Ein diplo­ma­ti­scher Marathon

Scott Bessent, Denys Schmyhal
Foto: TG Denys Shmyhal

In den Ver­hand­lun­gen um ein Roh­stoff­ab­kom­men zwi­schen der Ukraine und den USA scheint es vor­an­zu­ge­hen: Die in der ver­gan­ge­nen Woche unter­zeich­nete Absichts­er­klä­rung ist für Kyjiw durch­aus akzep­ta­bel – ein diplo­ma­ti­scher Erfolg der ukrai­ni­schen Regie­rung und ihrer neuen Ver­hand­lungs­tak­tik. Doch die Skepsis bleibt groß bei einem Thema, das auch innen­po­li­tisch ein hohes Kon­flikt­po­ten­tial birgt.

Es bleibt ein zäher diplo­ma­ti­scher Mara­thon, den die ukrai­ni­sche Regie­rung derzeit durch­lau­fen muss. Die neue US-Regie­rung um Donald Trump scheint deut­lich mehr Druck auf das ange­grif­fene Kyjiw aus­zu­üben als auf den Aggres­sor Moskau, um so schnell wie möglich und um fast jeden Preis einen Waf­fen­still­stand an der ukrai­nisch-rus­si­schen Front zu errei­chen. Gleich­zei­tig soll ein soge­nann­tes Mine­ra­li­en­ab­kom­men unter­zeich­net werden, das die gemein­same Nutzung stra­te­gisch wich­ti­ger Boden­schätze in der Ukraine regelt. Bei dem Eklat im Weißen Haus am 28. Februar war dieses Vor­ha­ben zunächst in aller Öffent­lich­keit gescheitert.

In der ver­gan­ge­nen Woche haben US-Finanz­mi­nis­ter Scott Bessent und die ukrai­ni­sche Wirt­schafts­mi­nis­te­rin und stell­ver­tre­tende Regie­rungs­chefin, Julia Swy­ry­denko, endlich eine kurze Absichts­er­klä­rung unter­schrie­ben. Nun führte Minis­ter­prä­si­dent Denys Schmyhal in Washing­ton Gesprä­che über den kon­kre­ten Text des Abkom­mens. Die USA haben im Voraus ver­lau­ten lassen, eine Unter­zeich­nung sei noch Ende dieser Woche zu erwar­ten. Wie rea­lis­tisch das ist, bleibt frag­lich. Die ukrai­ni­sche Seite wäre gut beraten, auf Zeit zu spielen. Weil Donald Trump jedoch – bei diesem wie bei allen anderen Themen – auf größt­mög­li­che Schnel­lig­keit drängt, birgt das aller­dings ein erheb­li­ches Risiko.

Kaum aus­sa­ge­kräf­tig im Detail – aber besser als nichts

Auch wenn die Erklä­rung, die Bessent und Swy­ry­denko unter­zeich­net haben, im Detail eher nichts­sa­gend ist: Ange­sichts der momen­tan mehr als schwie­ri­gen Bezie­hun­gen zwi­schen den USA und der Ukraine ist sie ein diplo­ma­ti­scher Erfolg Kyjiws. Schon für die erste Version des Abkom­mens, die Ende Februar im Oval Office hätte unter­zeich­net werden sollen, hatte die US-ame­ri­ka­ni­sche Seite mehrere aus ukrai­ni­scher Sicht voll­kom­men inak­zep­ta­ble Vor­schläge gemacht. Laut Serhiy Sydo­renko, Chef­re­dak­teur der Jew­ro­pe­jska Prawda, dem außen­po­li­ti­schen Ableger der Ukra­jinska Prawda, gab es damals zunächst fünf Ent­würfe, die aus ukrai­ni­scher Sicht alle­samt „schlecht bis kata­stro­phal“ waren. Am Ende mussten die US-Ame­ri­ka­ner auf eine für beide Seiten annehm­bare Version aus­wei­chen, die – wie die jetzt unter­schrie­bene – wenig mehr als eine Absichts­er­klä­rung war.

