Neue Regie­rung für ein bes­se­res Ver­hält­nis zu den USA

Foto: kmu.gov.ua

Regie­rungs­wech­sel in der Ukraine: Neue Pre­mier­mi­nis­te­rin wird die bis­he­rige Vize-Regie­rungs­chefin Julija Swy­ry­denko, ihr Vor­gän­ger Denys Schmyhal über­nimmt das Ver­tei­di­gungs­res­sort. Innen­po­li­tisch ist die Regie­rungs­um­bil­dung kaum von Bedeu­tung – sie soll vor allem die Bezie­hun­gen zur US-Admi­nis­tra­tion von Donald Trump verbessern.

Länger als er hat es keiner geschafft: Vier­ein­halb Jahre führte der Tech­no­krat und eins­tige Top-Manager ukrai­ni­scher Ener­gie­un­ter­neh­men, Denys Schmyhal, die ukrai­ni­sche Regie­rung. Im oft chao­ti­schen Kyjiwer Poli­tik­be­trieb war noch niemand so lange Pre­mier­mi­nis­ter. Weil die Ukraine eine semi­prä­si­den­ti­elle Repu­blik ist, in der Par­la­ment und Regie­rung starke Rechte haben, führten kon­flikt­rei­che Koali­tio­nen in der Wer­chowna Rada oft auch zu direk­ten Aus­ein­an­der­set­zun­gen zwi­schen Prä­si­dent und Regie­rungs­chef. 2019 aller­dings erlangte die Partei von Wolo­dymyr Selen­skyj die abso­lute Mehr­heit im Par­la­ment – in der Folge agierte der Regie­rungs­chef meist als ver­län­ger­ter Amt des Präsidenten.

Nen­nens­werte Kon­flikte zwi­schen Selen­skyj und Schmyhal gibt es bis heute nicht. Obwohl im Laufe der Jahre immer wieder Gerüchte die Runde machten, Schmyhal könnte ent­las­sen werden, schien der Prä­si­dent mit dessen Arbeit durch­aus zufrie­den. Denn unter den beson­de­ren Umstän­den der jün­ge­ren Zeit fun­gierte der Premier anders als viele seiner Vor­gän­ger nicht als poli­ti­sche Figur, sondern als eine Art Manager der Regie­rung. Nichts­des­to­trotz hat die Ukraine ab heute eine neue Minis­ter­prä­si­den­tin: die 39-jährige Julija Swy­ry­denko, bisher Schmy­hals erste Stell­ver­tre­te­rin und Wirtschaftsministerin.

Kaum neue Gesich­ter im Kabinett

Denys Schmyhal selbst bleibt in der Regie­rung – was in dieser Form aus­ge­spro­chen unge­wöhn­lich ist. Er wird Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter und soll sein Ressort mit dem Minis­te­rium für stra­te­gi­sche Indus­trie zusam­men­füh­ren, das bisher für die Rüs­tungs­pro­duk­tion zustän­dig war. Auch darüber hinaus tauchen trotz der umfas­sen­den Per­so­nal­ro­chade kaum neue Gesich­ter in der Regie­rung auf. Häu­fi­ger geht es, wie im Fall von Swy­ry­denko und Schmyhal, eher um einen Tausch von Minis­te­rien oder Aufgaben.

Die Gründe für den Kabi­nett­um­bau sind viel­schich­tig. Während Wahlen auf­grund des gel­ten­den Kriegs­rechts aus­ge­setzt bleiben, besteht dennoch ein großer Wunsch nach poli­ti­scher Erneue­rung. Zudem ist es für den poli­ti­schen Stil Selen­skyjs typisch, seinen Ver­trau­ten von Zeit zu Zeit neue Auf­ga­ben zuzu­wei­sen. Zum Teil geschieht dies aller­dings auch aus der Not heraus. Gerne hätte man auch neue Gesich­ter in Regie­rung und zen­tra­len Minis­te­rien gesehen. Doch für renom­mierte Top-Manager ist ein Minis­ter­pos­ten schlicht­weg zu schlecht bezahlt und gleich­zei­tig mit zu hohen Risiken für das eigene Image verbunden.

Regie­rungs­um­bau mit außen­po­li­ti­schen Zielen

Bei den aktu­el­len Ver­än­de­run­gen in der Regie­rung geht es aller­dings längst nicht nur um Innen­po­li­tik. Der Umbau hat vor allem außen­po­li­ti­sche Wirkung und soll ins­be­son­dere die Bezie­hun­gen zur US-ame­ri­ka­ni­schen Staats­spitze ver­bes­sern. Dass Donald Trump Prä­si­dent Selen­skyj per­sön­lich nicht beson­ders mag, ist kein Geheim­nis. Weder die Ukraine noch Selen­skyj selbst können dagegen viel tun.

