Roman Kos­tenko: „Cyborg“ und erfolg­rei­cher Abgeordneter

Roman Kostenko
Foto: IMAGO /​ Ukr­in­form

Roman Kos­tenko ist Oberst aus Über­zeu­gung: 2014 ver­tei­digte er als soge­nann­ter Cyborg den Flug­ha­fen von Donezk, beim Inlands­ge­heim­dienst SBU orga­ni­sierte er für die Spe­zi­al­ein­heit Alfa Dut­zende von Ope­ra­tio­nen, nach der rus­si­schen Inva­sion im Februar 2022 ging er erneut an die Front. Aber auch in der Politik ist der 41-Jährige erfolg­reich: Seit 2019 orga­ni­siert er im Par­la­ment die Arbeit des Verteidigungsausschusses.

In der Ukraine werden sie Cyborgs genannt: Jene Sol­da­ten, die 2014/​2015 im Donbas-Krieg mehr als 200 Tage lang unter extrem schwie­ri­gen Bedin­gun­gen den Flug­ha­fen von Donezk ver­tei­dig­ten. Zu ihnen gehörte auch Oberst Roman Kos­tenko, der in der Spe­zi­al­ein­heit Alfa beim Inlands­ge­heim­dienst SBU dient und zudem Sekre­tär des Ver­tei­di­gungs­aus­schus­ses im Par­la­ment ist. Das mag ver­wun­dern, denn nor­ma­ler­weise wird Alfa mit kom­pli­zier­ten Ope­ra­tio­nen beauf­tragt, bei denen ein sorg­fäl­tig geplan­tes Vor­ge­hen not­wen­dig ist – und nicht mit der klas­si­schen Ver­tei­di­gung stra­te­gisch wich­ti­ger Objekte.

Doch als Kos­tenko im Oktober 2014 zum ersten Mal zum Donez­ker Flug­ha­fen fuhr, tat er das auf eigene Initia­tive und nicht im Auftrag der Spe­zi­al­ein­heit. Er hatte noch Rest­ur­laub und wollte, wie er erzählt, die Sol­da­ten unter­stüt­zen, die am Flug­ha­fen bereits fast umzin­gelt waren. Dort im Kampf­ge­biet feierte er damals auch seinen 31. Geburts­tag. Wenig später kam er zum zweiten Mal zum Flug­ha­fen, weil der Leiter des Gene­ral­stabs Unter­stüt­zung benö­tigte und offi­zi­ell bei ihm ange­fragt hatte. Diesmal blieb Kos­tenko zwei Wochen und trug eine Rücken­ver­let­zung und eine Gehirn­er­schüt­te­rung davon. „Um in dieser Zeit unver­letzt zu bleiben, musste man rie­si­ges Glück haben, weil der Beschuss derart stark war“, erin­nert er sich.

„Wir haben einfach unseren Job gemacht“

Welche stra­te­gi­sche Bedeu­tung der Donez­ker Flug­ha­fen damals hatte, sei im Nach­hin­ein schwer zu beur­tei­len, findet Kos­tenko. „Er war ein wich­ti­ges Symbol des Wider­stands, deshalb mussten wir ihn halten“, sagt er. Den obers­ten Kom­man­deu­ren vor Ort habe er klare Emp­feh­lun­gen gegeben, wie die Sol­da­ten aus der Situa­tion hätten her­aus­kom­men und sich auf die glei­chen Posi­tio­nen zurück­zie­hen können, auf die sie später um den Preis hoher Ver­luste ohnehin aus­wi­chen. „Das war meine per­sön­li­che Ansicht“, meint Kos­tenko. Mög­li­cher­weise habe die Mili­tär­füh­rung über weitere Infor­ma­tio­nen vom Geheim­dienst verfügt und die Situa­tion deshalb stra­te­gisch anders beurteilt.

Jeden­falls wird Roman Kos­tenko, dessen mili­tä­ri­scher Rufname Hrom (dt.: Donner) lautet, nicht gern „Cyborg“ genannt. „Was haben wir denn Hel­den­haf­tes getan? Unseren Job?“, fragt er rhe­to­risch. „Ich habe eine Aus­bil­dung am Mili­tär­in­sti­tut absol­viert und an vielen Ope­ra­tio­nen teil­ge­nom­men, die schwie­ri­ger waren als die am Flug­ha­fen von Donezk. Aber außer ‚Cyborg‘ wird oft nichts anders über mich erwähnt.“ So hätten ein paar Wochen am Flug­ha­fen quasi seine ganze Kar­riere geprägt.