Nach dem öffent­li­chen Streit im Oval Office zwi­schen Donald Trump, seinem Vize J. D. Vance und dem ukrai­ni­schen Prä­si­den­ten Wolo­dymyr Selen­skyj hatten die USA den 56-sei­ti­gen Entwurf eines Abkom­mens vor­ge­legt, das die ukrai­ni­sche Seite eben­falls unter keinen Umstän­den akzep­tie­ren konnte – zumal dessen juris­ti­sche Qua­li­tät durch­aus frag­lich war. Details über dieses Doku­ment, datiert vom 23. März, machte unter anderem Jaros­law Sche­lesn­jak, Abge­ord­ne­ter der Oppo­si­ti­ons­par­tei Holos, öffent­lich.

Sche­lesn­jak betonte mehr­fach, er habe den Ver­trags­ent­wurf nicht aus ukrai­ni­schen Regie­rungs­krei­sen erhal­ten. Weitere Angaben zur Quelle seiner Infor­ma­tion machte er jedoch nicht. Mög­li­cher­weise war zumin­dest einem Teil der US-ame­ri­ka­ni­schen Ver­hand­lungs­füh­rer damals bewusst, dass eine Ver­ein­ba­rung in dieser Form kei­ner­lei Chance auf Unter­zeich­nung hatte. Die gele­ak­ten Infor­ma­tio­nen lösten in der Ukraine eine öffent­li­che Dis­kus­sion aus, die dies auch dem engen Kreis um Donald Trump vor Augen führen musste.

Ein innen­po­li­tisch heikles Thema

Die Idee, Boden­schätze gemein­sam mit anderen Ländern zu nutzen, birgt ohnehin innen­po­li­ti­schen Spreng­stoff. Schon die 2020 ver­ab­schie­dete Boden­re­form, die in der Ukraine – als einem der letzten Länder welt­weit – den Pri­vat­be­sitz von Acker­land und den Handel damit erlaubte, sorgte in Teilen der Gesell­schaft für Auf­re­gung und wurde – unter anderem von der rus­si­schen Pro­pa­ganda – als „Aus­ver­kauf der Ukraine“ gebrandmarkt.

Doch der Vor­schlag an die USA, Boden­schätze gemein­sam abzu­bauen und zu nutzen, kam ursprüng­lich aus der Ukraine und war im ver­gan­ge­nen Jahr auch Teil des soge­nann­ten Sie­ges­plans von Prä­si­dent Selen­skyj. Hinter ihm steckt mehr als das prag­ma­ti­sche Kalkül, den „Deal­ma­ker“ Donald Trump von einem guten Geschäft zu über­zeu­gen und so dafür zu sorgen, dass er die Ukraine weiter unter­stützt und dies auch seiner Kyjiw-skep­ti­schen Stamm­wäh­ler­schaft schmack­haft macht.

Viele Roh­stoff­vor­kom­men kann die Ukraine allein gar nicht nutzen

Eine engere Zusam­men­ar­beit mit den USA ergibt für die Ukraine durch­aus Sinn. Nach Ein­schät­zung des Welt­wirt­schafts­fo­rums verfügt das Land über 20.000 Lager­stät­ten, an denen 116 Arten wert­vol­ler Mine­ra­lien vor­kom­men – dar­un­ter nicht nur die viel zitier­ten Sel­te­nen Erden, sondern auch große Vorräte an Lithium und Titan, die in der High­tech-Indus­trie stark nach­ge­fragt sind. Doch selbst vor dem rus­si­schen Groß­an­griff wurden ledig­lich an 15 Prozent der ukrai­ni­schen Lager­stät­ten Boden­schätze abgebaut.

Lithium etwa wird in der Ukraine über­haupt nicht geför­dert, obwohl das Land über rund 500.000 Tonnen des wert­vol­len Leicht­me­talls verfügt. Zen­tra­les Problem: Die geo­lo­gi­schen Erkun­dun­gen dauern Jahre und sind teuer. Der ukrai­ni­sche Staat verfügt nicht über das nötige Geld – und für Inves­to­ren, ob aus dem In- oder Ausland, ist die Sicher­heits­lage zu riskant, zumal viele Mine­ra­lien genau in jenen Regio­nen lagern, in denen heute gekämpft wird.

