Mycha­jlo Fedorow: Selen­skyjs Shootingstar

Foto: Wiki­me­dia

Digi­tal­mi­nis­ter und Vize­pre­mier Mycha­jlo Fedorow ist der jüngste Minis­ter in der Geschichte der Ukraine. Der 32-Jährige ist für das ukrai­ni­sche Droh­nen­pro­gramm und für die auch im Ausland viel­be­ach­tete Staats­dienst­leis­tungs­app „Dija“ ver­ant­wort­lich. Fedorow gilt als Lieb­ling von Prä­si­dent Selen­skyj und hat wohl eine große poli­ti­sche Zukunft vor sich.

Mycha­jlo Fedorow, Digi­tal­mi­nis­ter und Vize­pre­mier der ukrai­ni­schen Regie­rung, war ursprüng­lich kein Poli­ti­ker, sondern Unter­neh­mer und Gründer eines erfolg­rei­chen Werbe-Start-ups. Mit dem Militär hatte er nichts zu tun.

Und doch könnte heute der Ein­fluss des engen Ver­trau­ten von Prä­si­dent Wolo­dymyr Selen­skyj auf das Kriegs­ge­sche­hen kaum größer sein: Es ist Fedorow, der sich höchst­per­sön­lich um das ukrai­ni­sche Droh­nen­pro­gramm „Armee der Drohnen“ kümmert. Unter Exper­ten herrscht Konsens, dass Drohnen nicht nur die Art der moder­nen Kriegs­füh­rung stark ver­än­dern, sondern auch im Krieg zwi­schen Russ­land und der Ukraine eine ent­schei­dende Rolle spielen.

Star Wars-Schau­spie­ler ruft zu Spenden für die „Armee der Drohnen“ auf

Ob Aufklärungs‑, Kurz­stre­cken- oder Kampf­droh­nen mit grö­ße­rer Reich­weite: Wenn die Ukraine diese erfolg­reich ein­setzt, liegen dem meist die vom Digi­tal­mi­nis­te­rium vor­an­ge­trie­be­nen Ent­wick­lun­gen oder die eben­falls von dieser Behörde unter­stützte Aus­bil­dung der Droh­nen­pi­lo­ten zugrunde. Glei­ches gilt auch für inno­va­tive Seedroh­nen, die in Zusam­men­ar­beit mit dem Inlands­ge­heim­dienst ent­wi­ckelt wurden – und die 2023 der rus­si­schen Schwarz­meer­flotte massive Pro­bleme bescher­ten. Finan­ziert werden die Drohnen auch durch Spenden. Die „Armee der Drohnen“ hat einen äußerst pro­mi­nen­ten Für­spre­cher: Star Wars-Schau­spie­ler Mark Hamill bittet höchst­per­sön­lich um Unter­stüt­zung für die Drohnen.

Der Ein­fluss Fedo­rows auf das Kriegs­ge­sche­hen beschränkt sich jedoch nicht allein auf Drohnen – und ist nicht der einzige Grund, warum der mäch­tige Regie­rungs­ver­tre­ter als Favorit für den Posten des Minis­ter­prä­si­den­ten gilt, sollte Selen­skyj den aktu­el­len Premier Denys Schmyhal in Zukunft aus­wech­seln wollen. Im poli­ti­schen Kyjiw wird sogar darüber spe­ku­liert, dass der beliebte Digi­tal­mi­nis­ter eine prä­si­den­ten­ori­en­tierte Partei anfüh­ren könnte, sobald die Durch­füh­rung der wegen des Kriegs­rechts aus­ge­setz­ten Par­la­ments­wah­len wieder möglich sein wird. An seinem jungen Alter dürfte das kaum schei­tern, denn Selen­skyj, der ihn bereits 2019 zum Digi­tal­chef seines Wahl­kamp­fes gemacht hatte, setzt gern auf junge Gesichter.

„Dija“ – erfolg­rei­che Digi­ta­li­sie­rung der ukrai­ni­schen Verwaltung

Fedo­rows größter Ver­dienst ist die Digi­ta­li­sie­rung der ukrai­ni­schen Ver­wal­tung. Seit 2020 können die Ukrai­ner die staat­li­che Dienst­leis­tungs­app „Dija“ (Aktion) nutzen, die weit mehr als nur ein digi­ta­ler Ersatz für Per­so­nal­aus­weis oder Füh­rer­schein ist. Mit­hilfe von „Dija“ ist es etwa möglich, ein Unter­neh­men binnen fünf Minuten zu regis­trie­ren, auch Steu­er­zah­lun­gen oder Spenden für die Armee lassen sich via „Dija“ noch schnel­ler über­wei­sen. „Dija“ kann aber auch genutzt werden, um die ukrai­ni­schen Kom­man­deure über Bewe­gun­gen der rus­si­schen Truppen oder über ver­meint­li­che Kol­la­bo­ra­teure zu informieren.

