Olha Res­he­tyl­ova: Auf dem Weg zur Ombuds­frau für Militärangehörige

Olha Reshetylova, Wolodymyr Selenskyj
Foto: x.com/ZelenskyyUa

Seit Ende 2024 hat der ukrai­ni­sche Prä­si­dent eine eigene Beauf­tragte für die Rechte von Mili­tär­an­ge­hö­ri­gen – eine Posi­tion, die in Kürze in das Amt einer Mili­tärom­buds­per­son umge­wan­delt werden soll. Ver­ant­wort­lich für diese Aufgabe ist die Ex-Jour­na­lis­tin und pro­mi­nente Men­schen­recht­le­rin Olha Res­he­tyl­ova, die seit 2014 umfas­sende Erfah­rung an der Front gesam­melt hat.

Kurz vor Neujahr stellte der ukrai­ni­sche Prä­si­dent Wolo­dymyr Selen­skyj eine neue Posi­tion in seinem Team vor, die viel darüber aussagt, welche Zeiten die Ukraine gerade durch­lebt: die Beauf­tragte des Prä­si­den­ten zu Fragen der Rechte von Mili­tär­an­ge­hö­ri­gen und ihrer Fami­lien. Fak­tisch handelt es sich um die soge­nannte Mili­tärom­buds­per­son, deren Schaf­fung das Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­rium in Kyjiw im Früh­jahr 2024 beschlos­sen hatte. Das dafür nötige Gesetz muss das Par­la­ment noch ver­ab­schie­den. Es bestehen jedoch wenig Zweifel daran, dass auch diesen Posten die Person über­nimmt, die Selen­skyj am 30. Dezem­ber mit warmen Worten vor­stellte: die aus dem west­ukrai­ni­schen Schy­to­myr stam­mende Ex-Jour­na­lis­tin und Men­schen­recht­le­rin Olha Res­he­tyl­ova (gebür­tig: Kobylynska).

„Olha ist eine bekannte und erfah­rene ukrai­ni­sche Men­schen­recht­le­rin“, so das Staats­ober­haupt über Res­he­tyl­ova. „Sie hat bereits viel für den Aufbau unserer staat­li­chen Insti­tu­tio­nen und die Unter­stüt­zung der Ukrai­ner getan.“ Als ihre Haupt­auf­gabe sieht Res­he­tyl­ova es zunächst, das Gesetz über eine Mili­tärom­buds­per­son aus­zu­ar­bei­ten, an dessen Entwurf sie bereits vor ihrer Ernen­nung mitschrieb.

Zwar wusste sie, dass sie zum Kreis der Kan­di­da­tin­nen und Kan­di­da­ten gehört, die von Selen­skyj für die Posi­tion in Erwä­gung gezogen werden – letzt­end­lich wurde sie durch die Per­so­nal­ent­schei­dung aber doch eher über­rascht. Ihre Kon­takt­da­ten ver­öf­fent­lichte Res­he­tyl­ova schon jetzt auf Face­book, damit Mili­tär­an­ge­hö­rige ihre Beschwer­den direkt an sie als Prä­si­den­ten­be­auf­tragte richten können. Bereits am ersten Tag bekam sie dar­auf­hin Dut­zende von Nach­rich­ten, in denen es unter anderem darum ging, dass Sol­da­ten und Sol­da­tin­nen in einigen Ein­hei­ten ver­prü­gelt worden seien.

Laut Res­he­tyl­ova soll im neuen Gesetz die Pflicht fest­ge­schrie­ben werden, auf solche Beschwer­den inner­halb von drei bis fünf Tagen zu reagie­ren. Außer­dem ist ange­dacht, die Amts­zeit der Mili­tärom­buds­per­son für vier oder sechs Jahre fest­zu­le­gen, während die Amts­zeit des Prä­si­den­ten fünf Jahre dauert. Dadurch sollen Kom­man­deure und Befehls­ha­ber stärker vor poli­ti­scher Ver­fol­gung nach einem Regie­rungs­wech­sel geschützt werden.

Auf keinen Fall solle die Mili­tärom­buds­per­son im über­tra­ge­nen Sinne mit einem Rohr­stock bei den Armee­ein­hei­ten her­um­lau­fen und schlecht arbei­tende Kom­man­deure bestra­fen, findet Olha Res­he­tyl­ova. Viel­mehr müsse sie „Stra­te­gien und sys­te­ma­ti­sche Lösun­gen erar­bei­ten, um die Würde von Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten wie­der­her­zu­stel­len und um den Men­schen in den Mit­tel­punkt der Streit­kräfte zu stellen“, betont sie. „Meiner Meinung nach ist dies etwas, was uns grund­sätz­lich von der rus­si­schen Armee unter­schei­den wird.“ Opti­mis­ti­schen Ein­schät­zun­gen Res­he­tyl­o­vas zufolge könnte das neue Gesetzt zur Mili­tärom­buds­per­son schon im März 2025 ver­ab­schie­det werden.

Olha Reshetylova
Foto: president.gov.ua

Ursprüng­lich hat Olha Res­he­tyl­ova Poli­tik­wis­sen­schaf­ten an oder Ost­ro­ger Aka­de­mie im west­ukrai­ni­schen Bezirk Riwne stu­diert, sich danach aber bald in Kyjiw und im Jour­na­lis­mus wie­der­ge­fun­den. Unter anderem leitete sie etwa fünf Jahre lang das regio­nale Kor­re­spon­den­ten­netz der bekann­ten Tages­zei­tung Den (deutsch: Tag) und war Son­der­kor­re­spon­den­tin des inzwi­schen geschlos­se­nen rus­si­schen Oppo­si­ti­ons­me­di­ums Grani.ru in der Ukraine.

