rich­tung einer großen Anzahl von Wahl­be­zir­ken im Ausland erfor­dern. Inner­halb der Ukraine haben die Bom­bar­die­rung ukrai­ni­scher Sied­lun­gen durch Russ­land und deren Nach­wir­kun­gen Teile der ukrai­ni­schen Wahl­in­fra­struk­tur zer­stört, dar­un­ter auch Gebäude, etwa Schulen, die als Wahl­lo­kale genutzt wurden. Dennoch ist es dem Kreml in den letzten zwei Jahren gelun­gen, einen angeb­li­chen Mangel an demo­kra­ti­scher Reprä­sen­ta­ti­vi­tät in der ukrai­ni­schen Führung zu einem zen­tra­len Thema in inter­na­tio­na­len Dis­kus­sio­nen über Wege zur Been­di­gung des rus­sisch-ukrai­ni­schen Krieges zu machen.

Russ­lands mani­pu­la­tive For­de­run­gen nach Wahlen

Seit 2023 fordern rus­si­sche und pro-rus­si­sche Poli­ti­ker und Influen­cer, dass die Ukraine unter Bedin­gun­gen eines umfas­sen­den Krieges natio­nale Wahlen durch­führt. Mit der Beharr­lich­keit und Ver­brei­tung dieses Vor­schlags wie­der­holt Moskau eine Stra­te­gie, die es 2014 nach seiner ver­deck­ten Inter­ven­tion im Donbass auf dem ukrai­ni­schen Fest­land begon­nen hatte. Von 2014 bis 2021 nutzten Moskau und seine Ver­bün­de­ten die von Kyjiw unter Zwang unter­zeich­ne­ten Minsker Ver­ein­ba­run­gen, um von der Ukraine die Durch­füh­rung regio­na­ler und lokaler Wahlen in den soge­nann­ten Volks­re­pu­bli­ken Donezk und Lugansk zu fordern.

Diese For­de­rung wurde gestellt, obwohl die ukrai­ni­sche Regie­rung keine Kon­trolle über die Gebiete hatte, in denen demo­kra­ti­sche Wahl­kam­pa­gnen und Stimm­ab­ga­ben hätten orga­ni­siert werden sollen. Statt­des­sen übte die rus­si­sche Regie­rung die Herr­schaft über die beiden De-facto-Regime in den ukrai­ni­schen Oblas­ten Luhansk und Donezk aus. Bis zu ihrer Anne­xion im Jahr 2022 hat Moskau zu keinem Zeit­punkt Bereit­schaft signa­li­siert, seine Kon­trolle über die beiden Pseu­do­re­pu­bli­ken, die es im Früh­jahr 2014 künst­lich in der Ost­ukraine geschaf­fen hatte, zu ver­rin­gern. Dennoch bestand der Kreml darauf, dass Kyjiw Wahlen in diesen Gebie­ten abhält, bevor es Zugang zu ihnen erhält.

Weder in den Jahren 2014–2021 noch seit 2023 waren Moskaus For­de­run­gen nach mehr Demo­kra­tie in der Ukraine von rus­si­scher Sorge um Volks­herr­schaft und Legi­ti­mi­tät in der Ukraine getrie­ben. Der Kreml unter­drückt inner­halb Russ­lands Oppo­si­ti­ons­par­teien, Rechts­staat­lich­keit, poli­ti­schen Plu­ra­lis­mus, zivil­ge­sell­schaft­li­ches Enga­ge­ment und Mei­nungs­frei­heit – teil­weise unter Einsatz töd­li­cher Gewalt. Diese und andere Umstände deuten darauf hin, dass andere Motive hinter dem außen­po­li­ti­schen Ver­hal­ten Moskaus im All­ge­mei­nen und seiner For­de­rung nach Wahlen in der Ukraine im Beson­de­ren stehen.

