Wjat­sches­law Klymow und Wolo­dymyr Pope­re­schnjuk: Sie revo­lu­tio­nier­ten mit der „Nowa Poschta“ die Paketzustellung

Nowa Poschta
Foto: novaposhta.ua

Vor 23 Jahren grün­de­ten die ukrai­ni­schen Unter­neh­mer Wjat­sches­law Klymow und Wolo­dymyr Pope­re­schnjuk ihre Firma Nowa Poschta („Neue Post“ /​ Nova Post). Heute ist sie mit mehr als 10.000 Filia­len in der Ukraine und 100 im Ausland der belieb­teste ukrai­ni­sche Paketdienst.

2001 besaßen die beiden Uni­ver­si­täts­freunde Wjat­sches­law Klymow und Wolo­dymyr Pope­re­schnjuk, damals 25 Jahre alt, ein kleines Süß­wa­ren­un­ter­neh­men in der ost­ukrai­ni­schen Stadt Poltawa. Sie waren darauf ange­wie­sen, zuver­läs­sige Trans­port­wege zu finden, um ihre Waren inner­halb des Landes rasch ver­schi­cken zu können. Doch das erwies sich als gar nicht so einfach, denn es gab damals keine Kurier­dienste in der Ukraine. Statt­des­sen erfüll­ten Bus­fah­rer oder Zug­be­glei­ter diese Aufgabe, was sowohl für den Absen­der als auch für den Emp­fän­ger ein großes Risiko barg, da es kei­ner­lei Garan­tien für die Zustel­lung gab. Klymow und Pope­re­schnjuk, die an der Luft- und Raum­fahrt­uni­ver­si­tät Charkiw stu­diert hatten, machten sich auf, diese Markt­lü­cke zu schließen.

Das Start­ka­pi­tal des Unter­neh­mens, das sie Nowa Poschta („Neue Post“) nannten, lag bei 7.000 US-Dollar, die sich Pope­re­schnjuk von seiner Mutter gelie­hen hatte. Am Anfang bestand das Team der Firma aus sieben Per­so­nen, die ver­such­ten, den damals noch übli­chen Waren­ver­sand mit Lini­en­bus­sen zu zen­tra­li­sie­ren und besser zu orga­ni­sie­ren. Die Nowa Poschta lie­ferte zunächst ledig­lich nach Charkiw, Kyjiw und Poltawa. Als das Unter­neh­men langsam begann, Geld zu erwirt­schaf­ten, mietete und kaufte es kleine Last­wa­gen, mit denen es den Trans­port der Waren selbst durch­füh­ren konnte. So kamen Mitte der 2000er Jahre weitere Städte zum Port­fo­lio von Nowa Poschta hinzu, die nun auch Pakete von Odesa nach Lwiw oder von Donezk nach Dnipro zustellte. Zwi­schen 2004 und 2006 absol­vier­ten Klymow und Pope­re­schnjuk einen MBA am Inter­na­tio­na­len Busi­ness­in­sti­tut in Kyjiw, was die weitere Ent­wick­lung des Paket­dienst­leis­ters ent­schei­dend prägte.

Erfolg durch Zuver­läs­sig­keit und Risikobereitschaft

Sie ver­la­ger­ten die Zen­trale der Nowa Poschta von Poltawa nach Kyjiw und refor­mier­ten die Struk­tur des Unter­neh­mens, wodurch es 2007 erst­mals pro­fi­ta­bel wurde. Schon damals galt die Nowa Poschta als eines der viel­ver­spre­chends­ten Unter­neh­men des Landes, die Paket­zu­stel­lung erfolgte schnell und pro­blem­los. Die Wirt­schafts­krise von 2008 ließ die Ein­nah­men des Paket­dienst­leis­ters um rund 30 Prozent zurück­ge­hen, und es drohte ihm sogar die Insol­venz. Doch Klymow und Pope­re­schnjuk beschlos­sen, weiter zu expan­die­ren und gleich­zei­tig massiv in Mar­ke­ting und PR zu inves­tie­ren. Diese Risi­ko­be­reit­schaft zahlte sich aus: In den dar­auf­fol­gen­den Jahren wurde die Nowa Poschta dank ihrer umfang­rei­chen digi­ta­len Ange­bote, Schnel­lig­keit und Zuver­läs­sig­keit zum füh­ren­den Paket­dienst­leis­ter der Ukraine.