Eine Zusam­men­ar­beit wäre für beide Seiten von Nutzen

Die Boden­schätze der Ukraine gemein­sam mit den USA und ihren Groß­kon­zer­nen zu fördern, wäre also theo­re­tisch eine prag­ma­ti­sche und für alle Seiten gewinn­brin­gende Idee. Doch in dem Ver­trags­ent­wurf vom 23. März ging es prak­tisch um den Aus­ver­kauf des Landes. Die USA for­der­ten von der Ukraine, die unter der Regie­rung von Joe Biden vom US-Kon­gress bewil­lig­ten Hilfs­gel­der wie einen Kredit zurück­zah­len, ohne dafür von Washing­ton die geringste Gegen­leis­tung zu erhal­ten – ein abso­lu­tes No-Go für Kyjiw. Schließ­lich wurden die Hilfs­pa­kete unter der Biden-Regie­rung aus­drück­lich nicht als Kredit, sondern als Mili­tär­hilfe für das ange­grif­fene Land verabschiedet.

Über­dies wollten sich die USA Anspruch nicht nur auf poten­zi­elle För­der­stät­ten sichern, sondern auch auf die bereits exis­tie­rende Infra­struk­tur in den Berei­chen Gas, Kohle und Öl. Für die gemein­sa­men Unter­neh­men sollte ein Fonds unter Führung der US-ame­ri­ka­ni­schen Ent­wick­lungs­agen­tur IDFC gegrün­det werden, dessen Vor­stand aus drei US-ame­ri­ka­ni­schen und zwei ukrai­ni­schen Mit­glie­dern bestehen sollte – wodurch die USA ein Veto­recht bei allen Ent­schei­dun­gen des Fonds gehabt hätten.

Geän­derte Ver­hand­lungs­tak­tik erfolgreich

Um einen Ausweg aus dieser fest­ge­fah­re­nen Situa­tion zu finden, hat die ukrai­ni­sche Regie­rung in jüngs­ter Zeit ihre öffent­li­che Polemik bezüg­lich des Abkom­mens ein­ge­stellt und ihre Ver­hand­lungs­tak­tik geän­dert. Das Ver­hand­lungs­team unter der Führung von Vize­re­gie­rungs­chefin Swy­ry­denko bestand in erster Linie aus stell­ver­tre­ten­den Minis­tern und nicht aus pro­mi­nen­ten poli­ti­schen Figuren und führte in den ver­gan­ge­nen Wochen über­wie­gend soge­nannte tech­ni­sche Gespräche.

Zudem griff die Ukraine nicht mehr auf eigene juris­ti­sche Exper­tise zurück, sondern beauf­tragte eine große inter­na­tio­nale Kanzlei aus Groß­bri­tan­nien. Diese Stra­te­gie scheint – zumin­dest im ersten Schritt – auf­ge­gan­gen zu sein. Die unter­zeich­nete Erklä­rung mag aus Kyjiwer Sicht nicht in allen Punkten ideal sein. Viel­mehr war aus dieser kom­pli­zier­ten Situa­tion jedoch kaum herauszuholen.

Der Elefant bleibt im Raum

Am Ende jedoch bleibt nicht nur die zen­trale Frage offen, was das Abkom­men konkret beinhal­ten wird und ob es über­haupt so kurz­fris­tig unter­schrie­ben werden kann. Zum einen muss das ukrai­ni­sche Par­la­ment eine solche zwi­schen­staat­li­che Ver­ein­ba­rung rati­fi­zie­ren, was sich als äußerst schwie­rig erwei­sen könnte. Denn selbst in der Regie­rungs­par­tei Sluha narodu (dt.: Diener des Volkes) dürften viele skep­tisch auf diese Ange­le­gen­heit blicken. Darüber hinaus müssten Dut­zende weitere Gesetze zusätz­lich geän­dert werden.

Zum anderen steht der offen­sicht­li­che Elefant nach wie vor im Raum: Denn selbst wenn ein trag­fä­hi­ger Waf­fen­still­stand den Krieg zwi­schen Russ­land und der Ukraine ein­däm­men sollte, ist kaum anzu­neh­men, dass US-Kon­zerne große Mengen Geld in ein Gebiet inves­tie­ren, in dem jeder­zeit neue Kämpfe aus­bre­chen könnten. Um dies zu ver­hin­dern, bräuchte die Ukraine hand­feste Sicher­heits­ga­ran­tien – und diese werden ihr von Prä­si­dent Trump kon­ti­nu­ier­lich verweigert.

Portrait von Denis Trubetskoy

Denis Tru­bets­koy ist in Sewas­to­pol auf der Krim geboren und berich­tet als freier Jour­na­list aus Kyjiw.

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