Kurz vor der Maidan-Revo­lu­tion 2013/​2014 brachte Res­he­tyl­ova ihr erstes Kind zur Welt – und ent­schied sich, nicht mehr in den klas­si­schen Jour­na­lis­mus zurück­zu­keh­ren. Sie fing als PR-Direk­to­rin bei einem ukrai­ni­schen Nischen­sen­der an – doch nach der völ­ker­rechts­wid­ri­gen Anne­xion der Halb­in­sel Krim durch Russ­land und dem Beginn des Krieges in den Gebie­ten Luhansk und Donezk widmete sie ihr wei­te­res (Berufs-)Leben der Ver­tei­di­gung der Menschenrechte.

Zunächst grün­dete sie die Stif­tung Come Back Alive mit, um die damals schwa­che und vom Krieg über­raschte ukrai­ni­sche Armee durch die Hilfe von Frei­wil­li­gen zu unter­stüt­zen. Was sie in den nächs­ten ein­ein­halb Jahren erlebte, wurde für sie zu einer emo­tio­nal schwe­ren Erfah­rung – nicht allein wegen der rus­si­schen Aggres­sion. „Ich habe viel Zeit an der Front ver­bracht und neben der Tap­fer­keit unserer Sol­da­ten auch einige unschöne Dinge gesehen“, sagt Res­he­tyl­ova. Unter anderem wurde ein Freund von ihr, der gegen Schmug­gel­ströme inner­halb der Armee vor­ge­hen wollte, getötet. „Ich sah, wie unsere Ein­hei­ten wegen einer Schmug­gel­route auf­ein­an­der schos­sen. Ich weiß, wie Zivi­lis­ten schi­ka­niert oder frei­wil­lige Helfer vom Militär unter Druck gesetzt wurden.“

Nicht zuletzt des­we­gen grün­dete sie später die Medi­en­in­itia­tive für Men­schen­rechte, eine erfolg­rei­che NGO, die zu Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen im Krieg in den Gebie­ten Luhansk und Donezk recher­chierte und zunächst über­wie­gend jour­na­lis­ti­sche Texte ver­öf­fent­lichte. „Dann haben wir aller­dings ver­stan­den, dass wir über derart viele Infor­ma­tio­nen über die Lage im Kriegs­ge­biet, in den besetz­ten Gebie­ten, in der Armee und in den Sicher­heits­or­ga­nen ver­fü­gen, dass wir uns nicht mehr nur auf Texte beschrän­ken konnten“, sagt Res­he­tyl­ova. So stieg die Medi­en­in­itia­tive für Men­schen­rechte in die Advo­cacy-Arbeit ein. Später befasste sich die NGO auch mit umfang­rei­chen ana­ly­ti­schen Studien – und seit dem rus­si­schen Über­fall vom 24. Februar 2022 ist die Bedeu­tung der Doku­men­ta­tion der Ereig­nisse durch die Medi­en­in­itia­tive für Men­schen­rechte kaum zu unterschätzen.

In der ukrai­ni­schen Men­schen­rechts­szene wurde die Ernen­nung von Olha Res­he­tyl­ova zur Prä­si­den­ten­be­auf­trag­ten für die Rechte von Mili­tär­an­ge­hö­ri­gen ins­ge­samt sehr positiv auf­ge­nom­men. Es gab jedoch auch Kritik: Weil sie einst das Asow-Regi­ment dafür kri­ti­siert hatte, zu viel Eigen-PR zu betrei­ben und weil sie nach 2014 in Tsche­tsche­nien und auf der besetz­ten Halb­in­sel Krim gewesen war. Doch gerade in Bezug auf die letzten beiden Punkte hat sich Res­he­tyl­ova kaum etwas vorzuwerfen.

Denn auf die Krim reiste sie, um vor Ort zur gewalt­sa­men Ent­füh­rung von Men­schen zu recher­chie­ren. Und nach Tsche­tsche­nien fuhr sie im Früh­jahr 2016, um Gerichts­ver­fah­ren gegen zwei poli­ti­sche Häft­linge aus der Ukraine zu beob­ach­ten. „Das waren sehr gefähr­li­che Reisen. Es hätte gut sein können, dass wir nicht zurück­keh­ren“, erin­nert sich Res­he­tyl­ova. Damals habe fast niemand darüber geredet, wie es aus der Ukraine ent­führ­ten Zivil­per­so­nen in der Hand rus­si­scher Behör­den ergehe, darüber hätten sie und ihr Team auf­klä­ren wollen.  Wenn es jetzt „auch nur die geringste Gele­gen­heit“ gäbe, Pro­zesse gegen ukrai­ni­sche Gefan­gene vor Ort zu beob­ach­ten, schrieb sie auf Face­book, würde sie erneut hin­fah­ren „ohne zu zögern.“

Portrait von Denis Trubetskoy

Denis Tru­bets­koy ist in Sewas­to­pol auf der Krim geboren und berich­tet als freier Jour­na­list aus Kyjiw.

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