Schwie­rig­kei­ten zwi­schen den USA und der Ukraine gab es aber zuletzt auch auf den unteren Ebenen. Feder­füh­rend in den Gesprä­chen zwi­schen beiden Ländern war bislang Andrij Jermak, der ein­fluss­rei­che Chef des Prä­si­di­al­amts und de facto Chef­di­plo­mat der Ukraine. Unter Joe Biden funk­tio­nierte das relativ gut. Zwar hatten auch damals einige ihre Schwie­rig­kei­ten mit Jermak. Doch mit Bidens Sicher­heits­be­ra­ter, Jake Sul­li­van, konnte er eine enge per­sön­li­che Ver­bin­dung auf­bauen. Nach dem Amts­an­tritt von Donald Trump änderte sich dies fun­da­men­tal. Zum einen soll Jermaks schlech­tes Eng­lisch Trumps Team genervt haben. Zum anderen wünschte man sich in Washing­ton einen gewähl­ten poli­ti­schen Ver­tre­ter als zen­tra­len Ansprech­part­ner, keinen Kanzleichef.

Effek­tive Ver­hand­lungs­füh­re­rin wird zur Regierungschefin

Das Iro­ni­sche an der ganzen Sache: Julija Swy­ry­denko, die sich seit 2019 von der achten Stell­ver­tre­te­rin im Wirt­schafts­mi­nis­te­rium bis zur Regie­rungs­chefin hoch­ge­ar­bei­tet hat, gilt als enge Ver­traute von Andrij Jermak; zeit­weise war sie im Prä­si­di­al­amt sogar dessen Stell­ver­tre­te­rin. Ent­schei­dend für ihre Ernen­nung zur Minis­ter­prä­si­den­tin jedoch war ihre Rolle bei den schwie­ri­gen und lang­wie­ri­gen Ver­hand­lun­gen über das soge­nannte Roh­stoff­ab­kom­men mit den USA zu Beginn dieses Jahres.

Mehr­fach hatte die US-ame­ri­ka­ni­schen Seite der ukrai­ni­schen Dele­ga­tion dabei voll­kom­men inak­zep­ta­ble Ent­würfe für ein Abkom­men vor­ge­legt – und letzten Endes war es Swy­ry­denko, die es schaffte, zusam­men mit US-Finanz­mi­nis­ter Scott Bessent ein Papier aus­zu­ar­bei­ten, mit dem auch Kyjiw zufrie­den war. Die sonst eher im Hin­ter­grund agie­rende Swy­ry­denko soll sich dabei als harte, aber kon­struk­tive und fle­xi­ble Unter­händ­le­rin gezeigt und damit auch der US-ame­ri­ka­ni­schen Seite gefal­len haben.

US-Bot­schaf­te­rin Mar­ka­rowa abgesetzt

Auch die Abset­zung der bis­he­ri­gen Bot­schaf­te­rin in den USA, Oksana Mar­ka­rowa, dient vor allem dazu, das Ver­hält­nis zur Trump-Admi­nis­tra­tion zu ver­bes­sern. Mar­ka­rowa, die seit Februar 2021 Bot­schaf­te­rin in den USA gewesen war, hatte ihren Dienst jah­re­lang so enga­giert wie kom­pe­tent ver­se­hen – doch spä­tes­tens nach dem Wahl­sieg von Donald Trump war klar, dass sie ihren Posten würde räumen müssen. Denn im Herbst 2024 hatte mitten im US-Wahl­kampf eine Reise von Selen­skyj zu einer Rüs­tungs­fa­brik in Penn­syl­va­nia für einen Skandal gesorgt.

Der ukrai­ni­sche Prä­si­dent war damals vom demo­kra­ti­schen Gou­ver­neur beglei­tet worden; repu­bli­ka­ni­sche Abge­ord­nete warfen Selen­skyj dar­auf­hin vor, sich in den Wahl­kampf ein­zu­mi­schen. Der Spre­cher des Reprä­sen­tan­ten­hau­ses, der Trump nahe ste­hende Mike Johnson, for­derte sogar öffent­lich Mar­ka­ro­was Ent­las­sung. Ins­ge­samt arbei­tete Mar­ka­rowa als Bot­schaf­te­rin in den USA aus­ge­spro­chen erfolg­reich, doch wurden ihr immer wieder Pro­bleme im Umgang mit dem repu­bli­ka­ni­schen Teil der ukrai­ni­schen Dia­spora nachgesagt.