Nach den Worten von Maria Popova und Oxana Shevel ist das letzt­end­li­che Ziel der rus­si­schen Führung die Desta­bi­li­sie­rung und „Vas­sa­li­sie­rung“ der Ukraine. Je nach der kon­kre­ten Situa­tion setzt Russ­land ver­schie­dene Kom­bi­na­tio­nen kine­ti­scher und nicht-kine­ti­scher Kriegs­füh­rung ein, um sein Ziel der Unter­wan­de­rung des ukrai­ni­schen Staates zu errei­chen. Der Kreml hofft, dass ein – anders als in Russ­land – voll­stän­dig kom­pe­ti­ti­ver Wahl­kampf und offene lan­des­weite Wahlen in der Ukraine neue Mög­lich­kei­ten für Moskaus hybride Kriegs­füh­rung bieten. In einer Über­gangs­phase für den ukrai­ni­schen Staat und das poli­ti­sche System würde Moskau ver­su­chen, die ukrai­ni­sche Gesell­schaft zu pola­ri­sie­ren, inne­rukrai­ni­sche Kon­flikte zu ver­schär­fen und aus­län­di­sche Beob­ach­ter zu verwirren.

Moskaus For­de­rung nach Wahlen unter unmög­li­chen Bedin­gun­gen ist eines von meh­re­ren Instru­men­ten im nicht­mi­li­tä­ri­schen Instru­men­ten­kas­ten des Kremls, zu denen Cyber­krieg, Des­in­for­ma­ti­ons­kam­pa­gnen, wirt­schaft­li­cher Druck, Ver­hand­lungs­thea­ter, ter­ro­ris­ti­sche Anschläge und die Kor­rup­tion von Poli­ti­kern gehören. Ukrai­ni­sche NGOs warnen in dem oben genann­ten gemein­sa­men Appell, dass „die größte Her­aus­for­de­rung für die Wahl­de­mo­kra­tie in der Ukraine die Ein­mi­schung Russ­lands in diesen Prozess sein wird, das dazu bereit sein wird, alle Mittel ein­zu­set­zen – von Cyber­an­grif­fen bis zur direk­ten Bestechung von Wählern, von der Ver­brei­tung von Des­in­for­ma­tion und Spal­tung der Gesell­schaft mit deren Hilfe bis zur Dis­kre­di­tie­rung von Kan­di­da­ten, die für die rus­si­schen Behör­den ‚inak­zep­ta­bel‘ sind, und der Finan­zie­rung von Kam­pa­gnen loyaler Politiker“.

Ende März 2025 unter­nahm der rus­si­sche Prä­si­dent einen wei­te­ren Versuch, einen Füh­rungs­wech­sel in Kyjiw her­bei­zu­füh­ren, indem er vor­schlug, die ukrai­ni­sche Regie­rung durch eine vor­über­ge­hende UN-Ver­wal­tung zu erset­zen. Diese solle nach Putins Worten „demo­kra­ti­sche Wahlen abhal­ten, eine funk­ti­ons­fä­hige Regie­rung ins Amt bringen, die das Ver­trauen des Volkes genießt, und dann Ver­hand­lun­gen mit ihnen über einen Frie­dens­ver­trag auf­neh­men“. Putin fügte hinzu: „Unter der Schirm­herr­schaft der Ver­ein­ten Natio­nen, mit den Ver­ei­nig­ten Staaten, sogar mit euro­päi­schen Ländern und natür­lich mit unseren Part­nern und Freun­den könnten wir die Mög­lich­keit der Ein­füh­rung einer vor­über­ge­hen­den Regie­rung in der Ukraine dis­ku­tie­ren“. Der Vor­schlag Moskaus war jedoch so seltsam, dass sogar Washing­ton ihn sofort ablehnte.

Wie weiter?