Vor der umfas­sen­den rus­si­schen Inva­sion am 24. Februar 2022 betrug der Anteil der Nowa Poschta am ukrai­ni­schen Lie­fer­markt 65 Prozent, der­je­nige der staat­li­chen Ukrposhta („Ukrai­ni­sche Post“), dem frü­he­ren Mono­po­lis­ten, 25 Prozent. Dass Russ­land einen derart groß­flä­chi­gen Krieg begin­nen würde, hatten die Gründer der Nowa Poschta nicht erwar­tet, obwohl sie am Tag vor der Inva­sion am Treffen der ukrai­ni­schen Groß­un­ter­neh­mer mit dem Prä­si­den­ten Wolo­dymyr Selen­skyj teil­ge­nom­men hatten. „Wir dachten, die Offen­sive würde sich auf den Donbas beschrän­ken“, erin­nert sich Wjat­sches­law Klymow. Doch es kam anders, und auf die Nowa Poschta wartete die größte Her­aus­for­de­rung seit ihrer Gründung.

Nach der umfas­sen­den Inva­sion folgte die Expan­sion ins Ausland

Der Nowa Poschta blieb keine andere Wahl, als mehr als 80 Prozent ihrer Filia­len still­zu­le­gen, 1.500 von 32.000 Mit­ar­bei­tern in den unbe­zahl­ten Urlaub zu schi­cken und den übrigen die Gehäl­ter zu kürzen. Rund 100 Top-Manager des Paket­dienst­leis­ters ver­zich­te­ten ihrer­seits auf das Gehalt für den März 2022. „Du kannst keine Ent­schei­dun­gen über Gehalts- oder Per­so­nal­kür­zun­gen treffen, wenn du nicht bei dir selbst anfängst“, so Wolo­dymyr Pope­re­schnjuk. Schon Ende März zeich­nete sich ab, dass das Unter­neh­men die Krise vorerst über­ste­hen würde, ab Mai 2022 nahm es wieder mehr ein als es ausgab. Ab Ende Juli 2022 erreichte der Lie­fer­um­fang gar 90 Prozent des Vor­kriegs­ni­veaus. Dies hing nicht zuletzt mit Mil­lio­nen von Geflüch­te­ten zusam­men, die ihre Hab­se­lig­kei­ten zu sich holen wollten – ob in ver­gleichs­weise sichere Gebiete in der Ukraine oder ins Ausland.

Die Nowa Poschta war vor der umfas­sen­den rus­si­schen Inva­sion außer­halb der Ukraine nur in der Repu­blik Moldau ver­tre­ten, andere aus­län­di­sche Auf­träge wurden in Zusam­men­ar­beit mit Part­nern aus­ge­führt. „Als viele Ukrai­ner gezwun­gen waren, sich im Ausland auf­zu­hal­ten, began­nen sie zu fragen, warum es keine Nowa Poschta gibt“, berich­tet Klymow. Schon im Oktober 2022 wurde dar­auf­hin die erste Filiale in War­schau, im Juni 2023 die erste in Berlin eröff­net. Inzwi­schen betreibt die Nowa Poschta mehr als 100 Filia­len in ins­ge­samt 16 Ländern außer­halb der Ukraine. Im Moment fokus­sie­ren sich Klymow und Pope­re­schnjuk, die vom Forbes Magazin Ukraine zu den Unter­neh­mern des Jahres 2022 ernannt wurden, auf Lie­fe­run­gen aus und in die Ukraine. Doch es ist nicht aus­ge­schlos­sen, dass die Nowa Poschta mit ihrem erfolg­rei­chen Konzept in Zukunft auch deut­schen Post- und Lie­fer­diens­ten Kon­kur­renz machen wird.

Portrait von Denis Trubetskoy

Denis Tru­bets­koy ist in Sewas­to­pol auf der Krim geboren und berich­tet als freier Jour­na­list aus Kyjiw.

 

 

 

 

 

 

 

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