Über­ra­schung in letzter Minute

Lange Zeit galt als sicher, dass der bis­he­rige Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter, Rustem Umjerow, Mar­ka­rowa erset­zen würde – immer­hin hatte Selen­skyj dies selbst indi­rekt ange­deu­tet. Umjerow war an den ersten Ver­hand­lun­gen zur Bei­le­gung des rus­sisch-ukrai­ni­schen Krieges mit der von US-Außen­mi­nis­ter Marco Rubio ange­führ­ten Dele­ga­tion in Saudi-Arabien betei­ligt gewesen und hatte danach die ukrai­ni­sche Dele­ga­tion bei den Gesprä­chen mit Russ­land in Istan­bul gelei­tet. Er hätte US-ame­ri­ka­ni­sche Gesprächs­part­ne­rin­nen und Gesprächs­part­ner nicht nur mit aus­ge­zeich­ne­ten Eng­lisch­kennt­nis­sen über­zeu­gen können, sondern auch mit diplo­ma­ti­schem Geschick, hieß es.

Doch offen­bar war die Regie­rung in Washing­ton von Umjerow nicht ganz so über­zeugt, wie man in Kyjiw gehofft hatte – denn in letzter Minute wurde am Don­ners­tag bekannt, dass Olha Ste­fa­ni­schyna desi­gnierte Bot­schaf­te­rin in den USA ist. Die 39-Jährige war zuvor seit 2020 Vize-Regie­rungs­chefin für euro­päi­sche Inte­gra­tion gewesen und hatte als solche viel dazu bei­getra­gen, dass die Ukraine Bei­tritts­ver­hand­lun­gen mit der EU auf­neh­men konnte. Ste­fa­ni­schyna pflegt auch in die USA gute Bezie­hun­gen und erfüllt damit formell alle Vor­aus­set­zun­gen für den Posten als Bot­schaf­te­rin in Washing­ton. Das darf jedoch nicht darüber hin­weg­täu­schen, dass sich die Brüs­se­ler Büro­kra­tie erheb­lich von der Art und Weise unter­schei­det, auf die unter Donald Trump Politik gemacht wird.

Umjerow wird nun zum neuen Sekre­tär des Natio­na­len Sicher­heits­ra­tes ernannt. Es ist gut möglich, dass er in dieser Funk­tion wei­ter­hin für die Ver­hand­lun­gen mit Russ­land zustän­dig sein wird. Denn dass Umjerow ein aus­ge­zeich­ne­ter Ver­hand­ler ist, stellt kaum jemand infrage. Weniger über­zeu­gend zeigte er sich indes als Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter. Dabei hatten bei seiner Ernen­nung im Sep­tem­ber 2023 große Hoff­nun­gen auf ihm gelegen. Doch bis auf Fort­schritte bei der Digi­ta­li­sie­rung konnte sein Ressort, das unter Umjerow oft als „Minis­te­rium des Chaos“ bezeich­net wurde, kaum nen­nens­werte Erfolge vorweisen.

Kein innen­po­li­ti­scher Kurswechsel

Im Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­rium soll nun der poli­tisch erfah­rene Ex-Premier Denys Schmyhal für Ordnung sorgen. Julija Swy­ry­denko wie­derum wird als erste Stell­ver­tre­te­rin des Regie­rungs­chefs von Mycha­jlo Fedorow ersetzt – dem Shoo­ting Star der ukrai­ni­schen Politik. Es ist ein wei­te­rer Schritt nach oben für den 34-jäh­ri­gen Lieb­ling von Selen­skyj, der seit 2019 Minis­ter für digi­tale Trans­for­ma­tion und einer der stell­ver­tre­ten­den Regie­rungs­chefs ist und einzig mit Andrij Jermak ein schwie­ri­ges Ver­hält­nis zu haben scheint.

Ein Kurs­wech­sel in der Innen­po­li­tik ist mit der neuen Regie­rung in der Ukraine nicht zu erwar­ten. Schließ­lich wird deren Aus­rich­tung in der aktu­el­len Amts­zeit vor allem von Wolo­dymyr Selen­skyj vor­ge­ge­ben. Von Julija Swy­ry­denko erwar­tet der Prä­si­dent aber nicht nur Erfolge in den Gesprä­chen mit den USA. Mit ihrer Erfah­rung auf den vorigen Posi­tio­nen soll sie gemein­sam mit ihrem Vor­gän­ger, dem neuen Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter Denis Schmyhal, vor allem die ukrai­ni­sche Wirt­schaft und die Rüs­tungs­bran­che näher zusam­men­brin­gen. Eine wich­ti­gere Aufgabe gibt es für die Ukraine drei­ein­halb Jahre nach dem rus­si­schen Groß­an­griff kaum.

Portrait von Denis Trubetskoy

Denis Tru­bets­koy ist in Sewas­to­pol auf der Krim geboren und berich­tet als freier Jour­na­list aus Kyjiw.

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