Vom Militär zum Geheimdienst…

Tat­säch­lich träumte Kos­tenko schon als Kind davon, zum Militär zu gehen. Dabei hatte in seiner Familie fast niemand etwas mit der Armee zu tun. „Es gibt Fotos aus meiner Kind­heit, die mich in Mili­tär­uni­form zeigen“, erzählt Kos­tenko, der aus der Region Cherson im Süden der Ukraine stammt. In dieser Uniform, die seine Eltern extra für ihn bestellt hatten, sei er manch­mal sogar zur Schule gegan­gen. Schließ­lich stu­dierte Kos­tenko am Insti­tut für Land­streit­kräfte der Mili­tär­aka­de­mie von Odesa.

Nach Abschluss seines Stu­di­ums im Jahr 2005 wurde er Zug­füh­rer der 79. Luft­sturm­bri­gade der ukrai­ni­schen Streit­kräfte. Drei Jahre später wech­selte er zur Spe­zi­al­ein­heit Alfa beim Inlands­ge­heim­dienst SBU, obwohl das Gehalt dort deut­lich nied­ri­ger war. In der Armee habe er keine Chance gesehen sich wei­ter­zu­ent­wi­ckeln – beim SBU aber hätte er in einer Eli­te­ein­heit arbei­ten können. „Eine solche Chance konnte ich mir nicht ent­ge­hen lassen“, betont der 41-Jährige.

…und weiter in die Politik

Zwi­schen 2014 und 2019 diente Roman Kos­tenko als Militär im Donbas-Krieg – ab 2016 als stell­ver­tre­ten­der Leiter der Spe­zi­al­ein­heit Alfa in der süd­ukrai­ni­schen Region Myko­la­jiw. Anders als über die Ver­tei­di­gung des Donez­ker Flug­ha­fens darf er über viele Akti­vi­tä­ten dort bis heute nicht spre­chen: „Wir haben Dut­zende von Ope­ra­tio­nen durch­ge­führt. Aber ich darf sie nicht einmal andeu­ten, um meine Unter­ge­be­nen nicht zu gefährden.“

Im Jahr 2019 wech­selte Kos­tenko schließ­lich in die Politik – und schaffte es über die Liste der natio­nal­li­be­ra­len Oppo­si­ti­ons­par­tei Holos (dt.: Stimme) in die Wer­chowna Rada. Er wurde Sekre­tärs des Ver­tei­di­gungs­aus­schus­ses und war in dieser Funk­tion durch­aus erfolg­reich: Kos­tenko spielte eine wich­tige Rolle bei der Ver­ab­schie­dung der Mobi­li­sie­rungs­re­form im April 2022, die sich lange hin­ge­zo­gen und für enorme Dis­kus­sio­nen gesorgt hatte.

Ein stra­te­gisch wich­ti­ger Sieg

Als Russ­land am 24. Februar 2022 die umfas­sende Inva­sion in der Ukraine begann, kehrte Roman Kos­tenko auf das Schlacht­feld zurück – und war etwa an der Ver­tei­di­gung der Stadt Myko­la­jiw und der Befrei­ung meh­re­rer Ort­schaf­ten in ihrer Nähe betei­ligt. „Eines Tages werden His­to­ri­ker sagen, dass die Ver­tei­di­gung von Myko­la­jiw einer der stra­te­gisch wich­tigs­ten Siege in diesem Krieg war“, glaubt Kos­tenko. „Dass wir Myko­la­jiw halten konnten, gab uns die Aus­sicht auf die Befrei­ung von Cherson. Wir haben auch den Zugang zum Schwar­zen Meer behal­ten. Hätten sie Myko­la­jiw ein­ge­nom­men, hätten sie wohl auch Odesa besetzt.“ Dass dies nicht gelun­gen ist, ist unter anderem Roman Kos­tenko zu verdanken.

Portrait von Denis Trubetskoy

Denis Tru­bets­koy ist in Sewas­to­pol auf der Krim geboren und berich­tet als freier Jour­na­list aus Kyjiw.

 

 

 

 

 

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