Unbe­darfte Beob­ach­ter des post­so­wje­ti­schen Raums, dar­un­ter west­li­che Poli­ti­ker und ihre Berater, werden von der Pro­pa­gan­da­ma­schine des Kremls über die Ursa­chen und mög­li­chen Lösun­gen der rus­sisch-ukrai­ni­schen Kon­fron­ta­tion in die Irre geführt. Hinter der For­de­rung nach natio­na­len Wahlen in der Ukraine steht nicht Sorge um demo­kra­ti­sche Legi­ti­mi­tät in der Ukraine, sondern das Ziel des Kremls, das Land zu desta­bi­li­sie­ren. Im Ide­al­fall würde ein hastig vor­be­rei­te­ter und unzu­rei­chend gesi­cher­ter Wahl­kampf und Wahl­pro­zess unter schwie­ri­gen Bedin­gun­gen Moskau zahl­rei­che Ein­falls­tore für Ein­mi­schung bieten. Der Kreml würde sich für anti­west­li­che Kan­di­da­ten ein­set­zen, poli­ti­sche Span­nun­gen ver­schär­fen, Miss­trauen unter Wählern und aus­län­di­schen Beob­ach­tern säen sowie die Wahl­in­fra­struk­tur infiltrieren.

Die oben zitierte „Roadmap für die Orga­ni­sa­tion von Nach­kriegs­wah­len in der Ukraine“ von Opora und ähn­li­che Studien ent­hal­ten rele­vante poli­ti­sche, recht­li­che und tech­ni­sche Emp­feh­lun­gen für die Gewähr­leis­tung einer ord­nungs­ge­mä­ßen Vor­be­rei­tung und Durch­füh­rung eines Wahl­kampfs und einer gesamt­na­tio­na­len Abstim­mung nach Auf­he­bung des Kriegs­rechts. Die fol­gen­den zusätz­li­chen Emp­feh­lun­gen gelten für die öffent­li­che Kom­mu­ni­ka­tion staat­li­cher und nicht­staat­li­cher Akteure, die an der Sou­ve­rä­ni­tät, Demo­kra­tie und Sta­bi­li­tät der Ukraine inter­es­siert sind:

  1. Erin­nern Sie Ihre Ziel­grup­pen an die Vor­kriegs­ge­setz­ge­bung der Ukraine, die lan­des­weite Wahlen unter Bedin­gun­gen eines bewaff­ne­ten Kon­flikts und des Kriegs­rechts verbietet.
  2. Heben Sie die rele­van­ten Artikel in den Ver­fas­sun­gen und Geset­zen anderer demo­kra­ti­scher Länder hervor, die die Durch­füh­rung von Wahlen während eines Aus­nah­me­zu­stands aussetzen.
  3. Heben Sie den rus­si­schen Ursprung und die sub­ver­si­ven Absich­ten der For­de­rung nach natio­na­len Wahlen in der Ukraine während oder kurz nach der Voll­in­va­sion Russ­lands hervor.
  4. Stellen Sie Moskaus Kritik an ukrai­ni­scher Demo­kra­tie und Rechts­staat­lich­keit den Rea­li­tä­ten der Pseu­do­de­mo­kra­tie und Jus­tiz­will­kür in Russ­land gegenüber.
  5. Beschrei­ben Sie demo­kra­ti­schen Errun­gen­schaf­ten der Ukraine seit ihrer Unab­hän­gig­keit im Jahr 1991, wie bei­spiels­weise häufige Führungswechsel.
  6. Stellen Sie Moskaus Nar­ra­tiv zu den Wahlen in der Ukraine in den grö­ße­ren Zusam­men­hang rus­si­scher poli­ti­scher Kriegs­füh­rung gegen die Ukraine.

 

Dieser Artikel basiert auf einem aktu­el­len Bericht des SCEEUS.

Portrait von Andreas Umland

Dr. Andreas Umland ist ist Analyst am Stock­hol­mer Zentrum für Ost­eu­ro­pa­stu­dien (SCEEUS) des Schwe­di­schen Insti­tuts für Inter­na­tio­nale Ange­le­gen­hei­ten (UI).

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