Im Abwehr­krieg gegen Russ­land koor­di­niert Fedo­rows Minis­te­rium außer­dem die soge­nannte IT-Armee. Zu dieser zählen angeb­lich mehr als 250.000 Frei­wil­lige, die unter anderem für Cyber­an­griffe auf rus­si­sche Insti­tu­tio­nen wie Banken oder die Post ver­ant­wort­lich sind.

Das Digi­tal­mi­nis­te­rium hat auch an dem elek­tro­ni­schen Regis­ter der Wehr­pflich­ti­gen mit­ge­wirkt, in das so gut wie alle Daten aus den staat­li­chen Regis­tern fließen sollen. Das soll den Ein­be­ru­fungs­äm­tern helfen, das ver­al­tete, noch aus Sowjet­zei­ten stam­mende System der Doku­men­ten­ver­wal­tung zu ersetzen.

„Smart-Mobil­ma­chung“ für mehr Transparenz

Fedo­rows Behörde ent­wi­ckelte in Zusam­men­ar­beit mit dem Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­rium auch das Konzept der soge­nann­ten Smart-Mobil­ma­chung. Dieses wird zunächst für Droh­nen­pi­lo­ten an den Start gehen – mit der Zeit werden weitere Mili­tär­be­rei­che hin­zu­kom­men. Über die Platt­form sollen sich die Ukrai­ner ziel­ge­rich­tet für bestimmte Mili­tär­ein­hei­ten bewer­ben können, je nach ihren Fähig­kei­ten und Wün­schen. Zunächst führt der Bewer­ber einen Online-Test durch. Dabei wird von Anfang an trans­pa­rent gemacht, um welche kon­krete Einheit und Auf­ga­ben es geht. Dann folgen ein Vor­stel­lungs­ge­spräch mit einem Head­hun­ter und eine min­des­tens ein­mo­na­tige Ausbildung.

Die Idee hinter der Inno­va­tion Fedo­rows: Seiner Ein­schät­zung nach gibt es viele Ukrai­ner, die grund­sätz­lich nichts dagegen haben, Mili­tär­dienst zu leisten. Sie haben aber kein Ver­trauen in die immer noch als korrupt gel­ten­den Ein­be­ru­fungs­äm­ter und befürch­ten, ohne aus­rei­chende Aus­bil­dung an die Front geschickt zu werden. „Das ist eine Hypo­these, die wir nun testen müssen“, sagte der Minis­ter im Inter­view mit RBC Ukraine. Bei der Smart-Mobil­ma­chung bleiben klas­si­sche Ein­be­ru­fungs­äm­ter kom­plett außen vor. Die Auswahl der Bewer­ber über­nimmt eine große Headhunting-Agentur.

Fedo­rows Geburts­stadt ist noch immer unter rus­si­scher Besatzung

Fedo­rows großes Enga­ge­ment resul­tiert auch daraus, dass der Angriffs­krieg Russ­lands für ihn eine sehr per­sön­li­che Ange­le­gen­heit ist. Seine Geburts­stadt Wasy­l­iwka in der Region Sapo­rischschja ist noch immer unter rus­si­scher Besat­zung. Während seine Mutter und Groß­mutter die Stadt einen Tag vor Beginn des umfas­sen­den rus­si­schen Angriffs­krie­ges ver­las­sen konnten, blieb sein Vater zunächst zu Hause und über­lebte in der ersten Woche der Besat­zung sogar einen schwe­ren Schlag­an­fall. Fedo­rows Onkel wurde zwi­schen­zeit­lich von den Russen ent­führt. Beide haben das besetzte Gebiet mitt­ler­weile ver­las­sen. Wie ihnen das gelang, ist unbe­kannt. Der Minis­ter selbst spricht von einer „Spe­zi­al­ope­ra­tion“. Abschre­cken ließ sich der junge Poli­ti­ker von alldem nicht, im Gegen­teil: Es moti­vierte ihn nur noch mehr, den rus­si­schen Aggres­sor end­gül­tig zurückzuschlagen.

Portrait von Denis Trubetskoy

Denis Tru­bets­koy ist in Sewas­to­pol auf der Krim geboren und berich­tet als freier Jour­na­list aus Kyjiw.

 

 

 

 

 

 

 

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