Mychajlo Fedorow: Selenskyjs Shootingstar
Digitalminister und Vizepremier Mychajlo Fedorow ist der jüngste Minister in der Geschichte der Ukraine. Der 32-Jährige ist für das ukrainische Drohnenprogramm und für die auch im Ausland vielbeachtete Staatsdienstleistungsapp „Dija“ verantwortlich. Fedorow gilt als Liebling von Präsident Selenskyj und hat wohl eine große politische Zukunft vor sich.
Mychajlo Fedorow, Digitalminister und Vizepremier der ukrainischen Regierung, war ursprünglich kein Politiker, sondern Unternehmer und Gründer eines erfolgreichen Werbe-Start-ups. Mit dem Militär hatte er nichts zu tun.
Und doch könnte heute der Einfluss des engen Vertrauten von Präsident Wolodymyr Selenskyj auf das Kriegsgeschehen kaum größer sein: Es ist Fedorow, der sich höchstpersönlich um das ukrainische Drohnenprogramm „Armee der Drohnen“ kümmert. Unter Experten herrscht Konsens, dass Drohnen nicht nur die Art der modernen Kriegsführung stark verändern, sondern auch im Krieg zwischen Russland und der Ukraine eine entscheidende Rolle spielen.
Star Wars-Schauspieler ruft zu Spenden für die „Armee der Drohnen“ auf
Ob Aufklärungs‑, Kurzstrecken- oder Kampfdrohnen mit größerer Reichweite: Wenn die Ukraine diese erfolgreich einsetzt, liegen dem meist die vom Digitalministerium vorangetriebenen Entwicklungen oder die ebenfalls von dieser Behörde unterstützte Ausbildung der Drohnenpiloten zugrunde. Gleiches gilt auch für innovative Seedrohnen, die in Zusammenarbeit mit dem Inlandsgeheimdienst entwickelt wurden – und die 2023 der russischen Schwarzmeerflotte massive Probleme bescherten. Finanziert werden die Drohnen auch durch Spenden. Die „Armee der Drohnen“ hat einen äußerst prominenten Fürsprecher: Star Wars-Schauspieler Mark Hamill bittet höchstpersönlich um Unterstützung für die Drohnen.
Der Einfluss Fedorows auf das Kriegsgeschehen beschränkt sich jedoch nicht allein auf Drohnen – und ist nicht der einzige Grund, warum der mächtige Regierungsvertreter als Favorit für den Posten des Ministerpräsidenten gilt, sollte Selenskyj den aktuellen Premier Denys Schmyhal in Zukunft auswechseln wollen. Im politischen Kyjiw wird sogar darüber spekuliert, dass der beliebte Digitalminister eine präsidentenorientierte Partei anführen könnte, sobald die Durchführung der wegen des Kriegsrechts ausgesetzten Parlamentswahlen wieder möglich sein wird. An seinem jungen Alter dürfte das kaum scheitern, denn Selenskyj, der ihn bereits 2019 zum Digitalchef seines Wahlkampfes gemacht hatte, setzt gern auf junge Gesichter.
„Dija“ – erfolgreiche Digitalisierung der ukrainischen Verwaltung
Fedorows größter Verdienst ist die Digitalisierung der ukrainischen Verwaltung. Seit 2020 können die Ukrainer die staatliche Dienstleistungsapp „Dija“ (Aktion) nutzen, die weit mehr als nur ein digitaler Ersatz für Personalausweis oder Führerschein ist. Mithilfe von „Dija“ ist es etwa möglich, ein Unternehmen binnen fünf Minuten zu registrieren, auch Steuerzahlungen oder Spenden für die Armee lassen sich via „Dija“ noch schneller überweisen. „Dija“ kann aber auch genutzt werden, um die ukrainischen Kommandeure über Bewegungen der russischen Truppen oder über vermeintliche Kollaborateure zu informieren.
Im Abwehrkrieg gegen Russland koordiniert Fedorows Ministerium außerdem die sogenannte IT-Armee. Zu dieser zählen angeblich mehr als 250.000 Freiwillige, die unter anderem für Cyberangriffe auf russische Institutionen wie Banken oder die Post verantwortlich sind.
Das Digitalministerium hat auch an dem elektronischen Register der Wehrpflichtigen mitgewirkt, in das so gut wie alle Daten aus den staatlichen Registern fließen sollen. Das soll den Einberufungsämtern helfen, das veraltete, noch aus Sowjetzeiten stammende System der Dokumentenverwaltung zu ersetzen.
„Smart-Mobilmachung“ für mehr Transparenz
Fedorows Behörde entwickelte in Zusammenarbeit mit dem Verteidigungsministerium auch das Konzept der sogenannten Smart-Mobilmachung. Dieses wird zunächst für Drohnenpiloten an den Start gehen – mit der Zeit werden weitere Militärbereiche hinzukommen. Über die Plattform sollen sich die Ukrainer zielgerichtet für bestimmte Militäreinheiten bewerben können, je nach ihren Fähigkeiten und Wünschen. Zunächst führt der Bewerber einen Online-Test durch. Dabei wird von Anfang an transparent gemacht, um welche konkrete Einheit und Aufgaben es geht. Dann folgen ein Vorstellungsgespräch mit einem Headhunter und eine mindestens einmonatige Ausbildung.
Die Idee hinter der Innovation Fedorows: Seiner Einschätzung nach gibt es viele Ukrainer, die grundsätzlich nichts dagegen haben, Militärdienst zu leisten. Sie haben aber kein Vertrauen in die immer noch als korrupt geltenden Einberufungsämter und befürchten, ohne ausreichende Ausbildung an die Front geschickt zu werden. „Das ist eine Hypothese, die wir nun testen müssen“, sagte der Minister im Interview mit RBC Ukraine. Bei der Smart-Mobilmachung bleiben klassische Einberufungsämter komplett außen vor. Die Auswahl der Bewerber übernimmt eine große Headhunting-Agentur.
Fedorows Geburtsstadt ist noch immer unter russischer Besatzung
Fedorows großes Engagement resultiert auch daraus, dass der Angriffskrieg Russlands für ihn eine sehr persönliche Angelegenheit ist. Seine Geburtsstadt Wasyliwka in der Region Saporischschja ist noch immer unter russischer Besatzung. Während seine Mutter und Großmutter die Stadt einen Tag vor Beginn des umfassenden russischen Angriffskrieges verlassen konnten, blieb sein Vater zunächst zu Hause und überlebte in der ersten Woche der Besatzung sogar einen schweren Schlaganfall. Fedorows Onkel wurde zwischenzeitlich von den Russen entführt. Beide haben das besetzte Gebiet mittlerweile verlassen. Wie ihnen das gelang, ist unbekannt. Der Minister selbst spricht von einer „Spezialoperation“. Abschrecken ließ sich der junge Politiker von alldem nicht, im Gegenteil: Es motivierte ihn nur noch mehr, den russischen Aggressor endgültig zurückzuschlagen.
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